Der Frühlingsball


Jedes Jahr im Frühling treffen sich die Vögel des Waldes und der Flur
zum Frühlingsball. Sie feiern dann ausgelassen das Ende des Winters auf der großen Waldwiese. In diesem Jahr fiel der Ball auf einen Sonntag.
Der Rabe Thadeus bereitete sich sorgfältig auf diese Feier vor. Er entfernte
einige schwarze Federn aus seinem Gesicht. Danach bürstete er seinen
Sonntagsgehrock aus, und besprühte sich mit Birkenwasser. Thadeus wollte
einer der schönsten Freier sein.
In diesem Jahr hatte er sich Frau Elster als Ballpartnerin ausgesucht.
Frau Elster, Trixie, war sehr wählerisch, was Vogelmänner betraf.
Für den Raben war die Elster schon eine besondere Eroberung. Als
Thadeus alles erledigt hatte, begab er sich auf den Weg.
Die Elster, Trixi, hatte ihre Wohnung in einem großen Rotdornbusch.
Nach einiger Zeit traf der Rabe beim Haus der Elster an. Er rief sie
mehrmals bei ihrem Namen, doch von der Elster war weit und breit
nichts zu sehen.
Der Rabe wollte nicht die Treppe hoch zu ihrer Wohnung gehen, denn das Treppengeländer war mit Dornen versehen. Thadeus wollte sich auf keinen Fall an den Dornen verletzen. Er stand wie ein begossener Pudel da, er wusste sich keinen Rat. Zum Glück kam Herr Eichelhäher vorbei. Er fragte den Raben, warum er so traurig dreinblicke. Der Rabe erzählte dem Eichelhäher sein Missgeschick und das mit zittriger Stimme.
Der Eichelhäher flog einige Male laut krächzend um den Rotdornbusch herum, als plötzlich Elster Trixie ihr Dornenfenster öffnete. Sie hatte sich nämlich auf ihr Reisigbett gelegt und war dabei eingeschlafen. Die Elster kam zu den Beiden herunter und fragte nur nach der Uhrzeit, doch eine Entschuldigung kam nicht aus ihrem Schnabel.
Trixi sah zum Verlieben schön aus. Sie trug ein Kleid aus braunen Hühnerfedern,
ihren Kopf zierte eine Krone aus Wiesenschaumkraut. Rechts und links von ihrem Schnabel hingen kleine Glasperlen herunter. Die Perlen hatte sie auf gelbe Haferhalme gezogen. An ihren Füssen trug sie Schuhe aus Eichenrinde. Beide Herren staunten nicht schlecht über Trixie. Alle drei begaben sich auf die Waldwiese .
Aus der Ferne war schon ein kolossaler Lärm zu hören. Dort angekommen, staunten sie nicht schlecht, denn auf der Waldwiese waren jede Menge Vögel. Es war so voll, dass man sich durchzwängen musste.
Das Waldorchester spielte gerade das Lied, „ Alle Vögel sind schon da.“
Zum Orchester gehörten sieben Dohlen, sie trugen alle einen schwarzen Frack,
der oben mit einem silbernen Kragen verziert war.
Der Dirigent war der Fischreiher Herr Klangbiel. Es war sehr lustig anzusehen,
wie der dünne Herr den Taktstock schwang. Man hatte jeden Moment den Eindruck, er breche in der Mitte durch.
Elster Trixie wurde aufgrund ihres hübschen Kleides von allen bewundert.
Die Verehrer drängten sich scharenweise um die Elster, denn jeder der
Verehrer wollte mit ihr tanzen.
Thadeus, der Rabe war abgemeldet, er stand ganz traurig in der Menge.
Die meisten Vögel tanzten ausgelassen auf der Waldwiese. Einige der Vögel
tranken genüsslich Waldwiesensekt oder Bachsprudel.
Mitten im fröhlichen Treiben erschien Frau Eule und Frau Nachtigall. Beide kamen
viel später, weil sie die Taghelligkeit störte.
Es war mehr als lustig, die unterschiedlichen Tanzpaare anzusehen.
Da tanzte Herr Enterich mit Frau Kranich, Herr Wiedehopf mit Frau Graugans und Herr Buchfink mit Frau Schwan. Es gab noch eine ganze Reihe lustiger Paare.
Thadeus hatte in der Menge seine Tanzpartnerin, Frau Elster, verloren.
Er stand mit Herrn Dompfaff an der Waldtheke und trank einen Waldwiesensekt
nach dem anderen. Herr Dompfaff versuchte Thadeus zu trösten, jedoch der Rabe
war unendlich traurig.
Sie blieben beide an der Waldtheke, tranken weiter, und schauten den Tanzenden zu.
Auf einmal und ganz plötzlich tasteten sich die ersten Sonnenstrahlen durch die
Baumwipfel.
Das war das Signal zum Aufbruch, und in kurzer Zeit war die Waldwiese leer.
Die Waldwiese sah aber grauenhaft aus. Auf ihr lagen Papiertaschentücher, Damenstrümpfe, Korken vom Waldwiesensekt, Kleidungsfetzen und bei einigen
kleinen Fichten, die vereinzelt auf der Wiese standen, waren die Spitzen abgebrochen. Die Waldpolizei konnte leider die Verursacher nicht ausfindig machen.
Thadeus und Herr Dompfaff sammelten einen Teil des Unrates auf.
Sie warfen den Unrat auf einen Haufen, aber sie beendeten ihre Arbeit nicht.
Es war sehr ansträngend, und sie hatten Mühe, sich aufrecht zu halten.
Der Waldwiesensekt hatte sie in seiner Gewalt. Sie verließen die Waldwiese und
Thadeus brachte Herrn Dompfaff nach Hause. Dort angekommen, wurden sie mit einem „ guten Morgen lieber Papi „ und mit einem „ guten Morgen Herr Thadeus“
begrüßt. Aus der Wohnung von Herrn Dompfaff schauten nämlich winkend, seine Frau und seine beiden Kinder hinaus.
Beide Trinkkumpane verabschiedeten sich überschwänglich und überglücklich voneinander. Als der Dompfaff schon im Gehen war, rief Thadeus, wie lautet denn dein Vorname?. Der Herr Dompfaff kehrte um und sagte „ mein Vorname lautet
Rütti.
Thadeus flog nun flugs nach Hause. In seiner Wohnung war in allen Zimmern eine
angenehme Nachtkühle, denn er hatte alle Fenster offen gelassen. Er zog sich aus und legte sich in sein Reisigbett schlafen.
Gegen Mittag wurde er durch einen Lärm geweckt. Der Rabe ging zum Fenster und
da sah er die Elster Trixie, die sich humpelnd auf der Dorfstraße bewegte.
Aber o graus, die Elster sah schaurig aus. Ihr Kleid war an einigen Stellen eingerissen, ihre Krone hatte sie verloren und ihr Haar hing unordentlich herunter.
Ihr Gesicht war schwarz von der Moorerde und sie hinkte mit ihrem linken Bein.
Ab und zu rief die Elster Hilfe, doch kein einziger half ihr.
Die Dorfbewohner schrieen und lachten sie aus. Die Dorfstraße glich einem Tollhaus.
Thadeus tat die Elster leid, doch auf der anderen Seite hatte sie Thadeus zum Narren gehalten.
Es gibt oft im Leben eine Situation, die einen erstaunen lässt.


© Jürgen


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