Es ist mitten am Tag, kein Anfang und kein Ende. Das Licht scheint grell unter den halb heruntergelassenen Rollladen hindurch, und durch die schmalen Spalten oberhalb. Wenn man sie zu weit aufmacht, ist es zu hell im Raum. Der graue Alltag zieht vorbei draußen. Manchmal muss ich ein Teil davon sein. Unerkannt dazwischen, tue ich so, als wäre ich normal, wie sie alle. Aber ich bewege mich anders darin. Eine Anomalie. Jemand der nie richtig dazu gehört.
Ich sitze an meinem Schreibtisch, eckig wie jeder, weiß und schwarz. Ein unpassender Türgriff rechts. Zögerlich, dann wieder schneller bewegen sich meine Finger über die flachen Tasten. Es ist ein alter Laptop. Noch läuft er. Ich sitze krumm und bin schwarz. Meine Kleidung, meine Haare sind schwarz, meine Gedanken. Viel Kraft steckt da äußerlich nicht drin. Rechts von mir ist eine Fenstertür. Es ist wie eine Grenze und zugleich ist es keine. Ich schwebe eher haltlos dazwischen. Die Realität.
Ich drehe den Kopf und sehe auf die Straße, vorbei an Metallstäben eines puristischen Balkongeländers. Wären die Stäbe vertikal, dann würde es an einen Käfig erinnern. Draußen spielen ein paar Kinder auf dem Platz, eine Familie geht Eis essend vorbei. Muss ein toller Tag für sie sein. Sie scheinen glücklich. Eine Familie, Freunde, ein Verein... was immer es ist, sie sind gesellig und fröhlich miteinander. Lächerlich und dämlich. Ich verstehe nicht, wie man seine Mundwinkel ehrlich zur Fröhlichkeit bewegen kann. Solche Gesellschaften belügen sich eher. Die Probleme werden verschwiegen, während man so tut, als liefe alles prächtig.

Kein Grund, ihnen länger zuzusehen. Ich wende Blick und Gedanken ab. Der Cursor blinkt auf dem Bildschirm. Neues Dokument. Ich verschwinde in einer Fantasie, zu einer rätselhaften Frau, der Außergewöhnlichsten, eine Welt voller Bilder und Eindrücke. Sie ist ein verzauberndes Wesen, dessen Geist einen platt auf den Boden drücken kann. Oder gegen die Wand. Ebenso einzigartig schön wie stahlhart.
Äußerlich ist sie gekleidet, wie viele andere Frauen es sich nicht trauen würden, denk ich. Ein schwarz das souverän wirkt, stolz, arrogant, wenn man es nicht besser weiß. Wenn ich dominant sagen würde, wäre das zu offensichtlich. Ihr Haar trägt sie zusammengebunden, lang und glatt bis auf den Rücken. Ihre Gesichtszüge sind ausdrucksvoll. Es ist ein Bild, fast unrealistisch, je öfter ich sie darauf sehe. Vielleicht denke ich deshalb manchmal, das alles nicht echt ist.
Aber ich darf sie nicht berühren, ich knie vor ihr. Und sie steht dort, wie eine Erscheinung. Manchmal habe ich Angst, das sie verschwindet, wenn ich es versuche. Wo ist die Realität, wenn sie unbegreiflich nahe und dennoch so weit weg ist? Die Frage bleibt, bohrend und wieder.
Über ihre Lippen kommen Worte. Fließende, voller Wärme und klare strenge Laute, ein befehlendes Stakkato. Eine Konsequenz. Aber es ist nur ein Bild. Ihr Lippen bewegen sich lautlos. Warum kann ich sie nicht immer hören? Und warum, verhält sich das Gefühl der Verbundenheit so unlogisch? Gerade dann, wenn ihre Hand um meinem Herz dieses zerquetscht, inklusive Krallen. Ihre Gestalt tritt vor. Der direkte Augenkontakt ist von einer Intensität, das mir direkt die Worte ausgehen. Zeit, vollends in diesem Traum zu verschwinden.


Nur in Shorts, auf allen Vieren krieche ich zum Sofa. Dadurch, das sie da sitzt, erscheint es wertvoller. Ihr linker Arm ruht auf der Lehne. Das indirekte Licht malt leichte Schatten ihrer Wimpern auf die Wangenknochen, fast unbemerkbar. Sie hält konstant meine Leine stramm und zieht mich unbarmherzig zu sich. Um meinem Hals sitzt eng anliegend eine großgliedrige Kette, an der die Leine mit einem Karabiner befestigt ist.
„Komm hierher, mein Hund.“, befiehlt sie.
Ihre Beine in Stiefeln sind übereinandergeschlagen. Es ist Dreck an den Sohlen verblieben, bemerke ich dabei.
Eine elektrische Ladung fährt über meine Haut, als ich mich vor sie knie, ein Kribbeln vom Nacken über den Rücken. Ihr Blick ist derart tief, das mir die Spucke wegbleibt. Ich sehe sie nur sprachlos an. Ungeduldig wartet sie, das ich meine Worte wiederfinde. Das setzt eine Spannung, die, je länger sie anhält nur größer wird.

„Wird das noch was?!“, erkundigt sie sich.
„Ja meine Herrin… “ Ich senke den Kopf. „Ich wollte nicht starren.“
„Und das soll ich glauben?! Wohl kaum.“, meint sie pikiert.
„Ich -“ wusste ohnehin nichts Sinnvolles zu sagen.
Sie hält die Leine so kurz, das mir nur eine Handbreit der Länge bleibt. Dann drückt sie meinen Kopf erbarmungslos am Nacken runter. Ihre Krallen bohren sich in meinen Hals. „Leck meine Stiefel sauber, du Hund! Wo du schon nichts Anständiges sagen kannst.“
Worte, die für jeden anderen beleidigend klingen, doch ich nehme sie als Zuneigung wahr. Schlussendlich hat sie recht, mit jedem Wort. Wie beim ersten mal auf dem Friedhof, beuge ich mich zu ihren Füßen runter. An der Schuhspitze beginnend, lecke ich über ihren Stiefel, nicht gierig und nicht zu langsam. Es schmeckt nach Straßendreck und Staub. Die Leine rasselt ein wenig, ansonsten ist es still im Raum. Sie zieht die Kette weiter stramm. Insgeheim genieße ich es.
„Ich habe gesagt, du sollst ordentlich lecken!“, blafft sie.
Ich versuche es noch besser zu machen, lecke über die Ferse und Absatz. Als sie mir den, nicht wenig spitzen Absatz in Mund schiebt, muss ich husten, und röchele. Dennoch fahre ich mit der Zunge darum bis er sauber ist.
Sie reißt mir an den Haaren und drückt meinen Kopf dann noch tiefer auf den Boden. Ohne einen Zentimeter der Kette nachzugeben. Ich würge und verschlucke mich. Sie ignoriert es und ich spüre einen Schauer der Erregung, der sich bis in meinen Schwanz zieht. Die enge Metallkette um meinem Hals, ihre Stiefel abzulecken und ihr so meine Hingabe zu zeigen, das alles berauscht mich. Es scheint unwirklich.
Auf einmal spüre ich ein Stechen im Nacken und zucke vor Schmerz zusammen. Sie hat ihren anderen Stiefel auf meinen Hals gestellt. Was meine Bewegungsfreiheit quälend auf ein Minimum einschränkt.


Gefesselt und angekettet an Händen und Füßen, knie ich vor einem schwarzen Sessel. Meine Herrin sitzt da, wie eine Königin. Anders kann ich das nicht sehen.
Neben ihr liegt ihre Peitsche auf der Sitzfläche. Der Raum ist in helles wohnliches Licht getaucht, während es vor den Fenstern schon einfarbig schwarz ist. Die Arbeit ist getan. Eine friedliche abendliche Stimmung herrscht nicht. Sondern eine unberechenbare Spannung.
„Beweg deinen Arsch hierher!“, sagt sie gebieterisch.
„Bitte nicht meine Herrin.“, flehe ich sie an.
Ein Blick von ihr genügt. Mühsam krieche ich zu ihr. Die Ketten scheuern an meinen Gelenken.
„Hierher oder du wirst es bereuen!“
„Eine Strafe wäre keine, wenn man sie vorschlagen darf?“, frage ich dünn.
Sie übergeht es.
Es ist keine Angst, aber der Funke Scham macht es erniedrigend. Zögernd lege ich mich über ihre Schenkel. Meine Knie berühren fast den Boden. Aus dieser Lage kann man nur fallend entwischen, wird mir dabei bewusst.
„Bitte nicht mein Hintern.“, bettele ich.
„Warum denn nicht?“, meint sie. Aber es ist keine Frage. „Dein Arsch muss auch mal etwas abkriegen.“
Ihre Finger streifen über meine gefesselten Handgelenke und greifen die Hundekette in meinem Nacken. Ihre Nägel kratzen scharf über meine Haut.
Mit der anderen Hand schlägt sie zu, ohne Vorwarnung. Ich zucke zusammen. Es ist schmerzhafter als angenommen. Nach kurzer Zeit nimmt sie ihre Peitschte zur Hilfe und versohlt mich damit. Es wird nicht weniger unangenehm, je mehr es weh tut. Ich beiße die Zähne knirschend aufeinander.
Es brennt und nesselt extrem. Zu zappeln würde die Sache noch demütigender machen. Ich werde rot im Gesicht. Mit etwas Glück übersieht sie das vielleicht. Ab und an rutschen mir dumpfe, halb unterdrückte Schmerzenslaute raus.
„Es scheint dir die Sprache verschlagen zu haben.“, stellt sie gemein fest.
Die Erniedrigung pulsiert mir unausweichlich durch die Adern. Ich will im Boden versinken. Mein Kiefer hat sich festgefahren. Es schmerzt zunehmend wie Hölle.
Sie hört nicht auf. Im Gegenteil, zieht sie die Kette noch enger. Und ich spüre wie es mich aufpeitscht. Erregung, von der ich nicht glaubte, das es sie gibt.


Ich knie am Straßenrand, neben ihr auf dem Boden. Es sind glatte graue Pflastersteine. Vereinzelt wächst Gras aus den Fugen. Die Sonne blendet wie ein lauer Tag. Eine deutliche Wärme sitzt in der Luft. Meine Herrin ist beschäftigt eine Informationstafel über den Ort zu lesen. Wobei es bestimmt eher um Bau und Geschichte geht. Die Leine liegt in ihrer Hand, locker durchhängend, mit einem Karabiner vorne an meinem Halsband befestigt. Ich rätsele, wieso sie gerade hierher wollte.
Eine kleine Gruppe Menschen zieht, sich unterhaltend vorbei. Ein Vereinsausflug, aber irgendwas konservativeres, vermute ich. Und zu wenig Rucksäcke für eine Wandergruppe. Einige der Erwachsenen brechen in lautes Gelächter aus, als sie mich bemerken und bleiben stehen. Sie starren meine Herrin an, beziehungsweise ihre Kehrseite. Zwei versuchen erfolglos sie anzusprechen. Die Gesellschaft geht weiter, nicht ohne das ein paar Kommentare gegen die umliegenden Hauswände fliegen.
Schließlich dreht sich meine Herrin um und spuckt mir ins Gesicht.
„Was kniest du da und schweigst wie ein geprügelter Hund?!“
„Ich -“, setze ich überrascht an.
„Wenn ich beschäftigt bin, hast du dich vor mich zu stellen und meine Ehre zu verteidigen!“
„Du hast angeordnet das ich knien soll.“, meine ich verwirrt.
„Nicht wörtlich, du dummer Hund! Stattdessen kniest du stumm da, als wäre es dir unangenehm an meiner Seite!“
„Nein meine Herrin, das wäre n -“
„Dann handele danach! Als mein Hund hast du mich zu beschützen!“
„Ja meine Herrin.“ Das will ich.
Sie geht los. Ich krieche niedergeschlagen hinter ihr. Sie hält die Kette so stramm, das es in meine Haut scheuert. Auf Dauer bin ich zu langsam. Sie versetzt mir einen Tritt.
„Du bist ein jämmerlicher Köter.“, sagt sie kalt. „Beeil dich!“


Die Nacht ist angebrochen. Ein fahler Mond scheint durch die, nicht vollständig geschlossenen Rollläden in das halbdunkle Zimmer. Sie steht vor mir, wie gnadenloser Engel. Die Atmosphäre steht unter Spannung. In ihren Händen hält sie eine Peitsche mit schmalem Lederstück am Ende. Ich hänge an den Handgelenken festgekettet in der Mitte des Raumes, so, das ich mit den Füßen knapp den Boden berühre. Meine Hose ist etwas heruntergerutscht. Oberkörper und Füße nackt. Die Kette reicht hoch bis zu einem Haken an der Decke. Einige Striemen und rote Flecken bedecken meine Brust und Bauch. Ich atme noch heftig, und schwitze von vorhergegangener Anstrengung.
Doch meine Herrin ist noch lange nicht fertig. Sie legt nach und verpasst mir weitere Striemen. Obwohl der Schmerz schön ist, und ich mich daran gewöhnt haben sollte, zucke ich jedes Mal zusammen.
„Na, gefällt es dir?!“, fragt sie.
Ich nicke nur stumm. Ich hab einen Kloß im Hals. Und das Bedürfnis noch mehr fertig gemacht zu werden.
„Du bist ein erbärmlicher Köter! Und ein Schlappschwanz!“, fügt sie hinzu.
Drei Hiebe treffen mich in schneller Folge. Ich gebe ein unterdrücktes Stöhnen von mir.
„Bitte meine Herrin, kannst du mir mehr schenken?!“, bettle ich danach.
„Mehr was!?“, fragt sie scharf.
„Mehr von dir…“
„Das hättest du wohl gerne. Du Willst mich?!“, fragt sie spöttelnd.
„Ja meine Herrin.“ Ich antworte schnell, wie erleichtert.
„Das hast du nicht verdient. Oder ist es etwa der Schmerz? Geht es dir nur darum?!“
„Nein, das mein ich nicht. Nur dich“, versuche ich mich zu retten.
„Du magst den Schmerz also nicht?“
„Doch, ich -“ Der gertenartige Stab der Peitsche an meinem Hals lässt mich verstummen.
„Wolltest du mir gerade widersprechen?!“, fragt sie interessiert. Die Nacht und die Lust haben ihre Pupillen geweitet. Sie drückt die Peitsche fest gegen meine Kehle.
„Nein, meine Herrin.“
Sie zieht die Augenbrauen hoch. „Das hast du Köter doch gerade.“
„Ich…“
Sie holt erneut aus. „Halt die Klappe!“, schreit sie mich an, als ich zu einer Entschuldigung ansetzen will. Ihre Schläge hallen klatschend von den Wänden wieder. Mein Haut brennt. Ich muss leise winseln.
„Mehr hältst du nicht aus für deine Herrin?!“
„Doch… alles meine Herrin.“, ächze ich, als sie im selben Moment trifft.
„Alles? Du solltest nicht versprechen, was du nicht halten kannst.“, rät sie.
Ich schweige verbissen.
„Gut.“, meint sie. „Ich mache dich armseligen Köter fertig. Dann werden wir ja sehen, ob du richtig liegst.“

Das Leder der Peitsche zischt durch die Luft. Der Schmerz explodiert auf meiner Haut, noch ehe man ein Geräusch hört. Ihr Arm führt sie geübt und zielsicher. Ihr geschmeidiger Körper bewegt sich dabei.
„Sieh mich an.“, befiehlt sie.
Sie sieht fesselnd und verführerisch aus. Doch ich kann nicht genießen, sie dabei anzuschauen. Der Schmerz raubt mir stetig mehr Kraft. Ich röchele, als sie eisern in meine Halskette greift.
„Hast du jetzt genug?!“
Erschöpft betrachte ich ihre Highheels. Die Absätze sind ein halben Meter hoch. Dann hebe ich den Kopf. „Nein meine Herrin.“, wage ich zu sagen.
Ihre Krallen kratzten über meine Brust. Mir entfährt ein gepeinigtes Wimmern.
„Ahja… Wie war das mit alles aushalten?“
Ein paar der Striemen bluten.
„Bitte meine Herrin. Ich kann das beweisen.“
„Was willst du denn beweisen?!“ Sie lacht trocken auf. „Du bist erschöpft und nutzlos.“
Ich weiß keine gute Antwort. „Aber ich kann es durchhalten…“
„Muss Ich mir etwa dein Gebettel anhören?!“
„Nein meine Herrin.“
Anschließend dreht sie mich konsequent um, und bearbeitet meinen Rücken. Schnell nacheinander schlägt sie zu. Gründlich und erbarmungslos. Ich versuche die Schmerzenslaute zu unterdrücken. Als ich von ihren Peitschenhieben anfange zu zittern, legt sie eine kurze Pause ein und versetzt mir einige Schläge durchs Gesicht. Dann spuckt sie mich an. „Dummer Köter.“ Es ist dezent wunderschön.
Auf diese Demütigung folgen weitere Hiebe. Und ich kann nicht verhindern, das der Schmerz mich langsam zugrunde richtet. Ich erfasse ihre Gefühle und zeige ihr offen meine. Zu einem Punkt an dem das eins wird.


Wie ein schwarzes Loch inmitten eines herrlichen Sommertages, aus grün, frischer Luft, duftenden Blüten, Sonnenschein und dämlichem Vogelgezwitscher knie ich vor ihrer Haustür, unterhalb der Stufen. Ich erinnere mich, wie sie mich einst dort runter getreten hat. Der Stein ist so hart wie man sich das vorstellt.
Es geht mir nicht darum gesehen zu werden. Nahezu ironisch schön ist die Natur, während ich nur an meine Herrin denken kann und daran, das ich versagt habe. Ich liege am Boden. Vollkommen platt. Ich hab sie schwerwiegend enttäuscht. Habe nichts mehr in meinen Händen.
Vielleicht ist sie traurig. Vielleicht, ja womöglich tut es ihr ebenso weh. Auch wenn sie das nicht sagen würde. Womöglich ist das Einbildung. Sie ist wohl eher verärgert, kalt und konsequent gegen mich. Meine Schuld. Das wandelt sich schnell zur Gleichgültigkeit und sie wendet sich nur weiter ab.
Zeitvergeudung ist es meist, in Gemütsregungen zu hängen, die nicht weiterbringen. Aber genau diese machen mich fertig. Es ist ein Betteln um ihre Worte und ihre Gefühle geworden. Sie wendet ihre Aufmerksamkeit anderem zu, je stärker es wird. Meine Herrin.
Ich habe es vermutlich nicht verdient. Und doch knie ich da, inmitten einer Witterung die mein optisches Gegenteil ist. Sie kommt nicht heraus und öffnet die Tür nicht. So lange, das ich unsicher werde, ob sie zu Hause ist. Als meine Beine längst taub sind und meine Knie schmerzen, erscheint sie dennoch nicht. Ich halte immer weiter daran fest und knie dort, egal was es mich kostet.


Es beginnt zu dämmern, an einem trüben Nachmittag. Dichte Wolken verdunkeln den Himmel. Das Licht scheint nur spärlich hindurch. Ein stetiger Regen durchnässt Bäume, läuft in schmalen Rinnsalen von dunklen Blättern, moosgrün und von den grauen Dachschindeln der Häuser herunter. Eine lange Straße führt davon weg, nasser Teer, blanke Straßenschilder. Der Wald gegenüber ist vernebelt von feinem Regen. Das Wasser spritzt vom Asphalt hoch, als ein Linienbus vorbeifährt. Kurz sind die bunten Lampen und Lichter von ihm zu sehen.
Vom Dach der alten Bushaltestelle tropft der Regen auf den Gehweg. Unter diesem Holzdach stehe ich, vor einer Frau. Weißblond über schwarz. Obwohl ein Rauschen und ferne Autogeräusche zu hören sind, ist es in diesem Moment ganz still. Ich sehe meine Herrin an. Versuche mehr den je sie zu lesen, in ihren Augen zu begreifen, was sie ist. Und sie sieht mich an. Sie weiß es schon. Womöglich, wird es mir nie gelingen.
Ich versuche etwas zu sagen. Kein Ton kommt heraus. Wie soll ich zeigen, was ich meine. Verwirrt huscht mein Blick kurz zur Seite, dann wieder zu ihr. Das letzte Auto ist längst vorbei gefahren.
Ich weiß nicht, was ich tun soll und ratlos stehe ich vor einem Rätsel, vor ihr.
In meinem Hinterkopf meldet sich etwas, das ich mich hinknien sollte. So wie es sich für einen Hund gehört, vor ihr kniend. Kaum das ich es erwogen habe, knicken meine Beine ein. Ich habe keinen Muskel gerührt, dachte ich. Sehnsüchtig und voller Fragen schaue ich zu ihr hoch.
Sie ist undurchdringlich. Den Ausdruck in ihren Augen, kann ich nicht deuten.
Letztlich bin es nicht ich. Sie entscheidet, ob es Wohlwollen oder Ungnade ist, in welcher ich knie. Es gibt keine Antwort.
Ich glaube etwas zu sehen. Denke, ich liege richtig. Geisterhaft, wie im Traum, stehe ich auf. Langsam strecke ich die Hand aus. Stumm. Meine Finger streichen über ihre Haare. Sie sind weich. Und ich kann sie berühren. Doch, das kann nicht echt sein. Ist es eine Erscheinung? Würde nur ein Bild lächeln vor mir? Ihre Lippen verziehen sich. Ich will es genießen so sehr. Die Zeit vergeht schon zu schnell. Der Zeiger sollte anhalten.
Ihre Augen stechen nicht abweisend. Ich lege meinen Arm um sie, und schmecke ihren Duft. Vollkommen lautlos berühren sich unsere Lippen. Sie ist kalt und warm zugleich. Ich möchte mich darin vergraben und vor ihr liegen. Wir stehen allein dort unter dem Holzdach der Haltestelle, mitten im Regen.


Meine Herrin betritt, geschmackvoll gekleidet, die weite Lobby des Hotels. Ohne Hut. Die Kleider schmiegen sich größtenteils eng an ihren Körper. Ich folge ihr koffertragend. Und kann es nicht lassen sie dabei anzuschauen. Ihre Schritte sind selbstbewusst und fest. Ich werd nie verstehen, wie sie in solchen Schuhen laufen kann.
Mir fällt auf, das es von hier aus fünfzehn Türen und Durchgänge, sowie drei Treppenaufgänge und ein Fahrstuhl gibt. Und eine Menge unnötiger Verzierungen an Knäufen, Schlüssellöchern, Geländern und am Tresen, auf welchen meine Herrin gerade zugeht. Wie immer lenkt sie Blicke auf sich. Einige gutbetuchte Senioren und Durchschnittliche durchqueren den Eingangsbereich. Es ist ein Urlaub, ein Ferientag. Sie scheint dezent. Ich habe untypisch gute Laune.
„… und Sie haben ein Zweibettzimmer gebucht?“, fragt die Frau an der Rezeption gerade irritiert. Ihr Blick huscht kurz zu mir im Hintergrund. Meine gut sichtbare, schwere Halskette mit Schloss verwirrt sie wohl.
„Nein. Nur ein Bett… “, antwortet meine Herrin gelassen.
Ich gebe mich einen Moment der Überlegung hin, ob sie ihre schmalen Augenbrauen dabei hochzieht.
„Achso… ja.“ Die Tante hat es auf ihrem Bildschirm gefunden. Sie vergleicht noch ein paar Angaben, dann fragt sie: „Darf ich Ihnen noch ein paar Informationen zum Frühstückbuffet und unseren Freizeit- und Unterhaltungsangeboten geben?“
„Danke. Aber ich denke, ich weiß bereits alles.“, erwidert meine Herrin.
Ich finde die Konversation etwas spannend. Die Tante hinterm Tresen schien jetzt nicht zu wissen, wie sie das Gespräch vorschriftsmäßig beenden soll.
„Eine Frage hätte ich noch… Ist der Boden im Zimmer auch gut sauber? Sodass mein Hund dort schlafen kann?“, fragt meine Herrin, sich zur Seite drehend.
„J-Ja natürlich.“, meint die Frau reflexartig.
Ich muss dezent grinsen.
Meine Herrin bemerkt es aus dem Augenwinkel. „Du brauchst dein Fuß noch zum Laufen, nicht wahr?!“
„Ja meine Herrin.“, bestätige ich, ums Bravsein bemüht. Dennoch finde ich die Situation weiterhin witzig. Die Rezeptionsfrau scheint temporär sprachlos.
„Sie wünschen mir einen angenehmen Aufenthalt, nehme ich an?“, schlägt meine Herrin ihr vor.
„Genau.“, bestätigt die andere planlos. Dann lächelt sie aufgesetzt.

Als wir in Richtung Zimmer losgehen, greift meine Herrin unter meinem Oberteil nach meiner Leine und führt mich durch die Lobby. Unter dem Blick aller Anwesenden. Ich muss mich beherrschen nicht erneut zu grinsen. Es gelingt nicht ganz. Worauf sie kräftig an der Kette ruckt.
„Benimm dich, du Hund.“


Flach liege ich vor ihr auf dem Fliesenboden. Sie hält meine Kette auf äußerster Spannung, reißt daran, während ihr Stiefel sich in meinen Rücken bohrt. Ihre geballte Wut kann ich spüren.
„Als Strafe ist das bei Weitem nicht genug!“, stellt sie fest.
„Bitte meine Herrin…“
„Unter einer Entschuldigung, - “, sagt sie ungerührt, unterstreicht ihre Worte mit einem Tritt, „ - verstehe ich etwas anderes!“
„…bitte verzeih mir.“, flehe ich sie an.
Mir entfährt ein Jaulen, als sie noch mehr Gewicht auf das Bein verlagert, dessen Stiefelabsatz mich beinahe aufspießt.


Schweigend gehen wir über das ausgestorbene Gelände eines alten Fabrikkomplexes. Es ist schon lange dunkel. Sie hat ihre Kraft an mir ausgelassen. Ich bin erschöpft und geschwächt. Aber die Ruhe und der nachklingende Schmerz erfüllen mich. Es macht so unfassbar brav, und es macht glücklich. Ich laufe zwei Schritte hinter meiner Herrin, und helfe ihr an der Grenze über den Zaun. Es regnet noch immer. Sie tritt auf meine Hände, und ich bin kurz versucht ihre Stiefel zu küssen, als sie so nahe sind.
Jetzt wollte sie sich verabschieden, in einem warmen Auto wegfahren, während ich durch die Nässe zurückgehe. Ohne ein Wort stehe ich vor ihr auf der Straße. Alles was mitzuteilen war, ist in einer Intensität herausgekommen, die Worte nicht mehr übertreffen können. Von Weitem scheinen ein paar Laternen von der Hauptstraße in die Dunkelheit und kurz aufblitzende Lichter der Autos. Ansonsten ist wenig zu erkennen. Meine Kleidung ist längst durchweicht. Inzwischen ist auch ihr Mantel ziemlich nass geworden.
„Danke meine Herrin.“ Ich bin noch sehr überwältigt von dem Erlebnis und ihrem Geschenk.
Dann fällt mein Blick auf das wartende Auto. Eifersucht wie Zorn würde mich jetzt vielleicht erfüllen. Aber es kommt nichts davon. Sie hinterlässt Frieden nachdem sie mir Zuneigung und Schmerz gegeben hat.
„Gute Nacht mein Hund.“
Sie wendet sich zum Wagen, dessen Scheinwerfer sich in großen Pfützen auf dem tiefschwarzen Teer spiegeln.
„Gute Nacht meine Herrin.“, erwidere ich.

Plötzlich dreht sie sich um, packt mich am Halsband und schubst mich gegen die nächste Mauer. Der Regen prasselt in meinen Ohren. Der Geruch von Teer, Erde und Rost drückt in der feuchten Luft. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand gelehnt. Zögernd sehe ich sie an.
Mindestens mit einem Blick sollte ich ihre Erlaubnis haben. Ihre Augen sind dunkel, im Kontrast zu ihrem Haar. Und bei dieser Nichtbeleuchtung. Worauf wartest du noch, fragt ihr Blick. Ein Stein fällt hinunter, geräuschlos.
Ich ziehe sie zu mir heran und küsse sie. Mein Arm greift unter ihren Mantel und schlingt sich um sie. Ich bin vorsichtig und sanft zu ihr, und dennoch reißt die Leidenschaft uns mit.
Ich lege meine Gefühle in diese Berührung, so gut ich es vermag. Ihre Hände krallen sich in meine Kette, so fest. Sie küsst zurück, das es mir den Atem raubt. Wir stehen eng aneinander. Eine Seltenheit. Ich spüre ihren Körper durch die nasse Kleidung. Alles andere verschwindet hinter einem dunklen Vorhang aus Regen.


© D.M.


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