Die Sonne brodelte noch immer im Horizont. Lange Abende hatten so etwas an sich, als würde der Sonnenuntergang, wie der Tod, noch hinausgezögert. Ich sah auf die in Abendlicht getauchte Landschaft. Wir saßen im Auto und rasten über leere Straßen. Mein Hals war immer zuerst oberhalb der mehrfach vernarbten Stellen wieder offen.

Die enge Kette raubte mir langsam und quälend die Kraft. Ab und zu sah ich zu ihr hinüber, und… das was ich dabei fühlte, war so viel tiefer und ernster. Wenn ich mir ins Bewusstsein rief, was uns verband, wie viel Schmerzen ich bereit war für sie zu ertragen, sah ich kein anderes Ziel mehr. Konnte ich denn alles verkraften? Der Weg, war hier noch lange nicht zu Ende.
„Was fühlst du gerade mein Hund?“
Wie sollte ich das jetzt beschreiben…
„Ich… kann dich sehen meine Herrin.“
„Und das ist alles?“, fragte sie unbeeindruckt.
„Bei einem so einzigartigen Wesen wie du es hast, einem, das ich noch immer oft nicht verstehe, ist es schwer Worte zu finden, die dir gerecht werden meine Herrin.“, versuchte ich zu erklären.
„Dann streng dich an.“
„Das was uns verbindet… ist für mich tiefer und ernster, vielleicht sogar mehr, als es den Anschein hat oder nach logischen Parametern sein kann. Ich träume halt.“
„Dann solltest du schleunigst aufwachen.“, stellte sie heraus.
„Das kann ich nicht, meine Herrin. Für mich ist Fantasie und Realität dasselbe, wenn es um dich geht.“
Sie erwiderte nichts und ich fragte mich, ob ich zu viel gesagt hatte oder das Falsche, oder sie es anders verstanden hatte.

„Halt an.“, riss sie mich plötzlich aus den Gedanken.
Ich fuhr an die Seite. Wir befanden uns außerhalb an einem verlassenen ungeteerten Parkplatz, der von einer Seite vom Wald begrenzt wurde und an dessen anderer, ein langer und hoher Maschendrahtzaun zu einem Feld verlief.
„Steig aus.“
Verwirrt, aber gehorsam stieg ich aus. Das Abendrot hatte sich zu einer rot leuchtenden Fläche am Horizont zurückgezogen.
„Oberteil aus! Stell dich an den Zaun, du Hund!“
Ich zog mein Pullover aus und ging langsam Richtung Zaun.
„Wirds bald, du dreckiger Köter?!“, verdeutlichte sie.
Die letzten Schritte lief ich.

Nervös stand ich mit dem Rücken zu ihr am Zaun und sah auf das Feld. Aber ich erblickte nicht wirklich etwas, sondern lauschte angestrengt hinter mich. Ein paar Steinchen knirschten. Eine der Autotüren schlug zu. Dann hörte ich ihre Schritte hinter mir.
„Meine Herrin, hab ich - “, begann ich noch, da traf mich plötzlich ein scharfer schneidender Schmerz quer über den nackten Rücken. Zu plötzlich und zu heftig, als das ich stumm blieben konnte. Wo zur Hölle hatte sie jetzt die Peitsche her?
„Habe ich dir erlaubt zu sprechen?!“
„Nein meine Herrin.“, meinte ich verunsichert und merkte sofort, das dies ein Fehler war.
„Du dummer Köter!“, schrie sie. „Weißt du, wie dreckig und armselig du bist?!“
Sie ließ ein zweites Mal ihre Peitsche auf meinen Rücken niedersausen. Ich zuckte zusammen. Es empfahl sich zu schweigen.
„Antworte mir!“, befahl sie.
„Ja meine Herrin… Ich bin nicht mal gut genug, deine Heels sauberzulecken.“, sagte ich halb flüsternd und gepresst.
„Exakt. Und dein Selbstmitleid kannst du dir sonst wohin schieben, du erbärmlicher Köter. Hast du verstanden?!“, blaffte sie und unterstrich ihre Worte mit gezielten Schlägen, die sich brennend auf meinem Rücken ausbreiteten. Meine Kraft schwand dahin.
Ich schluckte. „Ich hab kein Selbstmitleid, meine Herrin.“
„Du wagst es, mir zu widersprechen?!“, herrschte sie mich an und traf vom Nacken hinunter diagonal über meinen Rücken. Worauf die empfindlichere Haut an meinem Hals sofort wieder zu bluten begann. Ich winselte.
„Nein meine Herrin, das… sollte kein Widerspruch sein.“, entgegnete ich mit gebrochener Stimme. Ich merkte, das mein Kopf langsam Richtung Boden sank. Sie hatte recht… immer, dachte ich müde.
„Widerspricht ein Hund seiner Herrin?!“
„Nein meine Herrin.“

Bei jeder meiner Antworten holte sie erneut aus, sodass der Schmerz nicht nachließ und mein Rücken sich nicht beruhigen konnte. Sie legte immer mehr Kraft in ihre Schläge. Meine Hände krallten sich in den Zaun.
„Du musst dringend deine Position erkennen.“
Der Schmerz raubte mir für drei weitere Schläge die Worte, so feste schlug sie zu.
„Ich weiß wo mein Platz ist, meine Herrin.“, flehte ich. „Warum tust du das? Hab ich eben was Falsches gesagt?“
„Deine frechen Antworten machen mich wütend.“, stellte sie fest und ließ ihren Zorn an mir aus. Hieß ihre Antwort, das ich mir gut denken konnte, warum? Das Leder fühlte sich an wie eine Metallschnur. Und es fühlte sich an, als würde sie nicht wieder aufhören.
Sie steigerte sich rein. Ich konnte schon nicht mehr zählen wie viele Schläge es waren. Der Schmerz verdrängte alles. Ich sah den Boden und sah zugleich nichts.
Da war ihre Stimme…

Ich war erschrocken, als sich meine dazugesellte und auf einmal Schreie aus meiner Kehle barsten. Verzweifelt versuchte ich, sie zurückzuhalten. Es klang wie ein verwundetes Tier.
Sie peitschte mich aus, immer weiter und schrie mich an. Adrenalin schoss durch meine Adern und versengte mich von oben bis unten. Es war wie ein Zauber, den sie webte, in dieser Umgebung und dieser besonderen Dimension.
Plötzlich waren meine Sinne wieder klar. Ich hörte das leise Rauschen des Windes in den Bäumen und ich hörte ihre Stimme, die mich tief im Innersten packte. Ich sah die Metallmaschen des Zauns gestochen scharf vor mir und das grüne Feld, das sich jenseits davon erstreckte, die trockenen Halme darauf. Ich roch die Wiese, und ich roch Sie, ihren Duft, sowie den Geruch nach Eisen von meinem Blut. Und ich fühlte den Schmerz über allem, der meine Sinne konturierte.
Sie hatte mich über eine weitere Grenze getrieben. Und hinter dieser lagerte neue Kraft, eine weitere Reserve, von der ich nichts gewusst hatte.

Dann war der Moment vorbei. Meine Sinne reduzierten sich wieder auf die Wahrnehmung meiner Schmerzrezeptoren.
Unvermittelt stand sie neben mir. „Und das war schon alles, mein Hund? Mehr hältst du nicht aus?“, fragte sie, trügerisch sanft.
Ich hing mehr am Zaun, als das ich da stand. Meine Arme zitterten. Teile meines Rückens waren taub. Der Rest tat höllisch weh. Ich kriegte keine Antwort raus. Meine Energie ging schon dabei drauf, nicht gequält zu winseln.
Sie streckte die Hand aus und fuhr mit einem Finger an meiner Halskette entlang. Ihr Fingernagel kratzte dabei über die offene Haut. Ich gab ein leisen Ton von mir.
„Schhhht.“, machte sie und strich mit ihren Fingern über meinen Rücken. So sachte es auch war, sie zog feurige Spuren über meine Haut. Sie zeigte mir ihre Hand, an der Blut war.
„Willst du es ablecken, mein Köter?“
Ich reckte mich danach.
„Na!“ Sie zog die Hand zurück. „Du musst schon darum betteln.“
„Bitte meine Herrin.“
Sie griff in meine Haare und riss meinen Kopf nach hinten.
„Denkst du ein einfaches Bitte reicht, du Hund?! Da musst du dir mehr Mühe geben.“
Was sollte ich denn sonst sagen? Es gab nur eine Möglichkeit das zu formulieren.
„Was soll ich sonst sagen, meine Herrin?“, fragte ich hilflos, worauf ihre Nägel sich fest in meine Haare krallten.
„Na wenn du das nicht weißt…“
„Bitte meine Herrin, darf ich deine Finger ablecken?“, flehte ich schmerzerfüllt, als sie fast welche ausriss.
„Ich bin noch zu nett zu dir.“, stellte sie fest, ließ meine Haare los und steckte mir ihre Hand in den Mund.
Meine Zunge fuhr an ihren Fingern entlang und wand sich um sie herum. Es schmeckte nach ihr und es schmeckte nach Blut. Gierig leckte ich alles ab.
Sie entzog mir ihre Hand. „Das reicht.“

„Und jetzt fahr mich nach Hause!“ Sie wandte sich ab.
„Ja meine Herrin… Darf ich mich umdrehen?“, fragte ich.
„Wenn du das für schlau hältst?!“
Ich konnte nicht deuten, was sie damit meinte. Langsam lösten sich meine verkrampften Hände vom Zaun. Ich drehte mich um, ließ die Arme sinken und hob dann vorsichtig den Kopf.
Es war keine gute Idee gewesen. Ihr Blick erstach mich. Ich kniete mich hin. Das war knapp, dachte ich.
Sie zwang mich am Halsband wieder hoch.
„Du willst mich doch nicht erneut verärgern, mein Hund?“, meinte sie fragend.
„Nein meine Herrin.“

Sie führte mich zurück zum schwarzen Mercedes, ich hielt ihr stumm die Autotür auf. Danach hob ich noch den Pullover vom Boden auf. Ich unterdrückte es vor Schmerzen zu fluchen.
Es war ein Kampf ums Durchhalten. Und ich würde noch viel mehr Kraft brauchen.


© D.M.


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Kommentare zu "Ein langer Tag, (VI) Inniges Vertrauen"

Re: Ein langer Tag, (VI) Inniges Vertrauen

Autor: DieEineHerrin   Datum: 25.03.2021 22:38 Uhr

Kommentar: Schrei für mich wenn ich es fordere und schweige für mich, wenn Ich es dir befehle.

Deine Herrin

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