Der seltsame Traum

© Alf Glocker

Ich gehe im Traum spazieren – es ist tiefe Nacht (gefühlte 1000km tief)! Um mich wackeln die Eindrücke wie verpatzte Fotoaufnahmen: nichts wird deutlich, nichts lässt sich zweifelsfrei erklären! Mutig setze ich dennoch einen Fuß vor den anderen, und – ich lausche den Stimmen… Denn von überall her erreichen mich Befehle, Empfehlungen, Ratschläge. Der Pfau mich umgebender Eindrücke schlägt ein Rad nach dem anderen.

Die Szene ist, trotz den unguten Lichtverhältnissen, sagenhaftun bunt und bei dem was ich sehe bin ich froh, daß es sich nur um einen Traum handelt…allerdings weiß ich inzwischen, daß es nur ein Alptraum sein kann. Vor meinen Augen skandieren eine Menge Idioten: „Tod allen die nicht an Gott glauben“. Ihnen steht eine andere Menge gegenüber, die schreien: „Wir lieben euch, wir lieben euch, wir…usw.“ Obwohl die Aussagen sehr verschieden sind wollen anscheinend beide Gruppen das Gleiche: Menschen sollen gefälligst aussterben!

Inzwischen ist ein dunkelrot gefärbter Mond aufgegangen. Er steht ganz dicht über der Schlucht, durch die ich wandere. Von seiner Oberfläche tropft Blut auf die Erde. Oder kommt es aus den Raumstationen zwischen Erde und Mond, die wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind. Sie transportieren wohl wichtige Waren zur Stadt auf dem Mond?

Die Stadt auf dem Mond gibt es noch gar nicht, denke ich, aber meine Phantasie lässt mich in eine Zukunft sehen, die niemals stattfinden wird. Die Zivilisation (wie immer sie auch aussehen einmal aussehen könnte) braucht Wege in den Raum, um von Kontinuum zu Kontinuum zu hüpfen, denn die Erde wird sie nicht ewig tragen und ernähren wollen – irgendwann sind alle Ressourcen aufgebraucht und der Boden soweit vergiftet, daß niemand mehr etwas darin anbauen möchte. Es bräuchte da schon eine Expansion der Vernunft!

Stattdessen findet das Chaos immer mehr Gelegenheiten sich darzustellen. Gruppen, die sich in ihrer puren Fortpflanzungswut verrannt haben, oder im Glauben an ein Phantom die Rettung der Menschheit erblicken, werden stärker und stärker…und die Völkergemeinschaft protegiert sie auch noch, während innovative Spezies beschimpft und zurückgedrängt werden. Jene, welche ebenfalls versuchten die Erde zu beherrschen, es aber Gott sei Dank, nicht geschafft haben, werfen ihnen vor die Weltherrschaft anzustreben.

Nun tanzen sie auf den Straßen der Welt und sie suchen sich jede Nacht, jeden Tag, jeden Morgen und jeden Abend, ihre Opfer unter den Erfinderischen aus und bringen um was nur irgend geht. Noch größere Idioten als sie selbst schon sind, haben ihnen eingetrichtert, daß man restlos ALLES erlernen kann. Alles sei technisch machbar, flöten sie dämlich in die Nacht hinein und sie übergehen dabei bewusst, daß man Kreativität eben NICHT erlernen kann! Dafür kann es kein Schulfach geben – für Dekadenz dagegen ohne Weiteres.

Daneben gibt es Pseudo-Wissenschaftler, die eine verrückte, widernatürliche Lehre von der Gleichheit aller Individuen verbreiten. 99,99% des Erbguts der Menschen sei gleich, behaupten sie…womit sie wahrscheinlich recht haben. Aber wenn man bedenkt, daß unsere Genmasse mit der der Schimpansen immer noch zu fast 99% übereinstimmt, dann fällt einem doch auf, daß 99,99% sehr viel weniger als eine totale Übereinstimmung sind!

„Lügen!“ Irgendwer hat „Lügen“ gerufen! War ich das? Zwischen den Wänden meiner Lebens-Schlucht hallt dieses Unwort leider grauenhaft wider…und sofort werden die Massen auf mich aufmerksam! Plötzlich werde ich, meiner Überlegungen wegen, beschimpft, zurechtgewiesen, beleidigt. Anscheinend wissen alle, außer mir, die Er-Lösung auf alles. Ich fange an zu laufen. Ich renne weg, aber die Wahrheit ist mir auf den Fersen wie ein Dämon!

Ich kann nicht mehr entkommen, das wird mir klar…irgendwann werden sie mich kriegen! Mein Strick ist gedreht und das Glaubenstribunal (der „Praktiker“) gegen mich ist längst verpflichtet worden. Das Urteil steht fest: Ausgrenzung und Deportation ins Niemandsland, mit anschließendem Vergessenwerden! Das Ende aller Zeiten steht kurz bevor – nichts und niemand kann es aufhalten, denn der Wahnsinn ist die stärkste Macht auf Erden!

Als ich das begriffen habe erwache ich aus meinem Alptraum und stelle fest: daß ich gar nicht geträumt habe. Vor mir prunkt aber endlich meine Haustüre. Ich gehe hinein und setze mich an den Tisch. Noch gibt es Essen, noch dringt der Überwachungsapparat wenigstens nicht personifiziert und uniformiert in mein Haus ein. Noch kann ich einkaufen was ich zum Überleben brauche…aber ich höre wie es draußen rumort und ich rieche den Braten viele Meilen gegen den Wind, der uns alle sehr bald verweht haben wird!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der seltsame Traum"

Re: Der seltsame Traum

Autor: Bluepen   Datum: 28.02.2021 9:05 Uhr

Kommentar: Ja genauso könnte man einen Alptraum beschreiben, lieber Alf!

LG - Bluepen

Re: Der seltsame Traum

Autor: Alf Glocker   Datum: 28.02.2021 9:06 Uhr

Kommentar: Dank Dir, liebe Bluepen!

LG Alf

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