Die ewige Verbannung aus dem Licht

© EINsamer wANDERER

Der Junge guckte verwirrt umher. „Er war doch noch grade da“, meinte er. „Silent?! Silent!“, rief er. Schnurrend buckelte Ahriman an seinem Bein. „Na, mein Kleiner.“ Er hob den schwarzen Kater hoch und streichelte ihn. „Wo kommst du denn her?“ Die Katze schnurrte zufrieden. Was machst du hier?, fragte die Katze Silent, der sich in ihren Körper hatte flüchten müssen. Ich verstecke mich, antwortete Silent. Wovor?, fragte die Katze verwundert. Weißt du, antwortete Silent. Ich bin gefangen gehalten worden und war in einem Versuchslabor. Dort haben sie mir jede Menge Spritzen und anderes Zeug gegeben. Eine Nebenwirkung davon ist, dass ich nicht mehr am Tage Leben kann. Ich würde mich in Rauch auflösen. Silent spürte, dass die Katze bis auf den letzten Teil kein Wort verstanden hatte. Aber es machte nichts. Hauptsache sie verstand, was passieren würde, wenn er sich jetzt aus ihren Körper lösen würde. Ich werde nicht stören, keine Sorge, meinte Silent beruhigend. Tu einfach so, als ob ich nicht da wär.
Oh. Ok, meinte Ahriman. „Wo könnte er nur abgeblieben sein?“ Der Junge kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. Ahriman miaute. Silent wusste was er sagen wollte. „Er ist doch hier! In mir drinnen!“ Der Junge verstand kein Wort. Besser du lässt das, meinte Silent amüsiert. Menschen können dich nicht verstehen. Schließlich machte sich der Junge auf die Suche nach Silent. Ahriman folgte ihm dabei auf Schritt und Tritt. Während die beiden durch die Stadt gingen, hatte Silent Zeit über seine Situation nachzudenken. Man jagte ihn bereits. Es war noch nicht vorbei. Sobald die Nacht wieder hereinbrach, würde der Kampf weitergehen. Also musste er die Verantwortlichen zur Strecke bringen. Er hätte sich zwar verstecken können, aber die Ruhe wäre nur von kurzer Dauer gewesen. Nein, er musste sich seinen Feinden stellen. Er musste zurück und ihnen klar machen, dass es besser war, ihn in Ruhe zu lassen. Aber dann gab es immer noch ihm. Er stand Silents Frieden immer noch am meisten im Wege. Der General. Der, der diese Versuche angeordnet hatte. Er hatte die ganzen Menschen auf den Gewissen, die während der Versuche ums Leben gekommen waren. An seinen Händen klebte Blut. Für ihn war das aber unwichtig, solange es zur Bekämpfung der Feinde dieses Landes galt. Und dabei wusste niemand, wer diese Feinde waren. Terroristen? Ausländer? Politisch Andersdenkende? Oder gar das Land selbst? Das war auch egal. Silent würde da nie mitmachen. Niemals. Während er so grübelte, nahm der Junge Ahriman mit nachhause. Der Junge war mehr als nur frustriert, wie Silent mitbekam. Er war wütend, über das plötzliche Verschwinden des Flüchtigen. Weder hatte Silent seine Waffen entgegengenommen, noch hatte er sich verabschiedet. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Bald würde sich Silent aus dem Körper dieser Katze lösen können, ohne gleich zu sterben. Der Junge stellte unterdessen eine Schüssel Milch für den Kater bereit. Der schlapperte fröhlich seine unerwartete Mahlzeit weg. Silent spürte, wie sich eine wohlige Wärme in dem Bauch der Katze ausbreitete. Sie hatte sich lange nur von Abfällen ernährt. Endlich hatte sie ein Dach über den Kopf und eine anständige Mahlzeit. Silent sah, wie der letzte Sonnenstrahl verblasste. So, nun werde ich dich verlassen, meinte er. Er versuchte sich aus dem Körper des Tieres zu befreien, doch anstatt sich von ihm zu lösen, begann er den Körper von Ahriman zu verändern. Er wurde größer. Die Vorderpfoten wurden zu Armen und die Hinterpfoten zu Beinen. Aus der Katze wurde ein Mensch. Silent. Er hatte zu viel Zeit in diesem Körper verbracht. Er und die Katze waren miteinander verschmolzen. Silent spürte die Verwirrung der Katze, nein, vielmehr teilte er sie. „Verflucht schon wieder diese Nebenwirkungen“, zischte Silent wütend. Nachdem Ahriman sich von seinem ersten Schrecken erholt hatte, entspannte er sich. Gar nicht so übel, meinte er. Damit kann ich leben. „Was?!“, zischte er fassungslos. Na überleg doch mal. Ich hab jetzt Daumen, kann auf zwei Beinen stehen und kann nun Fisch gegen diese komischen grünen Scheinchen eintauschen, wie ihr Menschen das immer macht. Silent verstand zwar nicht, was der Kater damit meinte, aber er musste nun leider mit dieser Situation leben. Er wollte gerade zum Fenster raus steigen, als der Junge mit einer Müslischüssel in den Händen die Küche betrat. Erschrocken ließ er die Schüssel fallen. „Wo kommst du denn her?“, fragte er. „Ist das wichtig?“, konterte Silent mit einer Gegenfrage. „Man ich hab den ganzen Tag nach dir gesucht!“, fuhr er Silent an. Und er war den ganzen Tag bei dir, sagte die Katze irgendwo in Silents Hinterkopf. Plötzlich wurde er wieder ruhiger. „Ich wollte dir doch noch deine Waffen geben. Hier.“ Achtlos warf er zwei Dolche auf den Boden. „Ich wollte Schwerter haben“, meinte Silent. „Tja, Schwerter waren leider aus“, meinte der Junge genervt. Silent hob die beiden Dolche auf und ließ sie nacheinander auf einen Finger balancieren. Sie waren perfekt ausbalanciert. Er nahm einen Dolch in jede Hand und schwang sie Probehalber. Sirrend durchschnitten sie die Luft. „Danke, Kleiner.“ „Du brauchst nie wieder bei mir aufzutauchen. Ich bin fertig mit dir.“ Ohne ein weiteres Wort stieg Silent durchs Fenster. Der Junge würde sich schon wieder beruhigen, redete er sich ein. Silent spurtete durch die Straßen. Einige Zeit lang sprach Ahriman noch zu ihm, doch seine Stimmte verstummte mit der Zeit. Er schien wohl eingeschlafen zu sein, während Silent nach seinen Jägern Ausschau hielt. Vielleicht würden die Schatten einen Hinweis auf den Aufenthaltsort des Generals haben. Aber wie sich herausstellte, fanden die Schatten ihn zuerst. Diesmal waren sie mit Krallenhänden ausgestattet. Silent wehrte einige Angriffe mit seinen Dolchen ab. Sie blitzten im Licht der nächtlichen Beleuchtung, während die Bewegungen der Schatten eher langsam, fast zähflüssig von statten gingen. Ruhig und mit der Präzision eines Assassinen zielte Silent auf die Kehle des Schattens, der vor ihm stand. Während silbernes Blut aus seiner Kehle in Strömen floss, drehte sich Silent um ihn. Als er Rücken an Rücken zu dem Sterbenden standen, stach er dem nächsten Schatten, der rechts von ihm stand, direkt ins Herz. Dem Letzten tötete er durch den Wurf seines Dolches, welchen er in der linken Hand hielt. Die Klinge traf dem Schatten direkt zwischen die Augen. Erst als Silent die Leichen um sich sah, wurde ihm bewusst, was er getan hatte. Er hatte gerade drei der unbesiegbaren Schatten getötet. Auch wenn ihr Blut silbern war, so bluteten sie doch wie jeder andere auch. Aber wieso? Was waren das für Messer, die diese Soldaten töten konnten. Egal wie stark Silent war, er hätte sie nie töten können. Er hätte sie höchstens für eine Zeit lang Außergefecht gesetzt. Und die Geschwindigkeit in der das alles passiert war. Die Schatten hatten sich fast wie in Zeitlupe bewegt. Konnte es sein, dass die Verschmelzung mit Ahriman seine Reflexe verbessert hatte? Ein Zischen riss ihn aus seinen Gedanken. Eine der silbernen Blutlachen hatte sich in das Licht einer Laterne geflüchtet, wo es zischend verdampfte. Für ihre Unverwundbarkeit schienen die Schatten einen hohen Preis zu zahlen. Sie waren sogar noch Lichtempfindlicher als er. In weiter Ferne hörte Silent das Knattern eines Hubschraubers, der sich ihm mit beängstigender Geschwindigkeit näherte. „Es wäre besser, wenn ich von hier wegkomme“, murmelte er zu sich selbst. Er rannte und rannte. Sprang von einem Gebäude zum nächsten. Lief Wände hoch, bis er das größte Gebäude der Stadt erklommen hatte. Schließlich holte ihn der Hubschrauber doch noch ein. Auf der Spitze des größten Hochhauses, im Scheinwerferlicht getaucht kniff Silent die Augen zusammen und hielt sich eine Hand schützend vors Gesicht. Das Licht blendete ihn. Der Wind, den der Helikopter aufwirbelte zerrte an seiner Kleidung und fuhr durch seine Haare. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als wenn er den Piloten damit herausfordern wollte. „Jetzt haben wir dich Wichser endlich“, meinte der Pilot durch einen Lautsprecher. Silent breitete seine Arme aus. In jeder Hand blitzte ein Dolch auf, die Klingen nach unten gerichtet. Silent hörte wie die Waffen des Helikopters warmliefen. Jetzt oder nie, dachte er sich. Silent sprang auf den Hubschrauber, mit hocherhobenen Waffen und nach hinten gebogenem Körper, zu. Unter ihm sirrten die Kugeln des Hubschraubers hinweg, begierig sich in den Stahl des Hochhauses zu fressen. Seine Klingen bohrten sich in die Windschutzscheibe. Das Glas splitterte. Silent starrte in das Gesicht des Piloten, welches vor Erstaunen nur so strotzte. Der Flüchtling hatte nur einen kurzen Moment, sonst würde das Glas zerspringen. Er lehnte sich nach hinten. Jeder Muskel in seinen Beinen war angespannt. Pfeilschnell stieß er sich nach oben ab und zog im Flug die Dolche aus der Scheibe. Es war gerade noch rechtzeitig, denn unter ihm zersprang das Glas klirrend und rieselte als Scherbenschauer auf den Piloten nieder. Die rechte Klinge bohrte sich in das Dach des Hubschraubers. Die linke folgte ihr mit einer Sekunde Verzögerung. Doch das reichte aus, damit die Klinge abrutschte, denn der Hubschrauberpilot wollte ihn abschütteln. Die Maschine bewegte sich wie toll, dabei ballerte das Ding sinnlos in der Gegend umher. Dadurch rutschte ihn der zweite Dolch auf der Oberfläche aus und verursachte nur einen Kratzer im Lack. Silent ruderte wild mit dem freien Arm und den Beinen hin und her. Der andere Dolch begann sich langsam aus dem Metall zu lösen. Nervös sah Silent nach unten. Seine Beine baumelten über einen tiefen Abgrund. Er hörte, dass der Pilot ihn irgendetwas zubrüllte, aber er verstand durch den Lärm der Maschine nichts. Der Lautsprecher schien kaputt zu sein. Als Silent ein zweites Mal nach unten sah, kam ihm eine Idee. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Er brauchte jedes Fünkchen Konzentration, das er kriegen konnte. Dann zog er den Dolch aus dem Dach. Er ließ sich ein kurzes Stück nach unten fallen. Dann bohrten sich die beiden Dolche wieder in das Metall, wie die Krallen eines wilden Tieres. Kreischend und Funkensprühend fuhren sie langsam runter zum Cockpit. Dem Piloten setzte Silent mit einem gezielten Fußtritt Außergefecht. Der Helikopter trudelte. Silent sprang ins Innere, durchsuchte ihn kurz und wurde fündig. Da war ein Brief. Schnell steckte er sich den Umschlag ein, während die Maschine dem Boden entgegen trudelte. Schließlich öffnete er die Seitentür. Der Wind drückte ihn zur Seite. Kreischend fraß sich der Propeller in die Fassade des Hochhauses. Schnell stieß sich Silent von der Kante ab und sprang. Mit weitausgestreckten Händen umarmte er den Abgrund. Schließlich krachte er in das Dach eines anderen Gebäudes ein. Silent sah noch, wie der Hubschrauber irgendwo reinflog und explodierte. Er sah dem Feuer noch einige Zeit lang zu, überrascht überhaupt noch am Leben zu sein. Er schien seine Fähigkeiten immer noch nicht zu kennen. Besser er lernte sie bald kennen, sonst konnte es zu spät sein. Die ersten Sonnenstrahlen weckten ihn wieder aus seiner Trance. Wieder war eine Nacht vorbei. Sein Körper begann bereits sich zu verändern, doch diesmal sträubte er sich mit aller Macht dagegen. Er wollte nicht für immer nur in der Nacht leben und am Tage in einer Katze schlummern. Er wollte die Sonnenstrahlen als Mensch genießen können, statt sich vor ihnen zu fürchten. Nur widerwillig fügte er sich in sein Schicksal. Schließlich hatte Ahriman wieder die Kontrolle und seinen Körper.

Der General ging in seinem Büro wütend auf und ab. Wie konnte er dieses verflixte Experiment nur wieder einfangen können. Es hatte einen Hubschrauber zerstört und sogar einige Schatten getötet. Die Jagd nach dem Ding kostete dem Staat bereits Millionen. Wenn das so weiter ginge … Nein, den Gedanken wollte er nicht weiterverfolgen. Mit einem Seufzer traf er eine schwere Entscheidung, von der er sich erhoffte, sie später nicht zu bereuen. Er würde Degraded wohl oder übel reaktivieren müssen.

To Be Continued…


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