An diesem denkwürdigen Tag hielt ich mich zur frühen Nachmittagszeit in einem großen Kaufhaus auf. Warum ich ausgerechnet heute und hier im dritten Stock des Kaufhof nach schwarzen Kapuzenpullis suchen musste, ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Ich schlendere zwischen langen Regalreihen durch, an Kleiderständern vorbei. Es ist nicht allzu viel los. Das Stimmengewirr der Besucher, das sich seinen Weg durch die offenen Stockwerke sucht, vermischt sich mit dem Klappern von Kleiderbügeln, dem Rascheln von Stoff auf Haut und dem monotonen Summen der Rolltreppen. Die Auswahl ist nicht die Allerbeste.
Die weißen Deckenlichter können mit dem Tageslicht, welches von draußen durch die großen Glasfronten dringt, nicht mithalten.
Plötzlich reißt mich eine durchdringende Stimme aus meinen Gedanken. Sie ist ausdrucksvoll und scharf, so als sei sie das Befehlen gewohnt, und sie ist ziemlich nahe. Aber es ist noch mehr. Ihr Klang reizt mich geradezu. Ich bin ausgesprochen neugierig und sehe um die Ecke.
Ein Stück den Gang entlang steht eine Frau, deren erste Wirkung zweifellos einschüchternd ist. Sie schnauzt gerade ihren Begleiter an. Er ist mit einigen Kleidungstücken behangen, als wäre er ihr Kleiderständer. Sie wirkt verärgert.
Ihr Äußeres ist ebenso eindrucksvoll wie ihre Stimme, wenn nicht noch mehr. Es ist unmöglich sie nicht anzustarren.
Zahlreiche Tattoos zieren ihre Haut. Kurz gesagt, sie sieht heiß aus. Sie trägt schwarze, sehr knappe Kleidung, solche die in der Öffentlichkeit in jedem Fall Aufmerksamkeit erregt.
Ihr Körper ist schlank mit göttlich verlockenden Kurven, aber auch geschmeidig und muskulös, sodass ich zu der Vermutung komme, das sie jedem gefährlich werden könnte, wenn sie das wollte. Etwas an ihrer Erscheinung lässt mich erschaudern. Ihre Kleidung unterstreicht ihr dominantes Auftreten noch zusätzlich. Es haut mich um.
Ich bin so damit beschäftigt die Szene vor mir zu beobachten, das ich nicht merke, das ich längst in den Gang getreten bin und meine ohnehin dürftige Deckung verschwunden ist. Meine Beine haben sich wie von selbst bewegt. Ich sehe mit offenem Mund zu, wie sie den Mann demütigt, ihn fertigmacht. Etwas in mir erzittert.
Er hat unterwürfig den Kopf gesenkt. Sie wirft ihn zu Boden. Ich will schnell zurück hinter das Regal, doch ehe ich mich auch nur einen Zentimeter bewegen kann, hat sie mich auch schon erwischt. Sie braucht keine Sekunde um festzustellen, das ich sie beobachtet habe bzw. ihr ungeniert zusehe. Ihr Blick durchbohrt mich abschätzig und gnadenlos. Ich kann mir daraufhin ein etwas anzügliches Grinsen nicht verkneifen. „Was glotzt du so?!“, blafft sie mich herablassend an und ich bereue mein Grinsen sofort. Ich weiß keine Antwort. Mir wird bewusst, in welch unangenehmer Lage ich mich befinde und dennoch läuft es mir heiß und kalt den Rücken runter. „Mach das du verschwindest!“, herrscht sie mich an. Ich zucke zusammen. Ihre Stimme knallt wie eine Peitsche. In den Worten schwingt unglaubliche Macht mit. Instinktiv renne ich weg. Erst unten in der Eingangshalle des Kaufhauses bleibe ich keuchend stehen. Schwer atmend stütze ich mich auf meine Knie. In meinem Kopf dreht sich alles, als hätte jemand meinem Innersten einen gewaltigen Stoß versetzt.


© D.M.


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