Ob eine Minute vergangen war oder dreißig konnte ich nicht einschätzen. Sie löste sich langsam aber bestimmt von mir. War es genug? Zu viel? Meine Hände fielen herunter.
„Das ist also "noch mehr" ?“, fragte sie, den Kopf leicht zur Seite neigend.
„Naja… ich…“, artikulierte ich hilflos und machte eine vage Bewegung mit den Armen. Eine Erklärung für mein Verhalten blieb mir im Hals stecken.
Sie griff nach der Leine und hielt sie kurz und stramm.
Ihr Blick… die Kette und Leine zeigten mir abermals deutlich auf, wo ich hingehörte. Zudem tat der anhaltende Schmerz sein Übriges.
„Ich genieße es, wenn du für mich leidest mein Hund. Ich muss dann lächeln. Aber es ist ein glückliches Lächeln. Eines, welches sich nahe anfühlt, mein Hund.“, sagte sie warm.
„Ich würde gerne noch mehr für dich leiden, meine Herrin. Ich verzehre mich geradezu nach deiner erbarmungslosen Seite.“, versuchte ich es nochmal, voller Mut.
„Nach meiner Peitsche oder nach mir, mein Hund?“
„Ich…“ Es war definitiv zu spät abends für mein Gehirn. „Bitte… kannst du mir wehtun, meine Herrin.“, bettelte ich.
„Du hattest genug.“, bemerkte sie mit Nachdruck.
„Meine Herrin… “
„Nein. Mehr hast du auch nicht verdient.“
Ich musste schlucken. Sei froh mit dem was du haben durftest, dachte ich. Es war weit mehr, als manche hoffen konnten. Doch ich war nicht halb tot. Ich kniete mich vor sie, dennoch bemüht höflich und brav zu sein.

Niedergeschlagen betrachtete ich den Holzboden. Ihre Ablehnung traf mich trotz der vernünftigen Überlegungen massiv. Das lag sicher an der Müdigkeit.
„Wenn du nicht zusehen willst wie ich mich fertig mache, kannst du ja da bleiben.“, sagte sie betont gleichgültig und ging ins Badezimmer.
„Bitte darf ich zusehen meine Herrin?“
Da funktionierte nicht mehr viel in meinem Kopf. Gerade das Nötigste. Dennoch kämpfte ich noch weiter darum.
Entweder verärgerte es sie oder womöglich amüsierte sie sich auch gerade darüber. Sie bejahte es und ich krabbelte zu ihr und kniete da, während sie sich die Zähne putzte, ihr Gesicht eincremte und pflegte.
Als sie das Badezimmer verließ, stellte sie im Vorbeigehen kurz ihren nackten Fuß in meinen Schritt, auf meine Kronjuwelen.
„Du solltest dich etwas waschen und deine Wunden säubern.“ Sie ging weiter.
„Danke meine Herrin.“

Ich ging mich waschen. Manche der Kratzer öffneten sich wieder. Mein Kiefer spannte sich dezent. Es brannte höllisch und ich war nur noch erschöpft. Ich begann unter den zunehmenden Schmerzen zu schwitzten, die das Auswaschen verursachte. Meine verbliebene Beherrschung war nötig, dabei ruhig zu bleiben. Als ich beim Rücken angelangt war, zitterten meine Hände und Arme vor Anstrengung. Der Hals war am schwersten, die Haut um die Hundekette krebsrot.
Das ich danach zu ihr kommen sollte, hatte sie nicht gesagt. Es konnte ebenso von ihr als Selbstverständlichkeit deklariert sein, wie ein Hinweis darauf, das sie das gar nicht wollte. Aber als ich fertig war und aus dem Bad zu ihr ging, vergaß ich meine Überlegungen.
Sie saß auf ihrem Bett, ein überdimensionales Kissen hinter ihrem Rücken, die Beine übereinandergeschlagen und beachtete mich nicht weiter. Ihre Wimpern zeigten nach unten. Sie blickte auf einen Bildschirm, der ihr Gesicht subtil mit weißem Licht erhellte.
Ich blieb am Fußende stehen und stand einige Sekunden dumm herum, bis mir klar wurde, warum sie nicht aufblickte. Abrupt und präzise wie ein Blitzmerker, ließ ich mich auf die Knie fallen und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Auch jetzt reagierte sie nicht direkt, sondern nahm sich Zeit eine lange Nachricht auf ihrem Handy fertig zu schreiben.
Als sie fertig war, sah sie auf und fragte nüchtern: „Was willst du hier?“
Ich wusste keine ordentliche Antwort.
„Raus mit der Sprache! Ich hab keine Geduld für dumme Hunde.“, kommandierte sie streng.
„Darf ich hier bleiben, meine Herrin?“, fragte ich leise. Und das kostete mehr Mut, als die Frage erahnen ließ.
„Wo denn?“, fragte sie milde interessiert.
„Bei dir… Auf dem Boden, meine Herrin.“, antwortete ich vorsichtig.
Ihre Art war verunsichernd. Vor allem jetzt, schien sie noch immer so wach und geistig konzentriert, das sie mich mit Leichtigkeit platt machen konnte.
„Gut. Wenn du unbedingt auf dem Boden schlafen willst...“, meinte sie schulterzuckend.
Als ob etwas anderes jetzt im Bereich des Möglichen läge, dachte ich trocken, aber blieb stumm. Ich sah mich auf dem Boden um.
„Ein Kissen gibt es nicht für dich. Komm her!“, verlangte sie.
Ich bewegte mich zur linken Bettkante und kniete mich dort vor sie hin. Ihre Bettdecke war von einem glatten dunkelsteingrau.

Ich sah zu ihr hoch. Meine Augen brannten. Ich war todmüde. Doch sah ich sie klar und deutlich über mir dort sitzen. Der Tag war lang gewesen. Der späte Abend lag in der Luft, die Atmosphäre war ruhig und friedvoll.
Sie hielt das Ende meiner Leine und zog mich daran zu sich. Der erneute Schmerz drohte mich zu bezwingen, aber es war auch unheimlich schön.
„Ich wünschte, es wäre für immer so meine Herrin.“, sagte ich nachdenklich. Ich blickte auf die Kette und dann wieder zu ihr.
„Vielleicht gehörst du ja auch ewig angekettet, mein Hund?!“
„Ja meine Herrin.“, gab ich ermattet zu.
„Braver Hund.“ Sie legte mir ihre andere Hand auf den Kopf und ließ die Spannung auf der Leine etwas nach. Es war wie ein sanftes Streicheln. Für einen Moment lehnte ich meinen Kopf in ihre Hand und schloss die Augen.

Ein paar Minuten vergingen in denen ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Dann sickerte mir ins Gehirn, was sie eben geäußert hatte.
„Ich denke, du bist dezent fertig.“, merkte meine Herrin an.
Sie hatte recht, und es ergab kein Sinn noch etwas anderes zu behaupten. Dennoch zögerte ich.
„Ja meine Herrin… ich bin müde.“ Ich seufzte. War dieser Punkt jetzt erreicht? Warum konnte ich nicht länger durchhalten. „Darf ich schlafen gehen?“
„Ja, darfst du. Gute Nacht mein Hund.“
„Gute Nacht meine Herrin.“, erwiderte ich.

Nachfolgend entwich mir jegliche Spannung. Ich ließ los und sackte neben ihrem Bett auf dem Boden zusammen, an der Stelle wo andere Leute ein Bettvorleger oder Teppich liegen hatten.
Meine Herrin hatte alle Lampen ausgeschaltet und lag noch wach in ihrem Bett. In einer Hand hielt sie meine Leine. Es war übermäßig dunkel. Nur das Licht ihres Handybildschirms beleuchtete schwach den Raum und machte Konturen der Möbel erkennbar. Ein Schrank… Nachttische und das Bett ließen ihre scharfen Kanten erahnen, der Rest war zu schwarz.
Ich hörte ihren gleichmäßigen Atem. Die Luft war angenehm kühl. Der Fußboden war nicht hart, er kam mir weich vor, selbst als mein Kopf nicht mehr auf meinem Arm lag. Es war eine Erleichterung ihn endlich abzulegen. Womöglich träumte ich das gerade schon.

Meine Gedanken flossen träge in meinem übermüdeten Hirn dahin. Ich überlegte noch, was ich heute hätte anders machen sollen, damit es in irgendeiner Szene besser gepasst hätte. Aber es blieb ergebnislos. Vor meinem inneren Auge zogen Bilder vorbei, vor dem Dunkeln des Zimmers. Zugleich starrte ich auf die dünnen Vorhänge, die kaum erkennbar im fastschwarz sich nicht leicht bewegten, wie von Geisterhand, sondern weiß herunterhingen. Bei einer so unberechenbaren Frau war es leicht, sich zu verrechnen, dachte ich noch.
Das warme Gefühl danach, wenn ich für sie Schmerzen ertragen hatte, diese unbeschreibliche Ruhe und Frieden welcher mich dann erfüllte, das war Glück. Und ich hungerte für dieses Gefühl von ihr.
Die Gedanken verkreiselten sich durcheinander, bevor ich schlagartig einschlief. Ich war einfach weg, so wie ich war, halbnackt und angekettet auf dem kalten Boden liegend.


© D.M.


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