Das Tageslicht flutete durch die großen Fenstertüren im Wintergarten, welche zur Terrasse führten. Die Sonne schien warm auf die Fliesen, auf denen ich lag. Verschwommene grüne Tupfen bewegten sich draußen im leichten Wind. Ich versuchte meine Sicht scharf zu stellen, um sie klar zu sehen. Es würde ein ziemlich heißer Tag werden.
Im Haus war es noch kühl. Meine Herrin saß auf dem anthrazitfarbenen Sofa mit hellen Kissen, die Beine übereinander geschlagen. Ich befand mich unterhalb von ihr, neben dem Teppich, aber mir kam der Boden weich vor. Ich genoss ihre Nähe, dort bei ihren Füßen liegen zu dürfen. Ruhe erfüllte den Raum.
Ein heiterer Sommertag hatte begonnen. Es war hell und warm draußen, vielleicht zu hell für meine Augen. Ich blinzelte, dezent verschlafen. Wenn der Tag so werden würde, wie die vergangene Nacht war ich ein glücklicher Hund. Mitten in der Nacht gerufen werden, war etwas besonderes, ein recht seltenes Privileg und es war dezent traumhaft gewesen, surreal, wie ich durch den schwarzen Mantel der Nacht huschte, zu ihr.

„Bist du heute ein schwacher Hund, der nur an meinen Füßen liegen will?“, erkundigte sie sich.
Aber es war so schön dort. Sie zog meine Leine sanft aber bestimmend an, bis die Kette eng um meinen Hals lag. Wie zur Erinnerung.
„Nein meine Herrin…“
Ich sah zu ihr hoch. Als ob ich das jemals vergessen könnte. Ich bin ein Hund… deiner. Sie trug ein eng geschnittenes weißes Top, mit schmalen flachen Trägern. Oberhalb des V-Ausschnitts sah man die sanften Rundungen ihrer Brüste, geradeso, das man erahnen konnte, was sich darunter verbarg und mein Blick, wie ich zugeben muss, ab und an dorthin huschte. Ein kurzer, glatter Faltenrock, tiefschwarz wie Tinte, der in scharfen Kanten auf ihre Oberschenkel stieß, ergänzte das Outfit. Sie trug keine Schuhe, noch nicht. Ich sah auf ihre kleinen, weich geformten Füße und sinnierte wieder, wie viel sie damit einfach überschritt, wie viel Kraft sie haben mussten, um mit ihnen in Heels zu laufen und wie hart sie damit zutreten konnte. Der Morgen war ruhig und ziemlich friedlich gewesen. Womöglich -
Mein Blick war offenbar ein wenig zu sehr Dackel gewesen, denn sie stellte ihren Fuß auf meinen Kopf und drückte ihn fest zu Boden. Dabei bekam ich ihre Zehen ins Gesicht. Ich verkniff mir, meine Zunge danach auszustrecken. Sie waren so erstaunlich klein.
Der Druck aber löste einen stechenden Schmerz in meinem Kopf aus, der jede schnelle und zugleich zufriedenstellende Antwortmöglichkeit verhinderte und auch alle Gedanken an niedliche Füße vertrieb.
„Gut. Wenn das alles ist… gehe ich mich jetzt fertig machen.“, meinte sie mit mal, stand auf, versetzte meinem Kopf noch einen Schubs und ging Richtung Tür.
Sofort stützte ich mich hoch und kniete, auf meinen Beinen sitzend. Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. Ich folgte ihr auf allen Vieren in den Flur.
Die lange Metallkette an meinem Hundehalsband schliff hinter mir her über den Fußboden. Ich wünschte, sie hätte sie genommen und mich daran in den Flur gezerrt. Meine Herrin warf mir einen strengen Blick zu „Du bleibst unten!“ und ging hoch.

Ich kniete wie ein Hund unten im Flur neben der Treppe und betrachtete die Steinstufen, während sie sich oben zurechtmachte.
Die Leine hing von meiner Halskette herunter, über den Kapuzenpullover vor mir auf den Boden, wo noch ein guter halber Meter davon rumlag. Es waren massive große Kettenglieder, wie unzerstörbar. Silber vor schwarz.
Ich wartete. Es war still im Flur, bis auf das leise Schaben eines Uhrzeigers. Die Luft duftete sauber und nach unlackiertem neuen Holz.
Sie stand vor dem Spiegel und fuhr sich mit einer breiten Bürste durch das offene Haar. Ich sah zu, wie sie ein Haargummi hinein wand und es zu einem strengen Pferdeschwanz zusammenband. Die Bewegungen ihrer Finger waren dabei fließend und geübt. Mit den selben Händen konnte sie hart zuschlagen, wenn sie wollte. Ihre Arme schimmerten kontrastreich im Licht, das durchs Fenster durch die waagerechten Lamellen fiel. Sie duftete nach Mandelcreme. Dann sah sie unter ihren Wimpern hindurch in den Spiegel. Ihre Augen waren geheimnisvoll grün, die Brauen darüber schmal und geschwungen.
„Na, ausgeschlafen?!“
Ich zuckte zusammen. Meine Herrin stand oben auf der Treppe. Wie konnte das nur immer passieren? Sie hatte mich erwischt, und amüsierte sich eben über meine erschrockene Reaktion. Ich wollte weder ihre Stimmung, noch den Tag vermiesen. Nicht, das es etwas bringen würde den Kopf einzuziehen. Die Kurve bekam ich noch, aber als ich wieder aufsah, machte das auf einmal kein Unterschied mehr. Es war unmöglich die Zähne auseinander zu bekommen.
„Erst bist du geistig weggetreten, anstatt auf mich zu warten und jetzt starrst du mich nur blöd an?!“
Sie klang etwas enttäuscht, und schwebte die Treppe hinunter. Mittlerweile trug sie schwarze Heels mit roten Akzenten. Ihr Haar lag weißblond und glatt auf ihrem Rücken. Mein Blick war über ihren Körper gewandert und blieb nun an ihren Lippen hängen. Ich kriegte kein Ton raus und guckte vermutlich auch nicht allzu intelligent. Meine Herrin baute sich vor mir auf. Sie lächelte nicht. Sie starrte mich nieder. Ein elektrisierender Schauer jagte mein Rücken hinunter. Ein Blick von ihr reichte aus und ich würde flach am Boden liegen.
„So war es nicht, meine Herrin.“, erwiderte ich etwas verspätet.
„Was war denn so spannend?!“ Sie verschränkte die Arme. Die Spannung war fast greifbar, aber dennoch…
„Du, meine Herrin.“, antwortete ich schlicht.
„Willst du etwa frech werden?!“
Ein Fehler im Nachhinein zu bemerken, war nicht mehr effektiv für die Gegenwart. Ihre Beine traten in mein Blickfeld. Sie stellte einen Heel auf die Kette.
„Nein meine Herrin. Es… ist nur die Wahrheit.“
„Ich weiß.“ Ich hatte gedacht, sie würde schimpfen. Das sie nun so wissend lächelte, verwirrte mich.

„Ich bin wach, meine Herrin.“, fügte ich nach einem Zögern hinzu.
„Na wenn das so ist… hast du sicher genügend Kraft, den ganzen Tag meine Forderungen brav zu erfüllen, mein Hund?“, bemerkte sie leicht ironisch.
„Ja meine Herrin.“
So wie sie mich ansah, wusste sie längst, das ich noch müde war. Aber trotzdem bedeutete das nicht, das ich nicht wach war, oder es nicht konnte.
„Oh tatsächlich?!“
Mit einer schnellen Bewegung beugte sie sich ein wenig runter, griff direkt unterhalb der Halskette nach meiner Leine, dort wo sie mit dem Karabiner befestigt war und zog mich daran ruckartig zu sich. Mein Atem stockte zwei Sekunden. Geflasht und dezent hilflos sah ich von ihrer Hand zu ihrem Gesicht und bekam eine Gänsehaut, so intensiv war es. Sie schien in der Lage zu sein, mich zu lähmen. Es war seltsam, einerseits stark zu sein und zugleich so schwach.
Sie sah mir ernst in die Augen. Schon hinter ihrem scharfen Tonfall war mehr gewesen. Aber ich hatte keine Ahnung was es war. Sie ließ die Kette durch ihre Finger gleiten, bis sie das Ende in der Hand hatte. Was konnte ich Passendes antworten?
„Ich kann diesbezüglich wieder eine Grenze überschreiten meine Herrin.“
„Ach ja? Du hast ja heute eine ganz große Klappe, du Hund!“
Sie zog kurz bestimmend an der Kette und warf mir ein Blick zu, der es in sich hatte. Mal sehen, ob du das beweisen kannst.
Es war schwer sie zu überzeugen. Ich kämpfe auch, wenn es aussichtslos scheint, war mein Ausdruck.
Sie wandte sich ab und ging zur Garderobe, wobei sie meine Leine weiter festhielt. Scheinbar beschäftigt, suchte sie eine dünne schwarze Jacke heraus. Der Stoff raschelte leicht zwischen den anderen Mänteln und Jacken. Im Flur war es etwas dunkler, wenn die Deckenlampen nicht eingeschaltet waren. Unerwartet zerrte sie mit einem kräftigen Ruck an der Leine, sodass ich vornüber vor ihre Füße fiel und unliebsame Bekanntschaft mit dem Boden machte. Überrumpelt und verwirrt schaute ich zu ihr hoch.
„Ich sehe, wie wach du bist.“, stellte sie amüsiert fest. Doch der darauffolgende Blick von oben herab war kein bisschen amüsiert. Sich so klein vor ihr zu fühlen war heftig. Langsam stützte ich mich hoch. Ich erwog noch wie ernst es war, da riss sie erneut an meiner Leine, sodass ich zurück auf den Boden klatschte. Es tat nicht weh, aber die Erniedrigung pulsierte mir den Nacken herunter. Das saß.
„Vergiss niemals wo du hingehörst, du Köter!“
„Ja meine Herrin.“, antwortete ich zaghaft.

Dezent geplättet, rappelte ich mich schließlich auf und half ihr in die Jacke. Ich setzte, recht spät, zu einer umfangreichen Entschuldigung an, doch sie brachte mich zum Schweigen, indem sie mein Halsband eng zuzog und meine Worte erstickte.
An der Haustür bedeutete sie mir vorzugehen, was ich schon als ungewöhnlich hätte erkennen können. Ich hielt ihr die Tür auf - Ohne Vorwarnung versetzte sie mir einen gepfefferten Tritt in die Kniekehle, der mich einknicken ließ und vor den Hauseingang auf die Steine beförderte. Die Kette schnitt mir dabei erneut in die Haut. Ein überraschter Schmerzenslaut entwischte mir. Verdattert stützte ich mich hoch, da stellte sie ihren Fuß zwischen meine Schulterblätter und drückte zu, bis ich flach auf dem Bauch lag. Ihr Schuhabsatz stach mir in den Rücken. Warum tat sie das? Was war heute nur los, das ich es ihr nicht Recht machen konnte?
„Was hab ich falsch gemacht meine Herrin?“, fragte ich zweifelnd.
„Brauche ich etwa ein Grund dafür?!“
„…nein, meine Herrin.“
„Gut, das du das verstanden hast. Jetzt beeil dich gefälligst!“
Immer noch verwirrt stand ich auf, mir den Dreck von der Hose klopfend. Unter ihrem stechenden Blick hielt ich mitten in der Bewegung inne.
„Habe ich dir etwa erlaubt, dich sauber zu machen?!“
Immer verunsicherter antwortete ich: „Nein meine Herrin.“
„Dann lass es!“, blaffte sie.

Wir gingen zum Tor, wo der schwarze, dezent fette Wagen stand. Es war die Sorte Auto, welcher man freiwillig Platz machte. Ich hielt den Kopf gesenkt und versuchte in den Steinen am Boden ein Muster zu erkennen. Hin und wieder sprangen mir halbe Gesichter in die Augen.
Die Schatten lagen noch lang über dem Platz. Noch hatte sich die Luft nicht aufgeheizt. Ich hielt ihr die Beifahrertür auf. Dann stieg ich selber ein. Kaum das ich saß, schnappte sie sich wieder meine Leine. Die großen Kettenglieder lagen in ihren Händen, welche auf ihrem Schoß lagen.
Mein Blick lag auf ihrem Profil. Ihre Züge waren sanft, wie im Kontrast zu ihrem Tonfall. Was konnte sie nur vorhaben, fragte ich mich wieder.
„Wirds bald?!“
„Ja meine Herrin.“ Hastig beugte ich mich zu ihr hinüber, legte den Gurt ein und zog ihn behutsam um sie, wobei ich mir ihres Blickes sehr bewusst war.
„Der Dreck steht dir.“, stellte sie grinsend fest, als ich wieder gerade saß.
Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich auf meine Hosenbeine und nickte zustimmend. Womöglich war es besser erst mal die Fresse zu halten. Ich startete den Motor, legte den Rückwärtsgang ein und drehte in der Einfahrt. Steine knirschten unter den Reifen.


© D.M.


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