Die Planeten der Götter und deren Städte erlebten auf einmal, wie sich Phantasie und ein ganz neuer Erfindergeist im Universum auszubreiten begannen: Die verschiedensten Exemplare der künstlich erzeugten Erde, Affenmenschen und Menschenwesen aller Art, traten aus dem Dunkel einer neuen Geschichte, in das Zwielicht der Evolution, die hier rücksichtsloser und heftiger zu Werke ging als sonst irgendwo im Universum. Die Götter hatten einiges zu bestaunen! Verglichen mit ihrem eigenen Werdegang erschien diese kuriose Schöpfung extrem und verblüffend. Wie sollte man damit umgehen? Konnten vielfältige Tests und akribische Untersuchungen Aufschlüsse über die „Nützlichkeit“ künstlich entstandener Lebensformen bringen?

Ebenso verblüffend wie erschreckend waren allerdings auch die behutsam herbeigeschleppten und in von außen einsehbaren Holodecks ausgestellten, „Laborratten“. Sie lebten quasi wie in Käfigen, wo sie von den Göttern aus allen ihren besiedelten Regionen bestaunt werden konnten. Sie selbst merkten natürlich nichts davon – man gaukelte ihnen eine Scheinrealität vor, in der sie sich benehmen konnten wie sie wollten, oder besser gesagt „ihrer Veranlagung nach mussten“. Die wissenschaftlichen Teams setzten sie den abenteuerlichsten Prüfungen aus und schafften sie dann wieder zurück in ihre Welt, wo sie sich ihrer Art gemäß, weiter ausleben und auch artgerecht umkommen konnten. Ein Leben, wie es die Götter führten würden sie ja nicht begreifen können.

Der Imaginationsgenerator entwarf ganze Lebenswelten für die „Gäste“, in denen sie glauben konnten tatsächlich in einer realen Umgebung zu existieren. Dabei befanden sie sich nur in einer Art Zoo und alle ihre Handlungen konnten von den herbeiströmenden Göttern beobachtet und ausgewertet werden. Manche blieben ihre ganze diesseitige Zeit auf dem Holodeck gefangen, wo sie die abenteuerlichsten Situationen durchmachten. Sie glaubten riesige Raubtiere auf sich zukommen zu sehen, die sie, zusammen mit anderen – ebenfalls nur virtuell vorkommenden Stammesmitgliedern – bekämpfen konnten. Manchmal traten auch atemberaubende Frauen (wenn es sich um Gro-Magnon-Menschenwesen handelte) in ihr Gesichtsfeld und die Männer bekamen DIE Gelegenheit ihres Lebens, so ein „Wunder“ zu befruchten. Gro Magnon-Frauen beobachtete man bei der Geburt, nachdem sie künstlich befruchtet worden waren. Die wissenschaftlichen Ergebnisse daraus waren jedoch selbst für Götter unglaublich.

Ebenso unglaublich für die Götter waren allerdings auch die Testergebnisse der extrahierten Gehirne… Angeschlagenen Individuen aller bisher existierenden 10 verschiedenen Vormenschen und Menschenwesen-Rassen wurden Gehirne entnommen – wenn sie z.B. durch ein Raubtier oder mörderische Verwandte, so gut wie ums Leben gekommen waren – und an ein lebenserhaltendes System sowie an einen Traumrealisator angeschlossen wurden. Das heißt, diese höheren Säugetiere glaubten, noch komplett am Leben zu sein, da sie alle ihre Sinne benutzen konnten. Das Benutzen der Sinne spielte sich jedoch sozusagen „im Traum“ ab. Sie gingen Traumpfade und verwirklichten dabei oft auch ihre sehnsüchtigsten Wünsche. Doch auch diese wurden für die Götter sichtbar gemacht…und sie, die Götter, waren sehr oft zutiefst enttäuscht. Und wäre da nicht wieder einmal der Vordenker 1, VR-00-00-69, gewesen, sie waren in der besten Stimmung, dieses furchtbare Geschmeiß der Erde für immer zu vernichten.

Schließlich waren, bei der Traumverwirklichung die schrecklichsten Einzelheiten zum Vorschein gekommen, die ansonsten eher unter dem Mantel des fortwährenden Überlebenskampfes verborgen geblieben wären. Eins dieser „freilaufenden Hirne“ wünschte sich da, einen Artgenossen bei lebendigem Leibe aufzufressen (ein, zu allen Zeiten immer wieder auftretendes Phänomen bei vor allem männlichen Exemplaren der höheren Primaten). Ein anderes, weibliches, Gehirn träumte davon, einem Mann das Glied abzuschneiden, ein Mann wiederum fand es höchst befriedigend eine Frau während des Geschlechtsverkehrs zu erwürgen. Vordenker 1 = VR-00-00-69 verwahrte sich indessen vehement gegen alle Zerstörungspläne, geäußert durch Vorschläge wie „Wir sollten jetzt schleunigst die Reißleine ziehen!“ Er blieb unbeeindruckt von den abartigen Vorstellungen seiner Schützlinge. „Wir mussten damit rechnen, daß sie nicht nur einen ganz anderen Werdegang als wir haben werden und demnach natürlich, sowohl eine andere Breite Masse bilden, als wir das getan haben. Ebenso werden sie natürlich auch ganz andere Ausnahmen hervorbringen“. Zum Glück mischte sich das Team um 77-OLKTG, die Planungskommission für Erdenfragen in den Disput ein. „Lasst sie am Leben!“ skandierten die Mitglieder der Kommission – und so ging auch dieser Kelch an der frühen Menschheit vorüber.

Die angeschlossenen Hirne wurden nach Ablauf der damals normalen Daseinsfrist eines Menschenwesens (etwa 30 Jahre) abgeschaltet, und den Gästen in den Holodecks ermöglichte man nach etwa der gleichen Zeit ein würdiges Ausscheiden aus dem Seinszyklus. Sie bemerkten in den allermeisten Fällen nichts von der Realität…obwohl wiederum ein paar Gro-Magnons schon ins Zweifeln darüber kamen, ob das, was sie grade erlebten, wirklich auch wahr sein konnte. Alles wurde von den göttlichen Teams fein säuberlich dokumentiert und in der Archivstadt der Götter, einem gewaltigen Speichergebäude, aufbewahrt. Sie wurde ab dem Zeitpunkt der Aufbewahrung irdischer Erinnerungen nur noch „Der Turm der Alpträume“ genannt.

Dort hatten in der „Abteilung für fremde Angelegenheiten“ Götterkinder und Jugendliche plötzlich keinen Eintritt mehr – es musste angesichts der schrecklichen Aufzeichnungen, mit schweren Folgeschäden gerechnet werden! Ein Erkennungssystem wies alle Besucher unter 30 ab. Das hatte es im „Galaktischen Verbund ausgereifter Zivilisationen“ noch nie gegeben. Proteste blieben jedoch aus, denn, sollte sich einmal ein Abgesandter einer Stadt darüber empört haben, daß man den Heranwachsenden wichtige Informationen vorenthalte, musste man ihn nur in die Projektions-Arenen führen und er wollte nichts weiter wissen. Zusammenbrüche wie auch wochenlange Depressionen waren praktisch an der Tagesordnung. Das sprach sich schnell herum, und bald überließ man den extra vom intergalaktischen Rat beauftragten Göttern das weite Feld kaum zu bewältigender Aufgaben, die den weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte betrafen.

Was oblag den weisen und treusorgenden Göttern noch? Wie viele furchtbare Geschehnisse würden sie noch miterleben und wohlwollend einschätzen müssen und wie würden sie sich im Einzelnen entscheiden? Welche von all den grausamen Lebensformen würden weiterhin überdauern dürfen, wie sollte man sie in das allgemeine Schicksal einbinden können und was würde notwendig sein, damit eines wahrhaft fernen Tages ein abgerundetes Etwas entstünde, das sich selbst, seine Umwelt und alle Ereignisse wenigsten halbwegs richtig begreift? Bislang deutet nichts, aber auch gar nichts, auf eine vertretbare Lösung hin – dabei stand den Menschenwesen und ihren Begleitern erst noch das Wichtigste bevor: Der schmerzhafte Weg durch eine Entwicklung, die man bestenfalls als unzumutbar „für intelligente Angehörige einer echten Zivilisation“ bezeichnen konnte.


© Alf Glocker


3 Lesern gefällt dieser Text.


Unregistrierter Besucher

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -12- Experimentierfreude zahlt sich aus"

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -12- Experimentierfreude zahlt sich aus

Autor: Sonja Soller   Datum: 18.09.2020 10:57 Uhr

Kommentar: Deine Fantasie kennt keine Grenzen!!!

Herzliche Grüße aus dem fantasiebeschränkten Norden, Sonja

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -12- Experimentierfreude zahlt sich aus

Autor: Alf Glocker   Datum: 18.09.2020 12:25 Uhr

Kommentar: ...so fantasiebeschränkt ist der Norden sicher nicht...
LG Alf

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -12- Experimentierfreude zahlt sich aus

Autor: Bluepen   Datum: 19.09.2020 9:34 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,

wenn man bedenkt, wie lange der Mensch schon besteht und jede Generation herum experimentiert, dann kann man auch vorstellen, wann wir nicht mehr existieren.

LG - Bluepen

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -12- Experimentierfreude zahlt sich aus

Autor: Alf Glocker   Datum: 20.09.2020 8:55 Uhr

Kommentar: ich bedanke mich!

LG an alle
Alf

Kommentar schreiben zu "Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -12- Experimentierfreude zahlt sich aus"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.