Ich blicke auf die Tür, durch die Harathorn gegangen war. Danach sinke ich auf mein Bett. Der Schmerz in meinem Rücken war unerträglich. Ich atme schwer. Lange hätte ich das nicht mehr durchgehalten. Nach einigen Minuten verebbte der Schmerz fast völlig. Ich lächle. Dieser König war schon etwas Besonderes. Ich flüstere seinen Namen in den Raum. „Harathorn Silberhand.“ Es war richtig gewesen ihn zu retten. Ich klettere ans Fußende des Bettes und krame in meinem Lederrucksack herum. Nach einigen Minuten finde ich was ich suche. Ich ziehe zwei Schriftrollen hervor. Zum Glück hatten die Wachen sie nicht gefunden haben, als sie meine Taschen durchsuchten. Ich halte beide in den Händen. Eine davon war versiegelt. Ich untersuche das Siegel auf irgendwelche Beschädigungen. Nachdem ich keine finden konnte, legte ich sie neben mich. Die Zweite rolle ich auseinander und lese sie.
„Mein Freund,
Ich schreibe euch um eure Hilfe bei einer schwierigen Angelegenheit zu erbitten. Es geht um das Volk der Zwerge. Ein guter Bekannter von mir ist der aktuelle König der Zwerge Isegrim Silberhand. Seit jeher verbrachten die Zwerge das Leben in einer eingeschworenen Gesellschaft. Sie verschließen sich vor den anderen Völkern und neigen zur Ablehnung gegenüber sogenannten Außenseitern. Doch das kann nicht andauern.
Er und ich versuchen bereits seit einiger Zeit, die Isolation der Zwerge zu brechen. Doch bisher ohne Erfolg. Es gibt zu starke Mächte, die verhindern möchten, dass die Welt der Zwerge sich mich unserer verbindet.
Deshalb haben der König und ich versucht das zu ändern. Leider erhielt ich vor Kurzem die Nachricht, dass seine Hoheit bald sterben wird. Sein Lebensfunke erlischt. Er gedenkt seinen Sohn zum König zu machen, sobald er abgetreten ist. Harathorn Silberhand ist ein junger Zwerg, kampferfahren, aber noch unerfahren im Umgang mit der Politik. Außerdem hegt er ein großes Interesse für die Oberfläche. Sein Vater hat die Sorge, dass Einige versuchen könnten ihn zu töten, um unserem Vorhaben zu schaden.
Ich bitte euch, reist ins Königreich der Zwerge und versucht den jungen König zu schützen und zu unterstützen.
Anbei gebe ich euch eine zweite Schriftrolle, die an Harathorn Silberhand gerichtet ist. Gebt sie ihm, sobald er bereit ist.
Passt auf euch auf. Und mögen die Sterne über euch wachen.
Aria, Kaiserin der Dayls
Ich rolle die Schriftrolle wieder zusammen und seufze in den Raum. Die Kaiserin hatte recht behalten. Jemand sabotierte ihre Bemühungen und hatte versucht Harathorn zu töten. Zumindest das hatte ich verhindern können. Leider war ich nicht rechtzeitig hier um mit dem letzten König in Kontakt treten zu können. Auch hatte die Kaiserin mit noch etwas recht behalten. Harathorn Silberhand war fasziniert von der Oberfläche. Das hatten mir auch schon einige Zwerge bestätigt. Auch die Hüter in den Hallen des Wissens hatten ihre Vermutungen nochmal bekräftigt. Doch wie sollte ich ihm von dem Vorhaben der Kaiserin unterrichten. Es war zu gefährlich ihm jetzt schon davon zu erzählen. Ich verstaue die Schriftrollen wieder in meinem Gepäck. Und dann war da noch dieser Malakit. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, war er auch schon Berater des früheren Königs gewesen. Offensichtlich hat der König ihn nie in seine Pläne eingeweiht, weshalb er mich jetzt verdächtigte mit dem Attentat etwas zu tun zu haben. Doch für den Moment glaubt er mir, denke ich. Erneut flammte der Schmerz auf. Und dann war da noch das Problem meiner Verletzung. Wenn ich nicht bald Gesund werde, dann kann ich den König nicht vernünftig beschützen. Plötzlich klopfte es an meiner Tür. Wer kam denn jetzt? Ich erhebe meine Stimme und bereute im gleichen Moment die Bewegung. Als ich meine Lungen mit Luft fülle, schießt ein schneidender Schmerz durch meinen Körper und raubt mir den Atem. Ein ersticktes „Herein“ dringt aus meinen Lippen. Die Tür ging auf und Malakit betrat erneut den Raum. Ich schaffte es wieder Haltung anzunehmen. „Meister Dumas. Was führt euch erneut zu mir? Und dann auch noch kurz nachdem der König gegangen ist?“ Sein Gesicht war ausdruckslos, als er sich mir gegenübersetzte. Eine ganze Weile sahen wir uns nur an und sagten nichts. Malakit beendete die Stille als erstes. „Wer seid ihr wirklich? Eine Vertraute des Königs sagte, sie würde einen Vertreter schicken. Seid ihr dieser Vertreter?“ Okay, jetzt war ich überrascht. Anscheinend hatte ich Malakit falsch eingeschätzt. Ich nicke. „Beweist es.“ Ich krame in meiner Tasche und reiche ihm die Nachricht der Kaiserin, doch nicht die Botschaft für Harathorn. Er öffnet sie und liest sie aufmerksam. Danach rollt er sie wieder ein und reicht sie mir wieder. „Ich glaube euch.“ „Also hatte euch der König eingeweiht?“ Malakit nickt. „Ja. Und ihr seid der Vertraute der Kaiserin?“ „Der bin ich.“ Er lehnt sich zurück. „Gut, dass ihr hier seid. Und verzeiht meinen Argwohn von zuvor.“ Ich schüttle den Kopf. „Kein Problem. Ich verstehe euch. Ihr wart lediglich besorgt. Und es war essenziell, dass er nicht davon erfuhr.“ Malakit nickt. „Es ist noch zu früh, um Harathorn in die Pläne ihrer Hoheit einzuweihen.“ Ich nicke und Malakit spricht weiter. „Wie gedenkt ihr vorzugehen?“ Ich überlege. Ich hatte mir zuvor ein paar Gedanken gemacht, aber die Situation war schnell eskaliert. Malakit schien meine Gedanken zu erraten. „Er vertraut euch schonmal. Und sei das nur der Tatsache geschuldet, dass ihr ein Außenseiter seid. Ich denke es dürfte kein Problem sein, wenn ihr in der Nähe seid. Auch wenn die Attentäter euch jetzt kennen, so habt ihr damit einen guten Vorwand dem König nicht von der Seite zu weichen. Ihn dürfte das freuen.“ Malakit erhob sich. „Ihr solltet euch jetzt ausruhen. Erholt euch.“ „Das werde ich. Danke.“ Malakit schritt durch den Raum auf die Tür zu. Kurz bevor er die Tür öffnete, blieb er stehen und drehte sich um. „Und bettet, dass unser Vorhaben gelingt.“ Er verlässt den Raum und die Tür fällt ins Schloss. Erneut war ich allein. Das Gesamtbild hatte sich nun entschieden verändert. Ich hatte zwei neue Verbündete gefunden. Und ehrlich gesagt, hat sich auch bei mir Interesse für den König geweckt. Er erinnerte mich sehr, an mein Leben früher. Als ich noch bei den Waldelfen lebte. Ich wusste nichts von der Welt außerhalb des Waldes. Nur aus Geschichten und die waren meistens übertrieben. Am Ende konnte mich nichts darauf vorbereiten, was mich erwartete, als ich die grausame Welt betrat. Ich verließ mein Heim mit fünfzehn Jahren. Jung, dumm und davon überzeugt alles zu wissen, zog ich aus. Lediglich mit einem Schwert, einem Bogen und Kleidung bewaffnet verließ ich den Wald, der bis dahin immer mein Zuhause gewesen war. Meine Eltern waren selbstverständlich nicht begeistert gewesen, aber ein paar Worte des Ältesten hatte genügt um sie zwar nicht vom Gegenteil zu überzeugen, aber immerhin meiner Reise zuzustimmen. Der Älteste empfahl mir mich nach Westen zu halten. Dort würde ich einem Dorf der Menschen begegnen, wo ich meine ersten Eindrücke sammeln könnte. Und so ging ich. Doch es kam alles anders, als ich erwartet hatte. Und vermutlich auch als der Älteste es erwartet hatte. Als ich an besagtem Dorf ankam, fand ich nur Trümmer und verkohlte Leichname vor. Die Feuer der Zerstörung brannten noch hell als ich die Ruinen betrat. Schnell wurde mir klar, dass diese Menschen angegriffen wurden. Doch von wem wusste ich nicht. Von einem sterbenden Milizionär erfuhr ich, dass die Überlebenden nach Norden in die Gebirge geflohen sind. Dort ging ich als nächstes hin. Doch auch dort fand ich nichts als Tod und Verwüstung. Das Gras und die Felsen waren mit dem Blut der Dörfler getränkt worden. Und die Leichen hatte man zu einem Berg gestapelt. Frauen und Kinder, auch die Alten und Kranken waren tot. Der Anblick ließ mein Herz gefrieren, Wut erfüllte mich. Wie konnte man nur ein so sinnloses Abschlachten zulassen? Wer war dafür verantwortlich? Ich wollte sie finden und jagen. Für all die Leben, die sie ausgelöscht hatten. Ich hatte den Tod von Freunden schon miterlebt, aber das hier war schlimmer. Niemand war ihnen zur Hilfe geeilt. Wir Elfen konnten uns immer aufeinander verlassen. Auf uns und die anderen Stämme. Ich folgte den Spuren des Trupps bis hinauf in Norden. Das Wetter war kalt und eisig. Schließlich fand ich was ich suchte. Eine kleine Holzburg, ein Militärlager. Dorf fanden sich mehrere hundert Krieger. Meine Wut brach erneut hervor und ich schmiedete einen Plan sie zu töten. Ein selbstüberzeugter Narr bin ich gewesen. Im Schutze der Dunkelheit schlich ich mich zur Burg und überwältigte einige der Wachposten. Das Tor erklomm ich ohne Mühe und öffnete es ohne Alarm zu schlagen. Danach suchte ich die Stallungen auf. Ich befreite die Pferde, hetzte sie durch das Lager zum Tor. Viele der Männer wurden von ihnen niedergetrampelt. Doch meine Arbeit war noch nicht getan. Das Lager war nun erwacht und viele Krieger versuchten das Chaos zu überblicken und unter Kontrolle zu bringen. Jetzt schlug ich zu und machte mich daran die Krieger einen nach dem anderen zu töten. Ich kam nicht weit. Meine Fähigkeiten reichten nicht aus. Bereits als ich den ersten Soldaten niederstreckte hörte ich wie jemand Alarm schlug. Bevor ich mich versah, war ich von mehreren Dutzend Kriegern umringt. Ich kämpfte um mein Leben. Es gab kein Entkommen. Doch schon bald spürte ich meine Kräfte schwinden. Ein Hieb traf mich am Hinterkopf und streckte mich nieder. Ich versuchte mich aufzurappeln, während die Dunkelheit mich umschloss. Dies war mein Ende, so dachte ich damals. Ich sank hinab in das Dunkel. Und das Letzte was ich hörte, war das Geräusch von Pferden und Stahl, sowie der Aufschrei einiger Männer die erschlagen wurden. Danach war Stille. Ich verfluchte mich für meine Tölpelhaftigkeit. Für meine Unbedachtheit. Und meine letzten Gedanken galten meinem Zuhause. Dann erwachte ich. Über mir der Nachthimmel und das Gesicht einer jungen Elfe. War ich Zuhause? Als sie sah, dass ich wach war, lächelte sie sanft. Ihr Lächeln hatte mich sofort in ihren Bann gezogen. „Seid ihr erwacht, tapferer Krieger?“ Ihre Stimme klang wie das Rauschen der Blätter, sanft und voller Kraft. Ich nickte. Sie strich mir mit der Hand durch das Haar. „Was ist passiert?“, frage ich sie. „Wer seid ihr?“. „Ihr seid gefallen. Tapfer habt ihr gekämpft, doch am Ende habt ihr verloren. Meine Männer und ich waren in der Nähe und hatten uns vorbereitet, das Lager der Banditen zu vernichten, da wurden die Tore geöffnet und die Pferde kamen heraus. Wir ritten selbst sofort zur Festung um unsere Chance zu nutzen. Kaum waren wir dort angekommen, so sahen wir auch schon euch inmitten des Chaos stehen und kämpfen und schließlich fallen.“ „Habt ihr mich gerettet?“ Sie nickt. „Ja. Dank meiner Macht seid ihr noch am Leben.“ „Wer seid ihr?“. Sie lächelt. „Mein Name ist Aria. Ich komme von den Elfen aus den Dayls. Und ihr seid?“ „Faron. Faron Cyril“ Ich erhob mich und stellte fest, dass hinter Aria einige Elfen in Rüstung standen, die mich neugierig anstarrten. Danach machte Aria mich mit den Männern bekannt. Sie gratulierten mir für den Erfolg der Schlacht, den ich hatte. Ich berichtete ihnen, weshalb ich hier war und sogleich schüttelten alle den Kopf, doch sie schenkten mir auch ein Lächeln. Ich wusste, dass ich etwas sehr Dummes getan hatte und nur dank dieser Elfen noch am Leben war. Vor allem dank Aria. Ich war noch schwach und so nahmen sie mich mit zu ihrem Lager. Es waren nur ein paar Zelte und Zäune für die Pferde. Ich bekam Essen, einen Schlafplatz und ein Heiler versorgte meine Wunden. Und die ganze Zeit blieb Aria an meiner Seite. Später am Abend feierten die Krieger ein Fest zum Sieg über die Banditen. Auch ich sollte meine Geschichte erzählen. Als ich geendet hatte erhoben die Krieger ihre Trinkbecher und ließen mich hochleben. Allerlei liefen zu mir und klopften auf meine Schulter. Es war ungewohnt für mich und ich spürte, wie meine Wangen sich erröteten. Aria gab mir ein Lächeln, das mir zu verstehen gab, dass ich es aushalten sollte. Eine andere Sache, die mir auffiel. Aria war nicht die einzige Frau im Lager. Viele Krieger waren Frauen. Aber alle anderen schienen Aria anders zu behandeln. Ich wusste nicht, wie ich das einordnen sollte. Die Feier ging bis in die frühen Morgenstunden. Irgendwann war Aria zu mir gekommen, hatte sich neben mich gesetzt und mir eine Frage gestellt. „Faron. Möchtest du uns nicht beitreten? Jemanden mit deinen Fähigkeiten könnten wir gut gebrauchen.“ Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, also stellte ich ihr eine Gegenfrage. „Was würde es bedeuten euch beizutreten? Wer seid ihr alle?“ „Wir sind Krieger aus den Dayls. Die Dayls sind ein Land, dass nur den Elfen gehört. Dort können wir frei sein. Anders als unsere Brüder und Schwestern in den Städten der Menschen. Anders als die umherziehenden Stämme. Wir leben nicht in Sklaverei oder Abhängigkeit, sondern als Individuen. Und wir kämpfen gegen jene, die uns unterdrücken. Nicht nur mit Schwert und Bogen. Sondern auch mit Worten und Verhandlungen. Unser Ziel ist eine geeinte Welt, wo alle das gleiche Recht und Freiheit besitzen.“ „Ein nobles Ziel.“ Sie schaute mich mit ernstem Blicke an. „Willst du uns helfen dieses noble Ziel zu erreichen?“ Ich zögerte, aber mein Herz hatte sich schon entschieden. Die letzten Tage hatte meine Welt verändert. Ich hatte gesehen, was Menschen einander antaten. Nur das eigene Überleben zählte. Auch die Waldelfen wussten von dieser Ungerechtigkeit. Und sie machte auch vor den dort lebenden Elfen nicht halt. Ich war jung, aber mein Herz wusste, dass sie recht hatte. „Ich werde euch helfen. Weil ich an das glaube, was du sagst.“ Sie lächelt. Es war das gleiche aufrichtige Lächeln, dass sie mir bereits einmal geschenkt hatte. Und so zog ich mit diesen Kriegern in die Dayls. Zu ihrer Heimat. Dort angekommen erfuhr ich etwas über Aria, was mein Leben ein weiteres Mal völlig veränderte. Aria offenbarte sich als Kaiserin der Elfen in Dayls. Als ich erfuhr, wer sie war, stellte sie mir erneut die Frage von jenem Abend. Und ich wurde ihr Gefolgsmann. Ich lernte den Umgang mit Schwert und Bogen, von den Besten. Die Jahre vergingen. Ich wurde älter. In dieser Zeit hatte ich viel gelernt und noch viel mehr gesehen. Ich hatte mich mit menschlichen Diplomaten unterhalten, Verträge ausgehandelt, Aufstände niedergeschlagen. Alles im direkten Auftrag der Kaiserin. Eines Tages überreichte mir Aria während einer feierlichen Zeremonie ein Schwert und den Titel, Vertrauter der Kaiserin. Seitdem sind viele Jahre vergangen. Jahre, in denen die Elfen viele Erfolge zu verzeichnen hatten. Ich zähle fünfundvierzig Jahre und mittlerweile leben alle Elfen in vollständiger Gleichheit mit den Menschen. Die Sklaverei wurde abgeschafft, Handelsbündnisse etabliert und die Gesellschaft hatte sich gewandelt. Doch das Ziel der Kaiserin war noch nicht erfüllt. Schon lange bevor mich mein Auftrag ereilte, wusste ich von dem Bestreben Arias die Zwerge aus der Isolation zu holen. Und ich als Vertrauter der Kaiserin war entsendet worden um dieses Vorhaben zum Gelingen zu bringen. Ich hoffe nur, dass es mir gelingen wird. Ich lache still in den Raum


© Sora Hataki


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