Der Ziegenhirt und sein garstiger Bruder…


Vor langer, langer Zeit lebte im Dörfchen Klein-Schönau der Korbmacher
Martin.
Er hatte zwei Söhne, Bernhard und Jörg. Bernhard war der Ältere von beiden.
Bernhard war ein garstiger, böser Bruder, und er ärgerte seinen jüngeren
Bruder bei jeder Gelegenheit.
Bernhard tötete und quälte auch Tiere.
Den Maikäfern riss er die Flügel aus, die Frösche trat er tot und seine Ziegen schlug er mit seinem Stock.
Er war aber so raffiniert, dass sein Vater von seinen bösen Streichen nie etwas mitbekam.
Der Korbmacher Martin hatte etliche Ziegen, die Bernhard, da er der Ältere war, hüten musste.
Der Korbmacher konnte durch die Ziegenmilch seinen kargen Verdienst
aufbessern.
Bernhard hütete die Ziegen immer im Wald, denn der Gutsherr Stehfest
erlaubte es nicht, dass die Ziegen auf den Wiesen und auf den Äckern
des Gutes grasen.
Es war ein warmer, sonnendurchfluteter Herbsttag und Bernhard hütete
die Ziegen, wie immer, im Wald.
Plötzlich stand vor dem Buben ein alter, ärmlich gekleideter Mann.
Bernhard erschrak, denn der hatte mit keinem Menschen gerechnet.
Der Mann fragte freundlich: „ Kannst du mir ein wenig Milch geben,
ich würde mich sehr freuen.“
Bernhard hatte seine Angst überwunden und er sagte frech: „ Da kann ja jeder Landstreicher kommen, von mir bekommst keine Milch.“
Inzwischen war der Frühling gekommen überall grünte und blühte es.
Bernhard hütete wieder seine Ziegen, und erneut stand der alte Mann
vor dem Buben.
Der alte Mann bat mit leiser Stimme: „ Kannst du mir nicht die Kletten
aus meinem Bart entfernen.“
Bernhard antwortete: „ Soll ich mir denn die Krätze holen, mach das mal selber.“
Der Sommer war gekommen, und es war entsetzlich heiß. Bernhard hatte sich zum Hüten eine Kanne mit Himbeersaft mitgenommen.
Der Junge saß am Stamm einer Buche, die reichlich Schatten spendete.
Die Ziegen hatten sich auf Grund der starken Hitze hingelegt, und Bernhard nahm von Zeit zu Zeit, einen Schluck aus seiner Kanne.
Er hing seinen Gedanken nach, doch da stand plötzlich der alte Mann
vor dem Buben.

Der Alte sprach: „ Gib mir doch bitte deine Kanne, damit ich einige Schlucke von deinem Himbeersaft nehmen kann.“
Der böse Bernhard sprach: „Das könnte dir so passen, du kannst
jedoch etwas bekommen“ und der Junge holte mit seiner Gerte zum
Schlag aus.
In dem Moment war ein lautes Donnern zu hören, und helles Licht,
so hell wie die Sonne, war zu sehen.
Dort am Stamm der Buche, wo der Bub gesessen hatte war eine gefleckte Ziege zu sehen
Der alte Mann, der in Wirklichkeit Waldzauberer war, hatte den Buben
in einen Ziegenbock verzaubert.
Am späten Abend sagte der Korbmacher zu seinem Sohn Jörg: „ Schau
doch mal wo dein Bruder mit den Ziegen bleibt.“
Jörg ging in den Wald und er fand nur die Ziegen vor, von seinem
Bruder Bernhard weit und breit keine Spur.
Er ging weiter in den dichten Wald, und rief nach seinen Bruder Bernhard, jedoch ohne Erfolg.
Jörg ging zu dem Platz wo die Ziegen waren, doch die Ziegen haben
allein den Weg zu ihrem Stall gefunden.
Am nächsten Tag machte sich alle Dorfbewohner auf, um nach Bernhard
zu suchen.
Die Suche brachte jedoch kein Ergebnis, so das der dicke Bürgermeister
Besenstiel, die Suche abbrach.
Nun mußte Jörg, wohl oder übel, die Ziegen hüten. Am dritten Tag
bemerkte Jörg den gefleckten Ziegenbock, der ja sein verzauberter Bruder war.
Der Bube teilte diese Feststellung seinem Vater mit. Sein Vater Martin
meinte, da wird uns ein Ziegenbock zu gelaufen sein.
Der Korbmacher sagte noch: „ Den Ziegenbock werden wir zu Martini schlachten.“
Jörg machte beim Ziegen hüten immer Musik auf seiner Rohrflöte.
Eines Tages hörte der Bub eine Stimme die sagte: „Wer spielt denn so
schön auf der Flöte?“
Es war der alte Mann, der Waldzauberer, der diese Frage stellte. Jörg
fragte den Zauberer: „ Kann ich irgendetwas für Sie tun.“
Der Zauberer sagte zu dem Jungen: „ Du kannst etwas Ziegenmilch in meine Flasche geben.“
Der Bube melkte die Ziege Susi und füllte die Mich in die Flasche
des Zaubers.
Der Waldzauberer sagte: „ Braver Bub, Gott wird dir deine Großzügigkeit danken.“
Einige Tage später traf Jörg erneut auf den alten Mann.


Der alte Mann sagte händeringend: „ Sei so gut und entferne die Kletten
A us meinem Bart.“ Der Junge entfernte vorsichtig die Ketten aus dem Bart des Alten. Der Zauberer sagte dankend: „ Gott wird dich sicher für deine gute Tat belohnen.“
Danach entfernte sich der Zauberer zwischen den Tannen.
In dem darauf folgenden Jahr war über mehrere Wochen eine
große Hitze.
Die Bäume, die Tiere und die Menschen litten unter dieser.
Martin gab seinem Sohn Jörg eine Kanne mit Kirschsaft für unterwegs.
Es war schon gegen Mittag, die Vögel sangen nicht mehr, und auch die Grillen zirpten nicht mehr.
Jörg begann seine Käseschnitte zu essen, und von Zeit zu Zeit nahm er
einen Schluck vom Kirschsaft.
Plötzlich und unerwartet stand der alte Mann vor dem Buben.
Jörg erschrak nicht, denn er kannte den alten Mann schon.
Ehe der Alte antworten konnte sagte Jörg: „ Komm Großvater, ich lade dich zum Mittagessen ein.“
Der Alte sprach: „ Jörg, ich habe keinen Hunger, jedoch gegen einige
Schlucke vom Kirschsaft wäre ich nicht abgeneigt.“
Der Alte setzte sich zu dem Jungen, und er trank genüsslich vom leckeren Kirschsaft.
Jörg und der Alte saßen eine ganze Weile in der Mittagshitze, ohne etwas zu sprechen. Der Zauberer fragte dann Jörg, wie es bei ihm zu Hause so zu gehe.
Jörg berichtete dem Alten, dass sein Bruder Bernhard schon über ein Jahr vermisst wäre. Er sei wie vom Erdboden verschwunden.
Darauf antwortete der Zauber: „ Das ist ja für dich und deinen Vater
ein großer, schmerzlicher Verlust.“
Dem Buben kullerten etliche Tränen übers Gesicht. Er meinte,
wenn Bernhard zu den Tieren und zu den Menschen auch oft böse und
garstig war, er ist aber sein Bruder. Niemand kann sagen, wo er geblieben ist.
Der alte Mann richtete sich im Sitzen auf, und sagte: „ Ich könnte dir vielleicht helfen, denn ich bin ein Zauberer.“
Der Junge fragte den Zauberer: „ Hast du ihn vielleicht in einen Ziegenbock verzaubert?“ Darauf antwortete der Zauber nicht.
Der Zauber sagte zu Jörg: „ Du hast einen Wunsch frei, weil du immer
zu allen Tieren und Menschen so gut und hilfsbereit bist.“
Aus Jörgs Mund sprudelten die Worte: „ Hilf mir doch lieber Zauberer
meinen Bruder zu finden. „
Der Zauber sagte: „ Jörg, ich kann dir deinen Bruder leider nicht her zaubern, denn soweit reichen meine Zauberkräfte nicht.“
Der Zauberer strich Jörg liebevoll über dessen Kopf und meinte: „Gehe mit deiner Ziegenherde nach Hause, denn die Nacht bricht bald an.“
Jörg sagte noch: „ Lebewohl lieber Zauberer“ und er trieb seine Herde in Richtung Klein-Schönau.
Als Jörg am Dörfchen ankam, eilte ihm sein Bruder Bernhard mit geöffneten Armen entgegen.
Die Brüder umarmten sich und ihre Herzen schlugen freudig.
Im Dörfchen war nun von Stund an, eine große Freude bei allen Bewohnern zu spüren.
Es wurde von allen Dörflern drei Tage lang die Rückkehr Bernhards gefeiert.
Der Zauberer hat somit den Herzenswunsch vom Jörg erfüllt. Der
gefleckte Ziegenbock, in den Bernhard einmal verzaubert war, ließ der Zauberer verschwinden.
Bernhard war wie umgewandelt. Er war freundlich, hilfsbereit und auch
fleißig.
Einige Dorfbewohner meinten, vielleicht sollten böse, garstige Menschen
in eine Ziege, ein Schaf oder Ochsen verzaubert werden, wenn sie danach geläutert sind.
Hochwürden Langrock widersprach der geäußerten Meinung dieser Dorfbewohner.
Er sagte: „ Gott allein richtet, und Gott allein weiss, was richtig oder falsch ist.“


© Jürgen


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Kommentare zu "Der Ziegenhirt und sein garstiger Bruder..."

Re: Der Ziegenhirt und sein garstiger Bruder...

Autor: Michael Dierl   Datum: 30.06.2021 12:15 Uhr

Kommentar: Gern gelesen und erinnert mich an die vielen Geschichten über Grimms Märchen die ich als kleiner Bub verschlang. Das Buch habe ich heute noch auch wegen der tollen Illustrationen die noch in einem älteren Zeichenstil, also mit echten Farben recht aufwendig bemalt wurden. Sowas geht gar nicht am Rechner zu machen.

lg Michael

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