Bleichgeschminkt wie eine Mandarine (Gattin des Mandarins) beobachte ich am Strand der Gestrandeten eine Umweltkatastrophe von meinem Nirgendwo aus. Dabei platzt mir vor Abscheu der Kragen.

Nichts stürzt sich gerade riesig, aus heiterem Himmel auf eine Mehrjungfrau! Sie ruft steinerweichend um Hilfe. Dabei erreicht ihre Stimme eine Sirenen-Frequenz, bei der sämtliche Flaschen in meiner Umgebung vor Neid platzen. Dicht neben mir explodiert z.B.: ein Oberlehrer der hiesigen Grunz-Schule. Einige Schritte weiter zerbersten die Birnen der Vorgesetzten einer Leuchtmittel-Obstschale-Fabrik und dort oben, im Leuchtturm, schmeißt, der schrillen Töne wegen wahnsinnig geworden, der Leuchtturmwärter sein Glasauge zum Fenster hinaus.

Inzwischen benutzt das riesige Nichts – zum Benutzer geworden – die arme Mehrjungfrau als Glitschzeug zum Spielen…oder als Spielzeug zum Glitschen. Immer wieder entgleitet sie seinem (wie sie meint) versierten Benutzergriff, wobei sie, glitschiger als ein Glattaal, zu zittern beginnt. Ihre Zitterintervalle verteilen jetzt auch noch elektrische Schläge auf den Benutzer, dem Nichts aus dem Nichts, auf meinen geplatzten Kragen, der hilflos am Boden liegt, sie durchdringen den Leichnam des Grunz-Schullehrers und sie fegen peitschenartig in die tiefliegenden Wolken über dem Plätscherwasser am Gestrandeten-Strand, das sich – aufgewühlt wie es heute ist – gut zum Weitwurf von Verstandeszwergen eignen würde. Es brächte sie alle sofort zurück – wie der Mars die verbrauchte Energie, oder wie der Blödsinn das wirkliche Leben.

Warum mir immer das Wort „Kerzenwachs“ einfällt weiß ich jetzt auch nicht. Vielleicht, weil ich gerne ein altes, vorzeitliches Ritual zur angewandten Anbetung von Stockfischen anwenden würde (sie wurden zu Tabernakeln gewachst)?

Die Mehrjungfrau wirkt auf mich so fischfrisch wie Frischfisch, allerdings noch vielmehr unbenutzt und im Gebrauch ihrer Abwehrmechanismen so unbekümmert wie ein stupides Scheusal aus Schilda. "Was sind das bloß für Streiche?!", geht es mir durch den Knall-Kopf? Hat sie denn Nichts aus dem Ur-Wald-Zustand herbeigerufen, durch das Kämmen ihres wundervoll üppigen Haupt-Haars? Ließ sie denn nicht alle Herzen wie Glas zerspringen, noch bevor sie auf Nichts traf, den Obergrunzlehrer zerstörte, mit ihrem himmlisch-höllischen Sirenen-Singsang, der an das Aneinanderreiben von feinmaschigen Netzen erinnert?

So langsam bekomme ich Mitleid mit Nichts, dem Benutzer, der sich jetzt gänzlich an das Halbfisch-Halbmädchen-Wesen verschwendet, nichtachtend des schuppigen Unterleibes, ignorierend das eigene, gebrochene Glasherz und heldenhaft absorbierend die elektrischen Schläge, entstanden im süßen Glitsch seines Schein-Opfers.

„Ooooohh-aaahhh-iiiich-bin die-Benuuutzteee“, grölt nun das Fabelwesen, während es weiter vor sich hin meuchelt, fuchtelt, um sich schlägt, mit seinen Fuchteln umarmt, ja schier erdrückt, was ihm in den Schoß fällt und mit Füßen tritt, die es an nichtvorhandenen Beinen nicht hat, nicht haben dürfte, da es ja eine Mehrjungfrau ist, sie aber anwendet, als sei sie nicht der Anschein eines zarten Etwas, sondern ein zartfreier Elefant im rüpelhaft sortierten Porzellanladen, ein berüsseltes Trampeltier oder ein trampelndes Rüsseltier also – das aus den schrillsten Angstträumen ganz schwarzer Seelen entstand.

Ich bin immer noch außer mir, denn in mir ist kein Platz. Ausgefüllt bin ich mit einer einzigen Frage: Wer, in Dingsbumsens Namen, ist hier eigentlich der Benutzer/ die Benutzte?

Und da gibt man es mir zu erkennen…
Es ist eine Kopfgeburt, die schuld ist an allem! Sie ist nicht wirklich vorhanden, doch sie wird immer wieder gesichtet in virtuellen Räumen und imaginären Zeiten, die ebenso körper- wie rücksichtslos sind und sich allein in der Interpretation verbergen, die Böses aus der Sicht des Bösen erklärt. Irgendwann früher, zwischen Epochen oder auch Jahren, wurde sie als etwas Gutes aus der Sicht des Guten geschildert. Aber das ist eben Ansichtssache und das macht weder geplatzte Grunz-Schullehrer, noch elektrisierte Krägen, am allerwenigsten aber kaputte Birnen wieder lebendig, respektive genießbar.

Also verliere ich wieder (gerötet) an Blässe, entferne mich von den Mandarinen der Welt, wende mich goldigen Pampel-Musen zu und werfe meine Angel weit nach den Zwergen aus, die sich noch auf den Wellen zwischen den Inselchen der Seligen herumtreiben.

Heute Abend wird es völlig ungewürzte Kerzenwachssuppe geben, umweltkatasrophenartig zubereitet. Die teile ich dann mit meinem Teddykragen-Bären im Nirgendwo.


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Vorübergehende Euphorien (surreal)"

Re: Vorübergehende Euphorien (surreal)

Autor: noé   Datum: 25.10.2014 0:38 Uhr

Kommentar: Einfach sur-real ...
noé

Re: Vorübergehende Euphorien (surreal)

Autor: Uwe   Datum: 25.10.2014 0:40 Uhr

Kommentar: Tscha. Würd´ schon gern was dazu schreiben, aber mein Interesse daran, mich öffentlich zu blamieren, ist heute ausnahmsweise nicht ausgeprägt genug.
u.

Re: Vorübergehende Euphorien (surreal)

Autor: possum   Datum: 25.10.2014 0:49 Uhr

Kommentar: ...ohne Worte lieber Alf ... LG!

Re: Vorübergehende Euphorien (surreal)

Autor: Alf Glocker   Datum: 25.10.2014 10:18 Uhr

Kommentar: :-)))

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