Cainwis war die Persönlichkeit?

Jean stellte sich dieselbe Frage wie ich. „Inwiefern?“

„Wie mein Name es bereits verrät, bin ich dazu in der Lage nicht nur die Zivilisation im Ganzen, sondern herunter gebrochen auf jedes einzelne Individuum zu analysieren. Jeder Mensch auf Forteon besitzt mehr als genug technischer Gegenstände, die er tagtäglich benutzt. Ferner noch gibt es überall Drohnen, Überwachungssysteme und Kameras. Es gibt Scanner und Gadgets, die den Puls, die Körpertemperatur, den Herzschlag, den Blutdruck usw. messen. Darüber hinaus hat Master Phil ein Programm geschrieben, welches ermöglich, durch die reine Berührung eines Gadgets Impulse zu senden, die in das gesamte limbische System, bis hin zum Hippocampus vordringen, um direkte Informationen über die Emotionen, Gefühle und sogar Gedanken zu sammeln. Mir stehen mehr als genug Möglichkeiten zu Verfügung, um den Menschen, seinen gesamten Organismus und sogar seinen Geist zu analysieren und Informationsdatenbanken über ihn anzulegen. Diese Informationsdatenbanken verwendet Master Phil, um den Tech-Clones eine exakte Replika der Persönlichkeit des geklonten Menschen zu verleihen.“

„Civilization analyzing Intelligence with interaction skills.“, rief Phil den Namen von Cainwis in Erinnerung – eine zivilisationsanalysierende Intelligenz mit Interaktionsfähigkeiten. Auf einmal war alles klar. Wieso Cainwis mich nach meinem Wohlbefinden fragte. Wie er wusste, dass ich gereizt gewesen bin. Wieso er Jean’s Körpersprache lesen konnte. Er wusste bei weitem mehr über uns, als wir selbst.

„Oh, im Moment lasse ich ihn aber nicht frei rumanalysieren.“, erklärte der Erfinder dieser mehr als komplizierten Technik. „Er wurde nur auf einzelnen Personen getestet, für die ich eine Genehmigung von der GN5 oder der Regierung hatte, oder die sich freiwillig in Cainwis Reichweite befanden, aber den Teil weiß weder die GN5 noch die Regierung. Die Tech-Clones befinden sich in der Entwicklung. Erst wenn das Projekt vollendet ist, darf es in Forteon auf den Markt gebracht werden.“

Für einen kurzen Moment entstand ein Schweigen im Raum. Ich war mehr als beeindruckt von Phil’s Genialität, Intelligenz und seiner Kreativität in der Erfindung und gleichzeitig war ich zwiespältiger Meinung, was den Einsatz solcher visionären Entdeckungen anging. Auf jeden Fall hinterließ dieses Projekt ein Gefühl der Verwundbarkeit. Bisher hatte man immer seine Gedanken nur für sich. Niemand konnte dir in den Kopf schauen und sogar ein Wahrheitsserum konnte nur einen unbedeutenden Teil deiner Erinnerungen entlocken, aber ein Programm das die Fähigkeit hatte gleich alle Informationen über dich zu bekommen hatte etwas Furchterregendes an sich.

„Ja, ich habe die Welt zwar nicht erschaffen, aber ich mache sie ein ganzes Stück besser!“, prahlte Phil. „Aber zurück zum eigentlichen Thema. Vorerst musst du dich mit der Grundausstattung, die ich für dich zusammengestellt habe, zufrieden geben. Erst wenn ich weiß, was du vor hast, werde ich wissen was du brauchst. Zumal einige meiner Babies noch in Entwicklung sind und erst später abgeschlossen werden. Aber genug geredet!“

Phil stand auf und führte mich in den hinteren Teil des Labors, welcher sich hinter seinem Schreibtisch befand. Zwischen verschiedenen Geräten, in denen Unmengen an verschiedenen Kabeln drinsteckten und Gadgets, die auf Tischen lagen und gescannt wurden, stand ein Stuhl mit einer Behandlungseinheit. Der Stuhl hatte eine Fläche für die Beine und war weit zurückgelehnt, so dass, wenn man sich draufsetzte, fast liegen würde. Er erinnerte mich an einen Zahnarztstuhl und ich dachte darüber nach, wozu Phil so etwas besaß, wenn er doch eigentlich für Gadgets und nicht lebendige Objekte zuständig war.

„Setz dich.“, zeigte er auf den freien Sitz.

Ich nahm Platz und wurde bald darauf in die horizontale Lage gebracht. Über mir brannte helles Licht, welches von den großen Scheinwerfern an der Decke kam. Dennoch zog Phil eine große Lampe von der Behandlungseinheit ran.

Wie ich da lag, konnte ich mein eigenes Blut rauschen hören, so still schien es zu sein. Jean machte keinen Ton und Phil ließ lediglich ein Klimpern zu, während er die notwendigen Materialien zusammenlegte.

Bald darauf hatte er sich ein paar sterile Latexhandschuhe angezogen und war dabei ein Stück Watte mit Desinfektionsmittel einzusprühen. Trotz seiner lauten und sarkastischen Natur, sagte er die ganze Zeit über kein Wort, sondern war äußerst konzentriert.

Ich fühle mich wie bei einer Operation und vermutlich hatte das, was Phil vorhatte ähnlichen Charakter, denn bald nachdem er meine Schläfen mit der desinfizierenden Flüssigkeit eingerieben hat, sah ich etwas Spitzes auffunkeln.

In einer Spritze befand sich eine grau-silberige Flüssigkeit, die mich an flüssiges Metall erinnerte. Ich fragte mich, wie schädlich diese Substanz für meinen Körper sein würde und doch war ich sowohl Jean, als auch Phil für ihre Hilfe dankbar.

"So.", setzte Letzterer an. "Das sind die Naniten vom Neuro-Tablet. Diese werde ich dir vor und zum Teil hinter die Hirnrinde einführen. Damit wirst du deinen Anzug und einige Gadgets steuern können und in Zukunft könnte man mit Upgrades neue Funktionen aufladen. Versuch dich zu entspannen."

Er setzte die Spritze an meiner Schläfe an und es folgte ein stechender, äußerst unangenehmer Schmerz. Tränen schossen mir in die Augen und ich kniff sie zusammen. Ein kribbeln breitete sich in meiner Stirn aus und starke, übelkeiterregende Kopfschmerzen traten ein.
Das Kribbeln und die Schmerzen schienen mit jeder Sekunde zu steigen.

Ich hörte noch wie Phil auf mich einredete: "Versuch dich zu entspannen, du machst es nur noch schlimmer!"

Dann verlor ich das Bewusstsein.


© Ronia Tading


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