Engeltod X – Verrat

© EINsamer wANDERER

Azrael stand vor dem Gebäude in dem seine geliebte Caedes nach ihm schrie. Nur noch ein kurzer Moment trennte die beiden. Er zögerte einen Moment. Sicherlich wurde er erwartet und eine Falle stand bereit zum Zuschnappen. Er schüttelte nur den Kopf und wunderte sich über sich selbst. Hatte ihn die jahrelange Gefangenschaft zum Feigling gemacht? Wenn da nun wirklich eine Falle stand, sollte es ihm eigentlich egal sein. Er hatte sich immer dadurch ausgezeichnet, dass nichts ihn aufhalten konnte. Schon oft war er in Fallen geraten, die nutzlos gegen ihn waren, was sollte heute da anders sein? Die Welt hatte sich verändert für wahr, aber sie war immer noch so schwach und erbärmlich wie früher. Vor dem Gebäude standen ein schwarz- und ein weißhäutiger Vampir. Sie trugen schwarze Anzüge, mit Sonnenbrillen. Ihre steife Haltung wies sie als Leibwächter aus. Azrael schritt sicher auf die beiden Untoten zu. Sie versuchten ihn mit Gesten aufzuhalten, doch das Monster ließ sich davon nicht beirren. Schnell packte er die Köpfe der beiden Leibwächter und zerquetschte sie mit bloßen Händen. Blut tropfte von seinen Klauen. Die Haut sog es auf. Leiber fielen stumm zu Boden. Azrael verspürte keine Freude am töten dieser jämmerlichen Kreaturen. Es ging jetzt nur um die Rettung von Caedes, die ihn so sehr vermisste. Ohne sie war das Blutvergießen noch unbefriedigender als sonst schon. Höchste Zeit, sie sich wieder zurückzuholen. Die Sicherheitsvorkehrungen in dem Gebäude waren noch schlechter, als erwartet. Die Wachen waren bereits tot. Jemand hatte sie kaltblütig umgebracht. Wahrscheinlich war es der Verräter, von dem Azraels Lakai gesprochen hatte. Das Monster verspürte keine Wut, über die Dreistigkeit des Agenten seine Beute erlegt zu haben. Es waren harmlose Menschen, die er einfach ignoriert hätte. Er stieg das Hochhaus empor. Unwillkürlich musste er an den schwarzen Turm denken, den er einst bestiegen hatte. Es war jener schicksalhafte Tag gewesen, an dem er seinem größten Gegner Amon das erste Mal begegnet war. Im obersten Raum wartete die feige Ratte Vladimir auf ihren Untergang. Er stand an einem Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Seinen gebogenen Säbel locker in der Hand haltend. „Ich habe mich schon gefragt, wann du mich finden würdest, Azrael.“ „Du hast dich nicht verändert. Du verkriechst dich immer noch unter Steinen und vor einem wie dir neigen die anderen Blutsauger ihre Häupter?“ Der Vampir ging nicht auf die Beleidigungen des Todesengels ein. „Du hast also meine Wachen getötet. Wäre doch nur die Eliteeinheit hier. Sie hätten dich wenigstens schwer verwunden können. Verdammter Monsterschlächter.“ „Monsterschlächter?“, fragte Azrael. „Eine niedere Kreatur, mit einer Natur, die dir ähnelt. Der Teufel soll ihn holen.“ Jemand der eine ähnliche Mentalität wie Azrael hatte? Die modernen Zeiten schienen wohl auch ihre Helden und Ungeheuer zu haben. „Gibst du sie mir?“, fragte das Monster. Zum ersten Mal drehte sich Vladimir zu ihm um. Er schien stärker geworden zu sein. Früher hätte er sich nicht getraut, Azrael in die Augen zu schauen. „Ach, deswegen bist du hier. Ich dachte du wolltest Rache üben.“ „Werde ich auch.“, antwortete das Monster. „Aber die Vampire hatten mit meiner Gefangennahme wenig zu tun. Wen ich will ist Amon.“ „Amon? Er ging, nach deiner Gefangennahme, fort. Er kehrte zurück in die Hölle und wurde nie wieder gesehen.“ „Was?!“ Azrael war außer sich. Seine Augen glühten mit noch mehr Intensität. Jede Sekunde seiner Gefangenschaft hatte er damit verbracht den Höllenfürsten zu verfluchen. Er hatte sich grausame und qualvolle Todesarten für ihn ausgedacht. Und nun würde er erst in die Hölle gehen müssen, um seine Rache zu bekommen? „Gib mir Ceades, bevor ich mich vergesse.“, fauchte er. „Niemals.“ Vladimir ging in Kampfstellung. Azrael verlor jetzt auch den letzten Rest seiner Selbstbeherrschung. Er drosch auf Vladimir mit seinen Klauen ein. Der parierte jeden Schlag. Krallen trafen funkensprühend auf Stahl. Die beiden starrten unverwandt in die Augen des jeweils anderen. „Ich habe sie versteckt. Du wirst sie nie finden.“, sagte Vladimir zwischen seinen festzusammengebissenen Zähnen. Azrael schrie unmenschlich. Alles was er wollte- Caedes, seine Rache- alles wurde ihm vorenthalten. Sowas durfte er nicht dulden. Wütend schnappte er mit seinem Maul nach dem Feigling. Der ihm im letzten Moment auswich. Er duckte sich und schlitzte Azrael den Bauch auf. Der Todesengel spürte keinen Schmerz nur unbändige Wut. Sein Blut tropfte auf den Boden, bevor es wieder in den Körper zurückkehrte und die Wunde verheilte. Azrael hielt es nicht mehr aus. Er musste Caedes wiederhaben. Zulange waren sie schon getrennt gewesen. Todesverachtend griff der Todesengel in die Klinge seines Feindes und rammte seine Faust durch Vladimirs Körper. Er spuckte Blut. Azrael zog seine Hand aus dem schwächlichen Leib zurück. Stöhnend und Blut hustend brach der Anführer der Vampire zusammen. Trotz seines nahenden Todes, lächelte er. „Ich weiß, dass du sie nie wiederbekommst.“ Das Klackern von Stöckelschuhen näherte sich. „Wie sehr du dich doch irrst, Vater.“ Unglaube spiegelte sich in Vladimirs Zügen. „Du?! Vanessa?!“, ächzte er, in den letzten Atemzügen seines zweiten Lebens. Das war also der Agent. Der Maulwurf, der die Vampire beobachten sollte. Azrael war von Anfang an klar gewesen, dass er in den eigenen Reihen sitzen musste. Um eine dauerhafte Wanze anzubringen musste diese schon eine gewisse Unsterblichkeit besitzen. Die höher stehenden Vampire erteilten den niederen bloß Befehle und die schwächeren, die die Befehle bekamen, starben eher weg, also musste es ein Ranghohes Mitglied sein. Alles andere machte keinen Sinn. „Wieso?“ Azrael genoss die Leiden seines Feindes. Die Verräterin würdigte ihn keines Blickes. Sie schritt zielgenau auf seinen Schreibtisch zu. „Ich bin es leid, mich im Schatten zu verstecken. Ich bin es leid in diesem schwächlichen Körper vor mich hinzuvegetieren. Aber Azrael versprach mir Macht. Die Macht am Tage zu wandeln. Die wahre Unsterblichkeit.“ Sie ging an den Schreibtisch vorbei, zu einem Bild, welches einem Sonnenaufgang zeigte. Hinter dem Bild verbarg sich ein Tresor. „Man sagt immer, wir wären unsterblich, doch in Wirklichkeit haben wir nur ewige Jugend. Bei Sonnenaufgang verbrennen wir zu Asche. Die Rebellion gegen unsere einstigen Meister war ein großer Fehler, sie verfluchten uns. Sie lehrten uns das Fürchten. Aber ich mag nicht mehr. Ich will keine Angst mehr vor dem Tageslicht haben. Ich will zum ersten Mal in meinem Leben die Sonne sehen und auf meiner Haut spüren.“ Sie gab den Zahlencode ein und öffnete das Fach. Ächzend holte sie ein großes Breitschwert heraus, an dessen Griff eine Klingenkette befestigt war. Sie stöhnte und hatte Probleme das Schwert überhaupt zu heben, aber trotz dieser Schwierigkeiten übergab sie es Azrael. Der schwang das Schwert wie einen Ast. Ja das war Caedes. Lieblich schlang sich das Ende der Klingenkette um seinen Oberarm. Azrael sog genüsslich die Luft durch die Zähne, als sich die Kette in seinem Oberarm verbiss und wieder mit ihm verschmolz. Jetzt würde die beiden nichts mehr trennen können. Aber etwas störte Azrael an der Klinge. Die Runen! Sie bluteten nicht! Stattdessen glühten sie nur blutrot. Also wirken die Handschellen auf das Schwert. Na ja, was soll´s. Das wird auch nicht ewig anhalten, dachte er. Der Todesengel blickte zu seinen Feind hinab und sah, wie der letzte Lebensfunke aus ihm wich. Er starb in dem Wissen versagt zu haben. Azrael wandte sich an Vanessa. „Dafür wirst du deine Belohnung erhalten. Bald.“

„Wer bist du?“, fragte Dark. „Ich bin der, der deine Seele verschlingen wird.“ Na toll, dachte Dark. Schon wieder einer der meine Seele will. Wieso will sie jedes gottverdammte Monster haben? Das Wesen materialisierte eine blaue Geisterklinge in seiner Hand. „Mein Name ist Ghost. Und deine Seele wird mir helfen, mein Schicksal zu erfüllen.“ Was für ein interessantes Exemplar. Zur einen Hälfte Geist zur anderen Vampir. Das muss eines der Experimente sein, die in der Rebellion unserer Sklaven eingesetzt wurden. „Du trägst einen Dämon in dir.“, bemerkte Ghost. „Du kannst ihn hören?“ Dark war noch nie jemanden begegnet, der Baal hören konnte. „Nein, ich sehe wie er sich an deiner Seele festgesaugt hat und sie langsam verzehrt. Einem Blutegel nicht unähnlich.“ Blutegel?! Dark, wir müssen diesen Kerl auf jeden Fall platt machen. Blutegel, also hat man sowas schon mal gehört. Dark hörte nicht auf den empörten Dämon. Er zog sein Messer und machte sich bereit. Ghost verlor auch keine weitere Zeit. Er setzte zu einem kurzen Sprint an. Seine Klinge war bereit Dark zu durchbohren. Dark sprang aus dem Stand über Ghost hinweg. Die Geisterklinge traf ins Leere. Wieder am Boden drehte sich Dark blitzschnell um. Das Messer zielte auf die Kehle seines Gegners, doch anstatt sie aufzuschlitzen, wurde das Messer von der Geisterklinge pariert. Ungläubig sah Dark, wie seine Waffe in tausend Teile zersprang. Wütend schmiss er den übriggebliebenen Griff nach dem Geist. Der Griff flog durch seinen Körper wie durch blauen Rauch. „Netter Versuch, aber zwecklos.“ Dark versuchte das Wesen zu erwürgen, doch wieder verwandelte es sich in blauen Rauch. Das bringt nichts, er ist ein Geist. Eine Seele ohne Körper. Dark brachte Baals Bemerkung auf eine Idee. Die Distanz war zu klein, für sein Vorhaben, also machte er einen kurzen Sprung nach hinten, um sie zu vergrößern. Dark tat etwas was er bisher noch nie gemacht hatte. Überheblich zeigte er dem Geist seine linke Hand, mit dem Handschuh daran. „Was soll das?“, fragte er. Dark schloss die Augen und konzentrierte sich. Wenn seine neuen Kräfte die Macht Baals beeinflussen konnten, warum sollten sie es auch nicht mit dem Schlund machen können. Er zog den Handschuh aus. Sofort war der Schlund wieder aktiv. Es war ein Maul mit mehreren Reihen spitzer Reißzähne, das in Darks linker Handinnenfläche saß. Sein Sog erzeugte einen Strudel und zerrte an der Seele des Jungen. Er hielt den Schlund direkt auf Ghost. „Was? Nein!“ Er krallte sich in den Boden. Der Sog wurde stärker. Obwohl Dark den Schlund von sich hielt, zerrte er seine Seele weiter in den Strudel. Der Junge musste verhindern, dass sie mit eingesogen wurde. Sein linker Arm konnte dem Druck nicht mehr standhalten und richtete sich langsam auf Dark. Schnell packte der rechte Arm den linken und streckte ihn wieder von sich. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Der Geist begann sich langsam vom Boden zu lösen. Er wurde vom Sog erfasst und vom Schlund verschlungen. Dark setzte jetzt seine Kraft frei, um den Schlund für einen kurzen Augenblick zu schließen. Langsam und wiederstrebend schloss sich das gierige Maul. Schnell zog sich Dark wieder den Handschuh an. Er rieb sich den Schweiß von der Stirn und stöhnte erleichtert. Kaum war aber der Handschuh wieder dran, durchzuckte ihn ein gleißender Schmerz. Sein linker Arm wand sich wie toll. In seiner Hand tauchte eine blaue Geisterklinge auf. Der Arm hatte auf einmal seinen eigenen Willen und wollte Dark umbringen. Die Klinge verpasste seinen Hals um Haaresbreite. Na wirst du wohl, brüllte Baal den Arm an. Der Arm wurde langsamer und ruhiger. Die Klinge färbte sich tiefschwarz. Herzlichen Glückwunsch, du hast eine Geisterklinge. Natürlich hättest du sie ohne mich nie bekommen. Dark betrachtete die Klinge genauer und versuchte sich nicht vorzustellen, wie sein Leben ohne Baal verlaufen wäre. Er löste das Schwert auf, materialisierte es erneut und löste es wieder auf. Nun hatte er eine neue Waffe. Was er wohl alles damit anstellen konnte? Aber jetzt musste er erst einmal das schwarzgekleidete Wesen finden. Er hatte schon viel zu viel Zeit verplempert.

Die vier folgten der Straße, ohne Richtung oder Ziel. Lucy ging zielstrebig voraus. Dahinter kam Mark. Den Schluss bildeten Leonardo und Sam. Auf der Straße standen überall Autos. Die Menschen schienen sie verlassen zu haben. Lucy machte ihnen keinen Vorwurf. Jeder floh aus der verrücktgewordenen Stadt. Einzig das Militär und ein paar Verrückte blieben. Mark beschleunigte seinen Schritt, um mit Lucy unter vier Augen zu reden. „Was machen wir jetzt?“ „Keine Ahnung.“, antwortete Lucy ehrlich. „Keine Ahnung? Soll das heißen, dass wir hier einfach nur umherirren?“ „Nicht ganz. Ich verlasse mich auf unser Glück.“ Marks erstaunen kannte mal wieder keine Grenzen. „Glück? Das wird ja immer besser.“ Lucy ignorierte seinen Sarkasmus. „Sonst noch was?“ Mark stöhnte. „Du willst ja, dass ich diese blöde Reise dokumentiere, dafür brauche ich etwas Background. Also erzähl etwas über dich, damit wir hier die Zeit totschlagen können.“ Lucy legte die Stirn in Falten. „Wo soll ich da anfangen? Ah ja, ich bin ein Engel der dritten Sphäre, also des dritten Ranges. Und ich werde immer als Vertreterin des Himmels zur Erde gesandt, um die Menschheit zu beschützen.“, sagte sie mit theatralischen Unterton. „Einfach erklärt, wenn die Kacke gewaltig am Dampfen ist, werde ich zu euch geschickt, um den Tag zu retten. Was noch?“ „Wie sieht es mit den anderen Engeln aus? Die sind doch sicher gewaltig stolz auf dich.“ „Pah! Die verachten mich. Mein Job bringt es mit sich, dass ich mit allerlei Scheiße in Berührung komme und die feineren Engel haben Angst davor, schmutzig zu werden. Wenn im Himmel darauf gewettet würde, wer als nächstes zur Hölle fährt, wäre es der, der bei einer Apokalypse zur Erde geschickt wird.“ „Also, werden keine weiteren Engel geschickt.“, sagte Mark missmutig. „Nein. Früher haben wir immer eine Armee losgeschickt, die vom Erzengel Lucifer persönlich angeführt wurde, den Rest kennst du ja. Es gab eine Rebellion. Lucifer und seine Anhänger wurden bestraft und verbannt. Blah Blah Blah. Jedenfalls wurden wir danach nur noch einzeln auf die Menschenwelt geschickt. Ich will dir nichts vormachen. Jeder, der den Job vor mir gemacht hat, ist „Gefallen“. Mir wird es wahrscheinlich nicht anders ergehen. Aber bis jetzt halte ich immer noch am längsten durch.“ „Wie oft musstest du deinen „Job“ schon machen.“ „Sieben mal, dieses Mal nicht mitgerechnet. Wer weiß schon, ob ich es diesmal wieder schaffe. Und wir Engel greifen auch nicht in jede Apokalypse ein. Aber manchmal findet sich nun mal kein Dummer dafür. Da fällt mir gerade ein, dass ich noch etwas für dich habe.“ Lucy griff unter ihren Mantel und holte ein Fernglas hervor. Sie hielt es Mark lächelnd hin. „Hiermit ernenne ich dich zum Beobachter, Historiker und Huhn-in-Not-Opfer des Lucy-Teams.“ „Was für eine Ehre.“ Marks Stimme triefte vor Sarkasmus. Er entriss Lucy das Fernglass und betrachtete es mit misstrauischen Blicken. Plötzlich riss er empört seine Augen auf. „Moment mal! Soll das heißen, dass ich immer den Lockvogel abgeben muss?“ Lucy blieb gelassen. „Kannst du auch mal etwas anderes, als nur stöhnen?“ „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“, brüllte Mark. Die anderen begannen schon die beiden komisch anzusehen. Wahrscheinlich dachten sie, dass etwas zwischen ihnen lief. Aber das war Lucy egal, sie hatte dafür etwas anderes bemerkt. Sie machte ein Zeichen, um den anderen zu bedeuten anzuhalten und leise zu sein. Vor ihnen stand ein einzelner Soldat, er zitterte am ganzen Leib. Nervös zielte er blindlings mit seiner Waffe umher. Überall um ihn herum war Blut, aber keine Leichen. Es musste ein wahres Massaker gewesen sein. „Hey! Alles in Ordnung?“ Der Soldat drehte sich hastig zu ihnen um. Lucy griff zu ihrer Waffe, auch Sam und Leonardo machten sich bereit wenn nötig anzugreifen, nur Mark machte einen Schritt zurück. „Wo? … Wo … ist sie?“, stammelte der Soldat. „Wer?“, fragte Sam. „Diese Frau!“, schrie der Mann. Er war außer sich. „Grün … Grüner Nebel zog auf. So … So etwas hatte ich noch nie gesehen. Sie … sie war plötzlich da. Meine Kameraden … wo sind sie?“ Lucy ging ein paar Schritte nach vorne. „Diese Frau … saß sie auf einer Hyäne?“ Der Mann blickte durch sie durch. Er schien sie nicht wahrzunehmen. Plötzlich sah er den Engel direkt an und riss die Augen auf. „Du! Du hast meine Kameraden getötet! Verrecke Hure!“, kreischte er und zielte mit der Waffe auf den Engel. Lucy zog ihre Pistole und schoss dem Soldaten in den Kopf. Er explodierte und der Leichnam fiel zu Boden. „Was war denn mit dem los?“, fragte Mark. „Erinnerst du dich noch an die Reiter, die ich erwähnt hatte? Das war eine von ihnen. Wahnsinn. Ich brauche wohl nicht zu erklären, warum sie so heißt. Wahrscheinlich ist dieser arme Kerl verrückt geworden und hat mich mit ihr verwechselt. Wäre nicht das erste Mal.“ Auf den komischen Blick von Mark sagte sie bloß: „Was ist?“ Plötzlich zog grüner Nebel auf. „Wir sollten machen, dass wir von hier weg kommen.“ Lucy ging zurück in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. „Wieso sollen wir den Kampf so schnell aufgeben?“, fragte Leonardo. „Das hier ist das Gebiet der Reiterin. Jeder der zu lange hierbleibt wird wahnsinnig. Also macht schon.“ Lucy schritt hastig weiter. Abrupt blieb sie stehen. Da war ein unendlich tiefer, schwarzer Abgrund vor ihr. Sie musste die anderen zurückhalten, damit sie nicht reinfielen. Der Abgrund füllte die gesamte Breite der Straße aus. „Wow, dass ist wahrscheinlich das tiefste Loch, dass ich je gesehen habe. Wie tief das wohl ist?“, fragte Sam. „Leute ich weiß zwar nicht, wie tief es ist oder wo es hinführt“, Lucy legte ihren Arm um Marks Schulter. „aber ich danke dir Mark, dass du es für uns herausfinden wirst.“ Sie schubste das Huhn-in-Not-Opfer, welches zu spät realisierte, was der Engel gerade gesagt hatte, in den Abgrund. „Waaaaaaaaahhhhhhhhhhhhh“, schrie er, während ihn die schwarze Tiefe verschluckte. „Wieso hast du das gemacht?“, fragte Leonardo. „Ach, weißt du“, meinte Lucy. „nur so.“Er schrie und schrie. „Wow, das ist echt tief.“, meinte Sam. Das Schreien hörte auf, nur damit es kurz darauf wieder begann. „Ihm ist wohl kurzzeitig die Luft ausgegangen.“, bemerkte Leonardo. Das Schreien wurde leiser und klang entfernter. Dann wurde es wieder lauter und schien direkt über ihnen zu sein. Auf einmal hörte man ein Plumpsen. Das Schreien hörte auf. Es kam von irgendwo hinter ihnen. Es war Mark. Der Journalist stemmte sich stöhnend und ächzend in die Höhe. Er gab nur ein paar wütende, nicht erkennbare Laute von sich. „Ich weiß“, sagte Lucy. „Als ich damals in mein erstes Loch gestürzt bin, habe ich genauso reagiert, aber das legt sich wieder.“ Sam beugte sich neugierig nach vorne. „Und? Was hast du gesehen?“ Mark tobte noch ein Weilchen weiter, ehe er lauthals Ausatmete und sagte: „Glaub mir, du willst es nicht wissen. Du … willst es nicht wissen.“ Damit schien sich Sam zufrieden zu geben. So verließ die Gruppe das Terrain der Reiterin oder versuchte es zumindest.

Einsam und verlassen lag der Leichnam des Soldaten, den Lucy getötet hatte vor sich hin. Sein Funkgerät funktionierte noch. „An alle Einheiten. Code Red. Wiederhole. Code Red. Alle verfügbaren Streitkräfte sollen sofort die Stadt verlassen, bevor sie evakuiert wird. Wiederhole. Die Stadt sofort verlassen.“ Das Funkgerät stöhnte. „Ich hoffe, dass da draußen irgendeiner von euch Bastarden noch lebt.“

In der Stadt herrschte der Sturm des Krieges. Zombies töteten Menschen. Dämonen töteten Menschen und Zombies. Über all dem Stand der alte Mann und zog die Fäden. Er sah, wie die Helden und Ungeheuer das taten, was er vorhergesehen hatte. Er sah, wie sich Flugdämonen auf die Zombies stürzten und sie mit ihren Zähnen und Krallen zu blutigen Klumpen Fleisch zerfetzten. Die Anhänger von Azraels Totenkult warfen sich in die Schlacht und wurden Reihenweise abgeschlachtet. Der alte Mann verstand sie einfach nicht. Warum taten sie das? Warum gingen sie wie die Lämmer zur Schlachtbank? Ihre Religion war schon eine Klasse für sich. Die meisten Soldaten der Menschen waren bereits tot. Und die, die es nicht waren, zogen sich zurück, ehe die Stadt abgeriegelt wurde. Alles verlief nach Plan. Die Macht der Teufelstitanen würde ihm gehören, das war gewiss.


Fortsetzung folgt...


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