Wie es so meine Art ist, döse ich wieder mal dämlich vor mich hin. Zwar nenne ich es „Denken“, da dieser Vorgang jedoch im Unterland weitgehend unbekannt ist, lasse ich auch die Bezeichnung „Dösen“ dafür gelten.

Ich bin also ein Döskopp, manche sehen mich auch als „Dickschädel“. Den meisten bin ich, wie ich eben bin, ganz einfach zuwider, und viele fühlen sich aufgerufen, mich zu belehren, mir den Weg zum wahren Leben, zum Erfolg, zum guten Glauben, usw. zu zeigen. Ja, sogar mein eigener Körper versucht das!

Immer wenn ich gerade nicht wirklich da bin, ruft er mir zu: „Komm zu dir!“ Mein Mensch ist sehr penetrant. Ich weiß, er wird keine Ruhe geben. Deshalb antworte ich ihm – wenn auch mit einer Frage: „Zu wem?“ Aber lässt nicht locker. „Das Leben ist bunt und vielfältig“. „Soso“, sage ich, doch dann besinne ich mich. „Ja, stimmt, gestern war ich blau! Das ist zumindest einfältig, aber ein paar Einfältige auf einem Haufen sind ja auch schon eine gewisse Abwechslung, denn wo 2 oder 3 in heiliger Einfalt versammelt sind…

Aus einer höheren Region höre ich ein teuflisches Lachen. Ich lache auch, mein Mensch lacht gleich mit. Ich weiß zwar nicht warum, aber ich muss ihn ja nicht immer verstehen. Er tut sowieso was er will. Seit ich (wer?) mit ihm zusammen bin habe ich nur Schwierigkeiten. Trotzdem kann ich ihm einfach nicht böse sein – schließlich tut er alles mit Absicht! Die Verantwortung dafür übernehme dann ich (wer?). Das gehört sich so, ist mir zu Ohren gekommen.

Er, mein Mensch, geht zwar nicht unbedingt davon aus – er handelt nur wie er handelt, weil er handelt wie er handeln kann – denn er hält sich für einen Glückspilz, der machen darf was er will, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Und für charmant hält er sich noch dazu. Das andere Geschlecht liegt ihm zu Füßen, glaubt er. Das ist manchmal sehr peinlich, denn erstens kann ich ihm in seinem Begehren nicht immer folgen und zweitens habe ich nicht immer Lust die Folgen zu tragen. Die Seele gerät, mit Leidenschaft, immer in Mitleidenschaft.

Ich möchte mir aber schlichtweg nichts ausdenken um an das Fleisch zu ran zu kommen. Auch ein sogenannter „Brainfuck“ interessiert mich nicht, und um das Phänomen „Soulmate“ zu erleben, müsste ich erst einmal auf eine intakte Seele treffen. Ihn, meinen Menschen, stört das überhaupt nicht. Wo das Fleisch passt, da interpretiert er einfach eine schöne Seele hinein und er findet auch gleich eine ganze Menge voll improvisierter Übereinstimmungen, die aus seiner Sicht ausreichend sind für „Harmonie und dergleichen“. Mich versetzt das meistens in helle Aufregung um nicht „in Panik“ zu sagen.

„Da stehst du nicht in deiner Mitte“, argumentiert er, während er versucht mir Ansatzpunkte für Gedankenreihen vorzugeben, deren Ursachen – wie ich sofort erkenne – rein im Instinktbereich begründet liegen. Und ich antworte: „Du hast recht, ich stehe nicht in Deiner Mitte!“ „Wo bist du demnächst überhaupt?“ bohrt er weiter. Ich sage „Hier, empfindest du mich denn nicht?“ Da wird er frech. „Glaubst du es interessiert mich dich zu `empfinden`, wie du meinst, wenn du dich andauernd quer legst? Ich habe hier eine Aufgabe, ich will lieben, es zu etwas bringen, mich fortpflanzen, jemand sein!“

Ich schüttle mich vor Lachen. „Wer bist du denn?“ „Der, für den ich mich halte“, kommt es zurück. „Ach, halt’s Maul“, brülle ich ihn gedanklich an, wobei ich in den Spiegel blicke um seine Reaktion darauf zu beobachten. „Du denkst wohl, wenn du dir lange genug was einbildest, dann wird das auch so wie du es haben möchtest?! Einen größeren Blödsinn höre ich nicht unbedingt täglich! Was ich höre, ist zwar alles höchstamüsant, aber dein Witz grade war besonders gut“. „Nicht von schlechten Eltern“, kontert er.

„Nun werd‘ nicht auch noch rassistisch“, ermahne ich ihn, es, die Gesamtheit dessen was meine Seele umgibt, meinen Menschen, der offensichtlich immer noch nach, ihm schmeichelnden, Erklärungen für sein Dasein sucht. „Klar, unsere Eltern waren klug und tüchtig, warum sollten wir das nicht geerbt haben?!“ „Ich habe gar nichts geerbt, weil ich mit dir nicht das Geringste zu tun habe“, behaupte ich. Da gerät er außer sich: „Was glaubst du eigentlich wie ich mit meinem, sprich deinem Leben klar kommen soll, wenn du fortwährend an uns zweifelst. So geht das nicht!“

„Dann glaub doch an dich, aber lass mich damit in Ruhe“, verteidige ich mich und füge gleich noch eine boshafte Bemerkung hinzu. „Bei Leuten wie dir kommt mir immer in den Sinn, daß 8 Milliarden von deiner Sorte genügen, um die Welt kahl zu fressen, wie es die Heuschrecken tun, wie Maden einen lebendigen Körper aushöhlen, oder die Bewohner der Osterinsel ihr Paradies verwüsteten. Dir sollte lieber im Traum nicht einfallen, du würdest so etwas wie `Verantwortung` übernehmen, wenn es dir gelingt dich selbst am Leben zu erhalten, oder gar größere Gewinne zu machen. Praktisches Denken und Handeln ist kurioserweise, seit Menschengedenken, grundsätzlich zerstörerisch und endet im Chaos – es sei denn es orientierte sich an einer nahezu selbstzerstörerischen Gewissenhaftigkeit! Und wer übernimmt dann die Verantwortung, wenn sich das wieder mal heraus gestellt hat?“

„Du!““

„Das könnte dir so passen, du Depp! Ich werde dich solange hinterfragen, bis dir deine sämtlichen Flausen vergangen sind!“

„Und dich dabei um deine Lebensgrundlage bringen?“

„Was ist denn besser – Freundchen - , mit allen zusammen für eine fremde Sache vor die Hunde gehen, nur weil angeblich alle zusammen so unsagbar klug sind, oder für sich selbst eine ehrliche Entscheidung ermitteln und daran verrecken? Ich meine, man käme damit ganz plötzlich überraschend auf sehr viele Übereistimmungen“.

„Komm zu dir!“ höre ich, und ich antworte: „Das Leben ist bunt, vielfältig und gut!“ „Zu wem?“ fragt mein Mensch. Dann fügt er hinzu: „Das stimmt, gestern zumindest war ich blau, das ist zumindest einfältig, aber die Summe der Einfältigen ergibt ja auch eine gewisse Vielfalt“.

Ich resigniere, blicke voller Hoffnung in die Zukunft und weiß, daß wir uns nie verstehen werden.


© Alf Glocker


3 Lesern gefällt dieser Text.




Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Döskopp"

Re: Döskopp

Autor: possum   Datum: 30.09.2014 3:38 Uhr

Kommentar: Mir fehlen die Worte, wie solche Zeilen in einer so prima hingelegten Story ein Erstaunen hervorrufen! Danke dir ...!!!

Re: Döskopp

Autor: Alf Glocker   Datum: 30.09.2014 6:41 Uhr

Kommentar: Ich danke!
LG

Kommentar schreiben zu "Döskopp"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.