Eine unerwartete Wendung

© EINsamer wANDERER

Loki war aber nicht mehr im Glasirwald. Stattdessen saß er in der Gestalt eines grauen Eichhörnchens auf den Ast einer Tanne und beobachtete schöne Frauen beim Baden. Er hatte einen kleinen See in eine heiße Quelle verwandelt und viele Menschen kamen von weit her, um das Wunder zu bestaunen. Dabei gab es feste Zeiten, wann die Männer und wann Frauen rein durften, wobei Loki es vor allem auf letztere abgesehen hatte. Plötzlich begann er zu rutschen. In letzter Sekunde krallte er sich an den Ast fest. Er hing kopfüber und atmete erleichtert aus. Er wollte sich nur ungern bei dieser … Situation erwischen lassen, weder von Menschen noch von Nichtmenschen. Schnell hangelte er sich wieder auf den Ast. Erleichtert sah er, dass er noch nicht bemerkt worden war. Die Frauen lachten immer noch und spritzten sich gegenseitig mit Wasser ab. Dabei waren sie unverhüllt. Jede Kurve, jede Rundung war bis ins letzte Detail zu sehen. In dem Gott des Feuers machte sich eine wollige Wärme im Schritt breit. Dabei starrte er auf eine Frau mit besonders großen Brüsten. Er konnte nicht anders. Immer weiter beugte er sich nach vorne. Er hatte Mühe nicht gleich los zu sabbern. Ein Krächzen erschrak ihn zu Tode. Trudelnd fiel er von der Tanne in den See mit kochendem Wasser hinein. Das Gekreische war groß, genau wie die Panik unter den Frauen. Loki hatte Probleme unter dem tosenden Wasser nicht unterzugehen. Keuchend durchbrach er die Oberfläche und schaute direkt auf zwei wundervoll geformte Brüste. Ihm blieb die Kinnlade hängen. „Ach schaut mal. Das ist ja bloß ein Eichhörnchen. Na, mein Kleiner.“ Loki bekam den Kopf einfach nicht hoch. Diese Brüste hatten ihn, wie eine Schlange hypnotisiert. „Ist der nicht süß“, antwortete die Frau. „Er scheint aber noch unter Schock zu stehen.“, antwortete eine andere. Ich bin im Himmel, dachte Loki. Aber ein erneutes Krähen zerstörte die Illusion. Als Loki zum Himmel aufsah, erblickte er Odins Grillhänchen. Sie wollten ihn wohl abholen. Dann war Thor wahrscheinlich der Verlust seines Hammers aufgefallen. Was sonst konnte so wichtig sein? Also ging Loki aus dem heißen Wasser, schüttelte sich wie ein nasser Hund und ging. Aber nichts in der Welt konnte ihm davon abhalten noch einen letzten Blick auf die nackten Schönheiten zu erhaschen. Schnell kletterte er den Baum hoch, verwandelte sich in einen Adler und folgte den beiden Raben.

Sie flogen und flogen. Es war ein weiter weg, nach Asgard. So hatte Loki genug Zeit über seine Vorgehensweise nachzudenken. Die Wahrheit konnte er nicht sagen, denn zum einem war es wider seiner Natur und zum anderen konnte er einen von Odins Lieblingssöhnen wohl schlecht sagen: Hey, Thor. Sorry wegen dem Hammer. Ich habe ihn beim Karten spielen verloren. Zu meiner Verteidigung, ich hatte ein sehr gutes Blatt gehabt … nur leider hatte einer der Riesen ein besseres. Aber macht dir nichts draus. Ihr habt doch nur eure mächtigste Waffe verloren. Das ist noch lange nicht das Ende der Welt. Oh, ich vergaß. Es ist doch das Ende der Welt. Nein, sowas kam nicht gut. Also musste er das tun, was er am besten konnte, nämlich lügen. Lügen das sich die Balken bogen. Vor ihnen am Horizont erschienen die Zinnen von Asgard, dem Heim der Götter. Loki hielt nichts von diesem prächtigen Gemäuer. Mit anderen an einer Tafel zu sitzen, Met zu trinken und dabei Sauflieder über Odin zu singen. Seiner Meinung nach, konnte man das genauso gut in einer einfachen Kneipe machen, während man der Kellnerin zuzwinkerte. Loki wusste um seinen Charme, seinem Charisma gegenüber Frauen und spielte ihn nur zu gerne aus. Die beiden Krähen und der Adler flogen durch ein offenes Fenster in den Thronsaal. Während der Adler in der Mitte des Saales landete, flogen die Raben zurück zu ihren Herrn. Loki wusste, was er tun musste. So konnte er Odin nicht gegenüber treten. Was viele aber nicht wussten, dass Loki keine wahre Gestalt hatte. Er war alles und nichts. Freund wie Feind, je nachdem was seinen Zwecken gerade mehr nützte. Diesmal entschied er sich für eine ganz besondere Gestalt. Er verwandelte sich in die vollbusige, nackte und vor allem nasse Frau von der heißen Quelle, die ihn in seinem Bann geschlagen hatte. Viele reagierten mit lautem Gegröle auf diese Respektlosigkeit. In so einer Gestalt trat man Odin nicht gegenüber. „Was soll das denn?“, schrien sie oder „Wie kannst du es wagen, Odin so gegenüber zutreten.“ Manche Rufe waren aber so voller Alkohol, dass man sie nicht einmal verstehen konnte. Aber Loki hatte mehr als ein Stein im Brett bei dem Göttervater, also durfte er sich so etwas erlauben. Außerdem würden diese Barbaren in ihrer Rage schnell etwas Dummes sagen, was Loki gegen sie einsetzen konnte. Sinnlich fuhr sich Loki durch die Haare und erntete mehr Gebrülle. „Was gibt es mein Blutsbruder.“ Ja, Loki war der Blutsbruder Odins. Einer der Steine und bis jetzt sein Größter Schutz vor gewissen Hünen namens Thor. „Tritt näher.“ Odin schien seine Nacktheit zu ignorieren. Wenn es etwas gab, das Loki an ihm bewunderte, dann war es seine unerschütterliche Ausgeglichenheit. Nichts konnte ihn in Rage bringen. Auf dem Weg durch die Reihen der Asen sah Loki einen knallroten Kopf, der nur Thor gehören konnte. Auf ein freches Augenzwinkern von ihm, antwortete er mit lautem Zähneknirschen. Als Loki vor Odin trat, sagte dieser mit der Ruhe eines Felsens: „Mjölnir ist geraubt worden. Wahrscheinlich haben ihn die Riesen bereits.“ Loki betrachtete gelangweilt seine Fingernägel. „Hm. Mjölnir … Mjölnir … Tut mir leid. Nie gehört.“ „Mein Hammer, du Wurm!“ „Ach, dein Spielzeug.“ Loki klatschte seine Hand gegen die Stirn. „Dein Riesenschnuller. Deine Kuscheldecke …“, während Loki eine Aufzählung machte die jeder Beschreibung spottete, versuchten acht tapfere Asen den mächtigen Thor zurückzuhalten. Loki wusste, dass Thor ihn am liebsten tot gesehen hätte. Es war schon immer so gewesen. Sie waren einfach zu unterschiedlich. Er war das Genie. Thor war der primitive Hüne, der nicht weiter als bis zu seiner nächsten Mahlzeit denken konnte. „Loki“, obwohl dieser Name nur so dahingesagt worden war, so brachte er den Gott des Feuers doch zum Verstummen. So war Odin. Ein einfacher Satz klang bei ihm wie eine Morddrohung. „Was schlägst du vor?“ „Was, ich?“ Loki zeigte dabei verwundert auf sich selbst. Hatte er das gerade richtig verstanden? Er hatte gedacht, man würde ihn verhören und dann in die Tiefen der Welt verbannen. Aber nein, er sollte einfach nur helfen den Hammer zu finden. Sofort nahm ein neuer Plan in Lokis Kopf Gestalt an. „Ich … Äh … Wie wär´s mit einer alten Asentaktik. Wir schicken, hm … sagen wir zwei Leute dort hin, die den Hammer dann zurückholen.“ Und diesen Zweien werde ich die Reise so unangenehm wie möglich machen. Und dann bin ich zwei der Asen los, dachte Loki heimtückisch. Und er wusste auch schon, wer der Erste sein würde, der sich zu diesem Himmelfahrtskommando melden würde. „Das übernehme ich.“ Thor hatte sich inzwischen von seinem Anfall erholt und war aufgestanden. „Gut“, meinte Odin, „Aber wer soll dich begleiten?“ Sofort erhallten Rufe von den billigen Plätzen. „Zu dem Stärksten von uns können wir nur den Schnellsten mitschicken.“ „Nein“, meinte ein anderer, „den Reinsten.“ Und so kam eine Aufzählung von all den besten Kriegern der Asen. Bis schließlich ein einzelner Ruf durch die Halle stieß. „Wie wär´s mit dem Klügsten?“ Alle Asen schauten schockiert zu dem einen der das Aussprach, was keinem im Traum eingefallen wär. Es war ein eher schmächtiger, blonder Jüngling, der noch nicht einmal seine ersten Barstoppeln besaß. Selbst Loki hatte mit so einem Vorschlag nicht gerechnet. Das Ausgerechnet Baldur, Odins Lieblingssohn, so etwas vorschlagen würde, war selbst für Loki ein Schock. Er sollte mit Thor …? Oh nein, eher ließ er sich verbannen. Schnell versuchte er den Spieß zu wenden. „Oh Bruder, hör nicht auf diesen … diesen Jüngling. Der Met scheint seine Sinne zu vernebeln. Schick besser ihn mit Thor ins Land der Riesen. Die beiden verstehen sich doch eh viel besser, als wenn ich...“, der Rest des Satzes kam ihm noch nicht einmal über die Lippen. „Ein Grund mehr, dich mit ihm loszuschicken. Ich weiß, dass ihr beide euch nicht leiden könnt. Aber ihr müsst lernen, mit dem jeweils anderen zu Leben. Also werdet ihr in der Nacht still und heimlich verschwinden, damit unsere Feinde nicht Wind von der Sache bekommen. Ihr solltet euch also noch mal ausruhen und euch für die weite Reise vorbereiten.“ Loki stöhnte. Wieder war ein Plan nach hinten losgegangen. Aber es war immer noch besser als der Zorn Odins.

Als die Sichel des Mondes hoch am Firmament stand, stahlen sich zwei Schatten Klammheimlich aus Asgard raus. Der eine war ein Hüne mit einem gewaltigen Breitschwert. Seine dumpfen Schritte ließen die Erde erbeben. Hinter ihm schlich leise ein schmächtiger Jüngling von nicht mehr als sechszehn Sommern. Er hatte zwei Armbrüste auf den Rücken und einen Gürtel mit Giften und Heiltränken. Sicherheitshalber hatte er überall in seiner Kleidung Messer versteckt. Thor dagegen hatte sich eher schlicht gehalten. Abgesehen von seinen Fellen und seinen Schwert trug er nichts dabei. Er war halt ein dummer Barbar. „Nur damit du es weißt“, zischte Loki, „Ich mache das genauso ungerne wie du.“ Thor konnte nur ein Knurren von sich geben. Er wollte wohl nicht mit Loki reden, was dem auch lieber war. Und so machte sich dieses ungleiche Paar ins Land der Riesen auf.

Fortsetzung Folgt…


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