2.1 Die Geschichte (m)eines Namens ....Wer bin ich?

© Red Papermoon

Es ist schon spät.... Die Schläge der Standuhr hallen schwer durch meinen Kopf.Ist es denn schon wieder so weit?

Anscheinend.Ich blickte zu der großen, dunkel schlagenden Uhr hinüber.Schon Mitternacht. Ich schloss meine leicht brennenden Augen und richtete mich dann langsam auf. Meine Hände fuhren über die dunkelrote Seide unter mir und ich setzte mich auf den Rand meines viel zu großen Bettes.Ich war es zwar schon immer gewohnt allein zu schlafen, aber wenn so viel der kalten Leere um einen herrschte, kam es einem noch ein bisschen grausamer vor.Dabei war ich ja gar nicht mehr allein.Meine Lippen verzogen sich zu einem leichten Schmunzeln. Früher hat es mich kaum bedrückt , wenn ich von früh bis spät in meinen Gemächern saß und das nächste Blutbad im Nachbarlande plante, aber jetzt? Jetzt machten mich schon wenige Stunden der Stille wahnsinnig. Die Unwissenheit, wie es den anderen gerade gehen könnte, nahm mein Unterbewusstsein so dermaßen ein, dass ich des Nachts kaum noch schlafen konnte. Mein Kopf schmerzte.Ich konnte mir nicht helfen. Noch immer fühlte ich mich wie ein Fremder in der eigenen Familie, aber warum bloß? Ich war schließlich nun wieder ein Teil von ihr und meine Brüder behandelten mich auch so, als wenn ich schon immer jeden Tag so bei ihnen gewesen wäre, wie in den letzten wenigen Wochen und da war natürlich noch meine kleine Schwester. Schon jetzt konnte ich mir nicht mehr vorstellen , dass es irgendwo auf der Welt noch einen liebenswerteren Menschen geben konnte. Nur eines kam mir schon von Anfang an komisch vor.Nicht ein einziges mal hatte sie mich beim Namen genannt.Ob sie ihn gar nicht wusste?Nein. Meine Brüder sprachen mich ständig beim Vornamen an.Das musste sie bemerkt haben.Aber warum gebrauchte sie ihn dann trotzdem nicht? Ob er ihr nicht gefiel?
Ich schüttelte leicht den Kopf.So ein törichter Gedanke. Sie machte sich bestimmt keine Gedanken darüber so lange ich auf ein einfaches "großer Bruder" reagierte. Dabei hatten diese zwei kleinen Worte so viel Wirkung auf meine Seele.In mir blühte es immer wieder von neuem auf, wenn sie fröhlich auf mich zu gerannt kam und dabei freudig "großer Bruder" rief.Ich wusste nicht warum, aber es machte mich unglaublich glücklich sie dies sagen zu hören.
Langsam erhob ich mich.Mir war noch nicht klar, wo ich überhaupt hinwollte, aber hier weiter in der Stille verharren wollte ich nicht.In meiner Nachtrobe verließ ich normalerweise nicht wieder das Zimmer, aber wem sollte ich schon groß begegnen so spät noch am Abend.Leise lief ich durch den zarten Kerzenschein, der jeden noch so dunklen Flur mit seinem Antlitz wärmte.An jeder Wand prangte ein Gemälde . Bilder von Gestalten in edlen Roben von denen ich fast niemanden kannte. Die einen waren bereits Geschichte und die anderen sollten sich nur aus meinem Blickfeld raushalten. Bis auf meine Geschwister fand ich kein einziges Mitglied unserer "Familie" unserer Blutlinie schätzenswert. Das war nicht ungerecht auch, wenn ich viele von ihnen kaum kannte. Wer meine Achtung wollte, sollte sie sich verdienen. Nur für einen Titel auf einem Blatt Papier senkte ich vor niemandem mein Haupt.

Es dauerte nicht mehr lange bis mir eine offene Tür ins Auge fiel. War Dualgas tatsächlich noch auf? Zu dieser Stunde? Aber was war ich überhaupt überrascht .Ich schlief immerhin auch nicht, obwohl ich es eigentlich sollte.Ich würde ihn nicht lange stören, aber vielleicht ließ er mich ja ein.
Sicheren Schrittes ging ich auf die Tür zu und klopfte sachte daran.Nicht jeder solte unbedingt den Betrieb auf den Fluren zu dieser Zeit mitbekommen.Es ging schließlich sonst niemanden etwas an, dass ich hier war."Herein" vernahm ich die Stimme meines jüngeren Bruders.Vorsichtig schob ich die schwere hölzerne Tür auf und schloss sie hinter mir.Kurz darauf drehte sich der Kopf meines Gegenübers zu mir um. Er saß an seinem Arbeitstisch.Der Raum war nur von einer einzigen Kerze neben ihm beleuchtet."Luthias!" Mein Bruder stutzte. "Du bist noch auf? " " Das selbe könnte ich zu dir sagen Dualgas.""Wie wahr." Beide mussten wir etwas lachen.Seit ich wieder hier war ,gewöhnte ich mir die Fähigkeit zu Lachen wieder an.Irgendwie war ich froh darüber es nicht verlernt zu haben."Wie ich sehe bist du schwer beschäftigt." noch während ich das sagte, ging ich zu ihm hinüber und warf einen Blick auf seinen recht vollen Arbeitstisch. Mir fiel etwas sehr interessanten sofort ins Auge."Ein Flaschenschiff." "Richtig .Ich hatte es dir zwar noch nicht erzählt, aber die Seefahrt war schon als Kind meine größte Leidenschaft und schon damals frustrierte es mich, wie weit wir hier doch von den nie endenden Meeren unserer Welt entfernt sind. Ich fing schon früh an Karten zu studieren und die Baupläne vieler Schiffe.Am Ende wurde daraus der Wunsch ein Stück der Seefahrtsgeschichte mir in mein Leben zu holen.Daraus entstand meine schönste Beschäftigung.Das ist mein achtundzwanzigstes Flaschenschiff. Es ist noch nicht fertig, aber es wird schon bald mein ganzer Stolz unter meinen Werken sein. "Fasziniert besah ich den Glanz in seinen Augen als er mir davon erzählte. So wie ich das sah, war mein kleiner Bruder wirklich talentiert.An dem Schiff vor ihm fehlten noch zwei Masten, aber schon allein, wie detailliert es jetzt schon gearbeitet war .Schon die ganzen Miniaturtaue, die das ganze so realistisch aussehen ließen , waren vermutlich in mehreren Metern dort bereits verarbeitet worden.Wie viele Stunden er wohl in ein Schiff investierte.....Vermutlich hunderte, wenn ich mir das hier so ansah.Ich war etwas überrascht, als er mich mit einem etwas fragenden Blick plötzlich ansah."Was ist mit dir? Es hat doch bestimmt einen Grund, warum du mich zu dieser Zeit noch aufsuchst.""Ehrlich? Nein.Es gab keinen Grund.Deine Tür stand offen und ich trat hinein.Das ist alles.""Tatsächlich?" Der Klang in seiner Stimme verriet mir schon ,dass er mir kein Wort glaubte." Mein selbst im Kopf militärisch denkender großer Bruder versucht mir allen ernstes glauben zu machen, dass er wegen nichts des Nachts sich erhob und ziellos durch die Gänge marschierte und das ohne einen schriftlich festgehaltenen Grund? Ich hätte nie geahnt, dass du zur Willkür neigst Luthias.Jeder, aber nicht du.Also....Was brachte dich dazu so spät noch dein Gemach zu verlassen?"
"Nichts weltbewegendes." gab ich nur monoton zurück, was meinen Bruder anscheinend amüsierte."Lüge.Versuch es nochmal.Vergiss nicht du hast, ob du es nun glaubst oder nicht, nichts zu verlieren, wenn du es mir hier nun erzählst."" So mutig geworden in meiner Abwesenheit?Damals hättest du mein Wort niemals angezweifelt.Was ist passiert, dass du dich seit ich hier bin so weit aus dem Fenster lehnst?" Ich meinte die Frage nicht wirklich ernst.Mein Blick war dafür umso ernster."Bin ich mutig Luthias? Muss ich Mut aufbringen, wenn ich mich dir verständlich machen will? Zu Mut braucht man zuvor Angst , die man überwinden muss. Ich achte dich.Ich habe vor niemandem mehr Respekt als vor dir, aber als dein Bruder werde ich nicht tatenlos still sitzen und schweigen, wenn ich bemerke, dass es dir schlecht geht.Ich will nicht anmaßend wirken .Das wirst du mir doch wohl glauben oder?" Fragte er mich etwas schuldbewusst und auch in mir Klang eine gewisse Reue nach, dass ich mich wirklich habe dazu verleiten lassen ihn anzuzweifeln.Das war anmaßend .Er war es nicht." Verzeih mir, aber meine Schlaflosigkeit macht mir immer mehr zu schaffen.""Schlaflosigkeit? kommst du mit der Einsamkeit in der Nacht nicht mehr zurecht?" fragte er mich , wobei ich etwas fürsorgliches in seiner Stimme mitklingen hören konnte.Ich ließ es mir zwar nicht anmerken, aber mich überraschten seine Worte .Kühl antwortete ich seiner Frage. "Wie kommst du darauf , dass ich mich einsam fühlen könnte?Ich habe mein Leben lang allein geschlafen ebenso wie du."" Das mag schon sein, aber wie ich kannst du vielleicht nicht mehr gut alleine schlafen.Nach der Geburt unserer Schwester hatten wir zwar ihr Leben fürs erste in sicheren Händen, aber sie bekam kein eigenes Zimmer zugesprochen.Seither schläft sie immer in den Betten von einem von uns.Zugegeben in den Nächten, wo sie bei einem unserer Brüder schläft , schlafe ich nicht so gut, wie als wenn ich bei ihr wäre.Ich bin es nun gewöhnt nicht mehr allein dort zu liegen und auf den nächsten Tag zu warten.Vielleicht ist es bei dir nicht das Fehlen von etwas , was mal da war, sondern das Sehnen nach etwas, was noch nie da war."
Ich soll mich .....nach Nähe sehnen?

"Denk einfach mal darüber nach Bruder.Schlaflosigkeit kann auf Dauer zu einem ernsthaften Problem werden, deswegen möchte ich dir raten schnell heraus zu finden, woran es bei dir liegt. Meine Idee ist zwar auch nur eine Theorie, aber ich glaube schon, dass sie es wert wäre, wenn du sie mal überprüfen würdest.Wenn sie über Nacht bei dir ist, werde ich bestimmt auch etwas besser schlafen. Kein Attentäter wird es sich trauen dein Schlafgemach zu betreten, der weiß, wie gut deine Kampferfahrung ausgeprägt ist und wie schnell deine Hand an deinem Schert ist, wenn es der Augenblick verlangt.Wir können ja in den nächsten Tagen noch überlegen, wie wir am besten damit umgehen, aber nun werde ich mich auch zu Bett legen.Nicht das morgen auf unserem neuen Familiengemälde tiefe Furchen unter unseren Augen zu sehen sein werden." Ich seufzte etwas entkräftet. Damit hatte er wohl recht. Sie würden morgen lange für den Maler Modell stehen müssen .Da durfte man nicht zwischen durch Pause machen oder gar müde aussehen.Das Bild würde vermutlich wie die anderen so vielen in unserem Anwesen die Jahrhunderte überdauern und man wollte sich zumindest nicht für ein Bild schämen müssen auf dem man wie ein Wrack aussah.In diesem Sinne nickte ich nur zustimmend und wandte mich von ihm ab um zur Tür zu gehen. Gerade legte sich meine Hand um die kalte Türklinke, als ich erneut die Stimme meines jüngeren Bruders vernahm."Luthias!" "Hm?" "Bitte tu mir den Gefallen und versuche dir den Namen Dualgas für mich abzugewöhnen. Ich heiße Marai, zumindest will ich nur noch so genannt werden. Ich weiß, dass kommt sehr plötzlich, aber auch du wirst bald merken, warum ich es so haben will, denn ich glaube dir wird das gleiche wiederfahren wie uns."
Mein Mund blieb daraufhin verschlossen. Marai...,aber das bedeutete doch
Seefahrer...


© Red Papermoon


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Beschreibung des Autors zu "2.1 Die Geschichte (m)eines Namens ....Wer bin ich?"

Und meine Kurzgeschichtenreihe geht weiter...wieder aus der Sicht von Luthias ^^
LG Red Papermoon




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