Rund zwei Erdenmonate später startete VR-00-00-69 mit eine Flotte von 50 Schiffen Richtung Erde, von seinem Heimatplaneten aus. Eine Menge Personal begleitete ihn, ca. 2000 Götter, und er hatte einige „Apparate“ im Gepäck. Mehrere große Simulatoren befanden sich im Bauch der Transportschiffe. Dabei handelte es sich um große hohle Würfel in die bis zu 100 Personen hineinpassten, denen eine andere Welt vorgeführt werden sollte. VR-00-00-69s erstes Anliegen bestand in der Verwirklichung eines umfassenden Bildungsplanes, der einer sehr großen Menschengruppe zugutekommen sollte, die sich einerseits bereits im Bereich „Zivilisation“ und „Kultur“ befand und andererseits noch in den Kinderschuhen „Wilde Tiere“ steckte: sie opferten Artgenossen haufenweise zum Spaß und nicht selten wurde auch einer von ihnen gegessen!

Wie das zusammenpasste hielt sich außerhalb des geistigen Fassungsvermögens eines Gottes auf, sollte nun jedoch entweder geklärt oder auf ewig bereinigt werden. Der Planungsgruppe „Erde“ war das Projekt natürlich vorher unterbreitet worden und den Schicksalsgenerator hatte man auch befragt. Doch der hatte nur seltsame Laute ausgestoßen, sich aber einer endgültigen Beurteilung enthalten. Er deutet nur an, daß nichts gegen diesen Versuch einzuwenden sei. Die Mitglieder der Planungsgruppe, die eigentlich nur ausführendes Organ des Generators war hatten zunächst die Köpfe geschüttelt, dann aber zugegeben, daß es sich bei VR-00-00-69s Plan wohl um einen edlen handeln müsse und gerade deshalb schon nicht verworfen werden dürfe. Ein paar aus der Gruppe kamen sogar mit – nach Peru, in die Gegend von Nazca.

Die Menschenwesen der großen Städte dort staunten nicht schlecht, als sich in einer lauen Nacht plötzlich viele Sterne aus der Milchstraße zu lösen schienen. Die unbekannten Flugobjekte kamen schnell näher, verfärbten sich rot, wurden teilweise sehr groß und landeten schließlich auf geeigneten Plätzen mitten in von Menschenwesen besiedeltem Gebiet! Die silbern glänzenden Gestalten, die aus ihnen, wie durch ein Wunder hervorkamen, ohne daß jemand eine Türe gesehen hätte, beeindruckten die Erdenbewohner sehr und sie gingen furchtsam und ehrerbietig auf die Knie, vor den durchweg nahe 2 Meter großen Superwesen, die sie – nicht ganz zu Unrecht – für Götter hielten. Niemand machte Anstalten einen Pfeil abzuschießen, oder eines der besonders scharfen Steinschwerter mit aneinandergereihten Obsidian-Klingen zu erheben. Sinnlos wäre es ohnehin gewesen, denn es waren Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden.

Einige der Götter hatten allein die Aufgabe erhalten die Gehirne der Menschenwesen nach aggressiven Gedanken zu durchsuchen, einige andere legten mit ihrer Gedankenkraft einen geistigen Schutzschild zwischen die womöglich gefährlichen Antriebe von wilden Kriegern und den eher fragil wirkenden Körpern der Götter-Astronauten. Aber zum besseren Verständnis der Situation zauberten die in den Schiffen verbliebenen Besatzungsmitglieder Tierbilder aus Lichtstreifen in den weiten Himmel über die Hügel vor der Stadt. Die Erdlinge sollten glauben eine ganze Schar Himmelswesen habe sich aus höheren Gefilden gelöst und sei nun herabgestiegen, um den Bewohnern des Landes ihre Aufwartung zu machen. Das war sowohl erschreckend, wie auch erhebend und es verfehlte seine Wirkung nicht – denn endlich wurden die Stadtoberhäupter herbeigeholt. Sie näherten sich unterwürfig…

Die Voraussetzungen für eine fruchtbare Zusammenarbeit schienen gegeben! Die Götter gingen ans Werk! Sie schafften ihre „Geräte“ herbei und luden alle ein, die es sich zutrauten zu lernen, sie in die Simulationswürfel zu begleiten, wo sie einerseits in der Kunst der Mathematik unterwiesen werden und andererseits den erstaunlichen Werdegang einer gottgleichen Spezies nachverfolgen konnten (die sich damit allerdings auch selbst wieder unnötigerweise, etwas naiv vielleicht sogar, entzauberte). Ihm Lehrfach Astronomie ließen die Götter in einer riesigen Projektion die letzten 20 000 Jahre – was Sternbewegungen angeht – ablaufen. Dann erfolgte eine Simulation über 500 Jahre in der Zukunft. Die Erdlinge staunten nicht schlecht, wurden jedoch zusehends devoter, obwohl ihnen sogar gezeigt wurde, wie die Götter aus vierbeinigen Ameisen entstanden. Sie brachten die besten Speisen herbei die in ihrem Reich aufzutreiben waren, womit sie den großartigen Himmelsgeschöpfen klarmachen wollten, daß sie freundlich und diensteifrig seien. Die Götter nahem dankend an, aßen aber nichts.

Natürlich versuchten die Götter eine Basis herzustellen die nicht auf der reinen Verehrung ihrer selbst, sondern mehr auf der Wissbegier ihrer Schüler basieren solle. Doch langsam begannen sie daran zu zweifeln ob das auch in den wenigen Wochen die sie zu bleiben gedachten, zu bewerkstelligen sei. Doch einige Umstände machten ihnen auch wieder Mut. Die Erdlinge hatten begonnen die Zahlenspiele der Götter in Schnüren und Knoten auszudrücken. Sie begriffen sogar was es mit der Zahl 0 (Null) auf sich hatte. Auch kam, während des Götterbesuches kein einziges Menschenwesen zu Schaden. Niemand wurde geopfert, gepeinigt, hingerichtet oder vergewaltigt. Als die Götter die Erdlinge auch noch einluden ihre Schiffe zu besuchen schien ein Wunder zu geschehen: Sie betrachteten aufmerksam das Gezeigte und schienen endlich zu verstehen worum es ging!

Die Götter waren auch nur, wie sie, ihre Fans, Geschöpfe des Universums: Ausgestattet mit Sinnen, die alles Materielle erfassen und verarbeiten konnten. Und sie konnten eventuell einmal wunderbare Verbündete werden… Die Götter lächelten sich freundlich zu, als sie diese Gedanken entstehen sahen. Sie fühlten sich – besonders natürlich der Expeditionsleiter VR-00-00-69, aus der Götterstadt D4X11-222 – in ihrem hingebungsvollen Tun bestätigt. Nun konnten sie ihre Abreise in Erwägung ziehen. Zurück ließen sie Schulen und Informationen über Himmel und Erde, über Sein und Nichtsein, sowie die Grundlagen einer Moral, die für alle Zeiten wegweisend sein sollte. Dann erhoben sie sich in ihren glänzenden Schiffen und stiegen in den Himmel auf – doch sie verschwanden nicht ganz! Ihr Proviant und ihre Energiereserven reichten für einen längeren Aufenthalt im Orbit aus.

So manche Nacht flogen sie noch Formation über den Hügeln und den Städten und blinkten kurz auf, damit sich die Menschenwesen nicht alleingelassen, aber auch ermahnt fühlen sollten. So, dachten die Götter, werden sie leichter behalten können was wir ihnen beigebracht haben. Dann hüllten sie sich ein halbes Jahr lang in Schweigen! Aber sie schwiegen nicht nur – sie beobachteten auch! Und was sie sahen ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. Sie waren kaum ein paar Wochen weggewesen, da brachen die natürliche gewachsenen Veranlagungen der Erdbewohner wieder voll durch. Zwar behielten sie offenbar ihre mathematischen Kenntnisse, aber ihre alten Gewohnheiten kamen zurück! Was ihre Einblicke in die Astronomie betraf erinnerten sie sich noch ganz gut an die Zukunft, doch den anerkannten Idolen mussten jetzt trotzdem wieder Menschenopfer gebracht werden…

Entnervt zogen die Götter ab! Die Schamanen, unten auf der Erde fühlten den schrecklichen Verlust und riefen deshalb die Gesellschaften der Stadtbewohner auf Zeichen zu setzen. Zeichen im wahrsten Sinne des Wortes: Hinweise sollten in die Landschaft graviert werden, die den Göttern sagen sollten „Wir denken an euch – hier könnt ihr landen…kommt bitte zurück!“ Sie fertigten mit großem Geschick lange gerade Linien in der Landschaft an, die gespickt waren mit vielen anderen Verzierungen. Viele Kreise stellten dar was die gelehrigen Schüler in den Raumstationen gesehen hatten: Koordinatensysteme in leuchtenden Linien, immer, wenn sich ein Raumschiff näherte. Des Weiteren bildeten sie jene Tiere ab, die von den Göttern einst in den Himmel gezeichnet wurden, eine Hauskatze (die es in ihrem Bereich gar nicht gab) und schließlich auch noch eine vierbeinige Ameise aus dem Geschichtsunterricht der Götter. Daneben das etwas verzerrte Portrait eines Außerirdischen.

Doch die Götter kamen nie wieder zurück! Stattdessen meldete sich der Schicksalsgenerator bei VR-00-00-69. „Habt ihr jetzt genug gesehen und vielleicht selbst etwas gelernt?!“ meinte er ironisch. „Es musste versucht werden“, antwortete der Vordenker und der Schicksalsgenerator stimmte ihm unumwunden zu. „Ich verstehe, doch nun solltet ihr euch auf meine speziell auf die Menschenwesen der einzelnen, auf dem Planeten Erde vorkommenden, Arten verlassen. Sie sind alle voneinander grundverschieden und jedes ihrer Völker braucht seine ganz besondere Behandlung. Ich weiß, es werden die Fetzen fliegen und es wird auch nicht schön aussehen, aber anders als auf diese furchtbare Weise, mit dieser Spezialbehandlungen werden wir kein befriedigendes Endergebnis erzielen. Und wenn ihr sie sich selbst überlasst, dann werden die Dümmsten siegen und alles was nach Vernunft riecht ausrotten. Das wird so sein und es wird ihnen als Ganzes auch eines Tages den Tod bringen – wir aber werden bekommen was man uns aufgetragen hat!


© Alf Glocker


1 Lesern gefällt dieser Text.


Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -19- Felszeichnungen"

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -19- Felszeichnungen

Autor: Bluepen   Datum: 22.10.2020 10:00 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,

köstlich deine Geschichte mit VR-00-00-69 und der Reisegesellschaft, die die Landschaft gravieren sollten.

LG - Bluepen

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -19- Felszeichnungen

Autor: Alf Glocker   Datum: 22.10.2020 11:04 Uhr

Kommentar: danke dir liebe bluepen

lg alf

Kommentar schreiben zu "Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -19- Felszeichnungen"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.