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Langsam, einen Fuß vor den anderen setzend, wagte ich mich in diese verquere Szenerie hinein.
Es waren nur einige Minuten vergangen, da stand ich noch Kunst-erheischend in einer neu eröffneten Galerie, betrachtete diverse mittelschlechte Abstraktionen und gähnte herzerweichend ob der Einfallslosigkeit mancher sogenannter Künstler. Als mir schon beinahe die Augenlider über den Boden schleiften, bemerkte ich ein kurzes Aufflackern im hinteren Teil des ansonsten weiß-sterilen Raums, der, wären die "Gemälde" nicht gewesen, auch ein Krankenhaus hätte sein können. Auf jeden Fall war meine Neugierde gerade soweit geweckt worden, daß ich mich auf das schwache Leuchten hinbewegte...irgendwie grotesk, mir kam der Gedanke, ich sei eine träge Motte, die auf das Dunkel am Ende des Bruzel-Lichts zusteuerte. Ich musste unweigerlich schmunzeln.
Unvermittelt gelangte ich ans Ende der Galerie und lugte um die Ecke. Was sich meinen nun wachen Augen eröffnete war an Surrealität kaum zu überbieten - und ich war überzeugter, beinahe schon militanter Realist. Deshalb traute ich zuerst meinen eigenen Augen nicht, um danach das selbe über meinen Verstand zu behaupten...

Es bot sich folgendes Bild:
ein ältlich wirkender Mann in mittelalterlicher Garderobe stand vor einem mindestens ebenso "jungen" Bild und schwang den Rosshaarpinsel wie Karajan den Taktstock bei einem seiner großen Auftritte. Nun, DAS war ja noch annehmbar, es konnte sich ja um irgendeine Performance handeln, die sich die Organisatoren zur Neueröffnung ausgedacht hatten. Wäre da nicht dieser gewisse, ja wie sollte man dies ausdrücken, Zauber gewesen. Wie erwähnt dirigierte dieser alt Mann, das hieß in meinem Verständnis: er fuchtelte wie verrückt mit dem Pinsel über die Staffelei, tunkte sein Malgerät regelmäßig in die Farbpalette und bespritzte die Leinwand aufs Neue. Und wo mir die Kinnlade herunterklappte waren die Stellen, an denen sich die scheinbar wild verbreiteten Farbspritzer zu einem richtigen Bild vereinten, welches nach und nach die Konturen eines jener Großmeister aufwies.

Was geschah hier? Das konnte unmöglich ein Kind meiner gelobten Realität sein! Ich wusste, daß ich keine Tabletten zu mir nahm, deshalb verwarf ich diese Frage sogleich. Erschrocken drehte ich mich um, denn mir war, als stünden weitere Beobachter hinter mir und hielten den Atem zum Zerreißen gespannt an. Doch scheinbar irrte ich, keine Menschenseele hatte den Weg hierher eingeschlagen gehabt. Sonderbarerweise kam mir die Galerie auch etwas verändert vor...so ziemlich stark verändert sogar. Wo vorhin Weiß auf Weiß war, unterbrochen von tragischen Schicksalen kreativarmer Pinselschmierer, war auf einmal nichts dergleichen zu sehen. Die Wände waren einer verhärmten Holzvertäfelung gewichen, die spärliche Einrichtung war liebevoll von einer dicken Staubschicht zugedeckt und man erkannte somit auf Anhieb, welche Bereiche und Dinge genutzt wurden. Also ein wackeliger Stuhl mit brüchigen Armlehnen, der dazugehörige Freund Tisch, der eine zur Hälfte abgebrannte Sturmkerze in Messinghalterung beherbergte und daneben ein großes, geöffnetes Lederbuch plus Federkiel und Tintenfass.

Ich rieb mir die Augen bis die Tränen kamen, drehte mich dabei wieder zur Ecke und ach... der Alte malte immer noch. Und wie! Das Bild zeigte Anzeichen einer epischen Schlacht oder war es ein heroisches Göttergeschlecht, welches er auf das Leinen bannen wollte? So genau wiederum konnte ich es doch nicht erkennen. Aufgrund dem was sich mir hier bot musste ich aufpassen, daß ich nicht zu lange den Atem anhielt. Auch bewegen oder sonst irgendeine Regung wollte ich nicht tun. Um nichts in der Welt sollte der Meister von mir gestört werden. Waren denn schon meine Sinne und Synapsen vernebelt? Wenn diese Situation gerade nicht direkt vor meiner Augen Schärfe ablief und ich nicht hellwach gewesen wäre, ich würde mich posthum einliefern lassen, soviel war sicher.

Es schien, als sei eine Ewigkeit durch diesen staubigen alten Raum geschlichen, und endlich war der alte Mann mit seinem Meisterwerk fertig. Gebeugt schlurfte er einige Schritte von der Staffelei weg, reckte sich ein wenig und richtete sich unvermittelt zu seiner vollen Größe auf. Ich staunte nicht schlecht. War er jünger geworden? Wie war das nun wieder möglich? Aber doch, die grau-weiße Haareskrone gab es nicht mehr. An deren statt wallte schwarzes Lockenhaar bis zu einer kräftig gebauten Schulter. So stand er aufrecht vor seinem Gemälde und von der Seite her erkannte ich, wie ein zufriedenes Lächeln seine markanten Gesichtszüge umspielte. Mein Blick streifte das Bild: es handelte sich tatsächlich um eine heroische Schlacht im Irgendwo. Scheinbar fehlte kein noch so kleines Detail, was ich jedoch nur vermutete. Es war ein meisterliches Werk form- und kunstvollendeter Malerei. Instinktiv und unbewusst begann ich zu klatschen...

... erschrocken drehte sich der Meister zu mir, in seinen Augen kämpften Ungläubigkeit, Angst, Neugierde und vielerlei anderes um die Vorherrschaft. Auch mein Körper regte sich kein bisschen mehr, der Atem war schon lange nicht mehr aus meinen Lungen gewichen. Wiederum kam es mir vor, als sei es eine Ewigkeit, in der wir uns anblickten. Dann, plötzlich, sehr schnell und ohne ein Wort zu verlieren, nahm dieser Mensch seine Malerutensielen, sprang in die Leinwand...und war darin sodann verschwunden! Dieser Moment drohte mich einer Ohnmacht zuzuführen. Ich musste meine Augen schließen. Das war zu viel des surrealen.

"He! Sie, sind sie taub?" eine harsche Stimme weckte mich aprupt und ohne Vorwarnung aus meiner Starre.
Wie in Trance öffnete ich meine Lider. Ein kahlköpfiges Gesicht musterte mich mit zusammengekniffenen Augen von vorne, dabei wiegte es nach links und rechts. "was...was...wo...bin ich?" stotterte ich schließlich. Nach und nach klarte mein Blick auf, erkannte wieder die weißgetünchten Wände der Galerie. "Na, sie müssen ja irgendwelche Drogen genommen haben! Stehen hier wahrscheinlich schon ne ganze Weile wie? Ihnen läuft ja der Sabber runter!" - "Was war denn gerade los hier? Haben sie das auch mitbekommen?" fragte ich blöd in die Luft hinein. "Was, dass sie hier stehen und in den zu sanierenden Teil der Galerie stieren? Übrigens ist selbige gerade am schließen, ich bin der Hausmeister und schaue noch nach dem Rechten. Gerade rechtzeitig wie mir scheint, wenn ich sie so betrachte." Unfähig irgendein anderes Wort hervorzustottern schüttelte ich den Kopf, drehte mich nochmals zur Gewissheit um die eigene Achse und hielt dann auf den eigentlichen Teil der Galerie mit dem Ausgangsschild zu. Zurück blieb ein ebenfalls den Kopf schüttelnder Hausmeister, der mir noch ein "Gute Nacht!" hinterher rief. Nacht?? Tatsächlich, es war bereits 21:45, also das eigentliche Ende der Ausstellung...für heute.

Auf dem Weg nach Draußen lauerten mir die abstrakten Gemälde wie Hyänen auf. Zum Schreien häßlich und alle Sinne betäubend. Verglichen mit dem Meisterwerk, welches sich mir in die Gedanken gebrannt hatte, waren all diese "Dinger" hier nicht einmal einen kürzesten Blick wert. Und kurz darauf stand ich auf nächtlicher Straße, die, in gelblich-warmem Licht erhellt, hier in diesem Stadtteil wenig befahren war. Ruhe empfing und umfing mich und ich nahm mir vor, das gesehene Bild zu finden...oder zumindest danach zu recherchieren...

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Beschreibung des Autors zu "Magie und Malerei"

Auzug meiner Geschichte über die Fantasie der Malerei...




Kommentare zu "Magie und Malerei"

Re: Magie und Malerei

Autor: Hiram Abif   Datum: 16.09.2014 16:49 Uhr

Kommentar: Eine gekonnte Bildliche Darstellung von Langeweile.
(Was ich nicht auf den Text beziehen will.)

Re: Magie und Malerei

Autor: Homo_Ingenuus   Datum: 16.09.2014 18:29 Uhr

Kommentar: Wenn Kommentar, dann doch bitte etwas ausführlich :)
Die "Hauptperson" langweilt sich zuanfang, das ist richtig. Meinst du mit deiner Aussage diesen Part, oder wie ist deine Auffassung bezüglich des gesamten Textes zu sehen?

danke ;)
Ingenuus

Re: Magie und Malerei

Autor: Hiram Abif   Datum: 17.09.2014 15:29 Uhr

Kommentar: Ja, ich bezog mich auf den Anfang.
Sieh folgenden, ausfürhlichen, Kommentar:

Bevor der Protagonist in seine epiphanische Welt wechelt, gibt es einen Umbruch der darauf vorbereitet. Aber als subjektiv, von meinen Augenblicksempfindungen gesteuertes Konsumwesen names "Leser", empfinde ich dieses Moment als zu schwach.
Wie ist das "schwache Leuchten" in seine Umgebung eingebettet?
Wo kommt es her?
Was ist seine Quelle?
Das Leuchten an sich ist unter Umständen als Aufhänger nicht strak genug.
Das ist natürlich meine subjektive Meinung. Aber hier fehlt es ein wenig am Kontext zum Raum.

Heißt, emotional ist alles nachvollziehbar, stilistisch sind die Konturen (noch) nicht geschärft genug. (Nimm es nicht persönlich. Ich wünschte, mich würde mal jemand 'vernünftig' kritisieren.)

Sicher ist dies der Teil, in welchem das leitende Motiv aufgebaut wird. Aber, weil ich nicht weiß, was genau du mit deinem Thema vor hast, gebe ich dir einen Hinweis, der eigentlich immer funktioniert und zutrifft.
- Prüfe jeden Satz auf seinen konkreten Inhalt. Je weniger Worte du benutzt, um einen (noch so komplizierten) Sachverhalt zu beschreiben, von Personen über Räumlichkeiten bis zur Weltformel, desto griffiger wird der Text. Das ist fast ein Naturgesetz. Das gilt auch dann noch, wenn man etwas noch so aufmerksam ausformuliert hat. Es ist wie Meißeln und Schleifen.
:-)
Hiram

Re: Magie und Malerei

Autor: Homo_Ingenuus   Datum: 17.09.2014 18:14 Uhr

Kommentar: Sehr schön, vielen Dank für den ausführlichen Kommentar :) Das eröffnet mir neue Möglichkeiten des Schleifens...
Sicher, der Text hat diese und jene kleine Kante, er entstand auch ad hoc, d.b. etwas musste aus dem Kopf aufs Papier. Als es da stand, kam ich irgendwie nicht mehr so richtig dazu, eine vollständige Geschichte drumherum zu spinnen :) Was im Umkehrschluss eine Überarbeitung dieses Textes beinhalten würde.

Einfach gesagt: es ist ein Rohgerüst einer Textstelle inmitten einer Geschichte, die vage im Kopf umhergeistert, aber noch nicht greifbar ist :)


nochmals danke :)
Ingenuus

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