Seit ca. sehr vielen Jahren begleitet mich etwas Unheimliches! Ich spüre deutlich, daß es mich verfolgt. Aber darüber reden kann ich mit kaum jemandem, denn außer mir hat es anscheinend niemand bemerkt – weshalb ich mich natürlich geraume Zeit schon im Verdacht habe, verrückt geworden zu sein. Ich kann nicht beweisen, daß es da ist, aber es ist da: dieses unbestreitbare, ungreifbare, unbegreifliche Nichtwesen!

Am Morgen ist es z.B. bemerkbar als schales Gefühl! Und oft frage ich dann ganz unvermittelt, laut in leere Räume hinein „Ist da wer?“ Selbstverständlich antwortet mir niemand. Der wäre ja auch ein schlechter Agent, der sich freiwillig zu erkennen gibt (wenn da überhaupt einer ist). Da mir jedoch keiner antwortet muss ich wohl annehmen, daß ich, im Gegensatz zur überwiegenden Mehrheit spinne! Alle scheinen völlig gesund zu sein, nur ich nicht. Was ist mit mir? Werde ich nun tatsächlich verfolgt, oder bilde ich mir das einfach ein? Diese Ungewissheit macht mich wie krank!

Manchmal bekomme ich direkt Panik. In solchen Fällen übermannen mich die Fluchtgefühle und ich renne und renne. Dann suche ich verzweifelt Schutz auf irgendwelchen Allgemeinplätzen, die eine gute Übersicht nach allen Seiten ermöglichen sollen. Leider komme ich mir dabei wie auf einem Präsentierteller vor, allen Anfechtungen noch schutzloser ausgeliefert als sonst schon. Da hilft es auch nichts, wenn ich mir vorbete „Üb immer Treu und Redlichkeit“, “Arbeit macht frei“, oder „Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus“. Ich bin und bleibe bedroht! Dabei wird mein Gewissen immer schlechter. Übelkeit breitet sich aus!

Manchmal versuche ich es mit den Fremdsprachen die ich nicht kann. Sie zu improvisieren lenkt mich ein wenig ab. „I am“ sage ich trocken, vervollständige mit: I N(en) - I O(oh) - I P(pi) – IQ (IQ) - I R(er) – S – T - U usw. Doch der letztendliche Trost bleibt aus. Anstatt to be or not to be triumphiert weiter die Ungewissheit. Deshalb überprüfe ich meine Möglichkeiten. Was kann ich tun? Nichts weiter? Nachdem ich nicht in der Lage bin zu entkommen, habe ich mich auf Nachforschungen verlegt: ich suche heilige Orte auf, ich lese Parteiprogramme, ich schaue mir die Nachrichten an und mache mich mit den Arbeitsweisen von Ämtern und Gerichten vertraut. Ich gehe akribisch vor!

Überall finde ich kleinste Hinweise darauf, daß etwas oder jemand entsandt wurde mich zu überwachen? Ist da wirklich keiner beauftragt mich bloßzustellen, mich gegebenenfalls in einen Abgrund zu stoßen, bzw. mich andererseits auf die sogenannte richtige Spur zu bringen? Das studiere ich jetzt seit undenklichen Zeiten. Ich weiß nicht, ob ich ganz offiziell „studieren“ dazu sagen darf, denn ein Lehrfach ist es ja nicht. Doch, wie auch immer – ich habe keinerlei deutliche Spuren gefunden. Unmissverständliche von einer geheimen Akte, einem seltsamen Wesen, das einerseits vorhat, mich im Innersten zu erschüttern und das andererseits selbst nicht entdeckt werden möchte.

Ersatzweise habe ich mich in den Stress geflüchtet. Es handelt sich dabei um eine Beschäftigung, die für andere keine ist, da sie nichts und niemandem dient(das wird jedenfalls behauptet). Den Begriff „Dienen“ darf ich also für mich gar nicht in Anspruch nehmen, da ihn schon andere für sich gepachtet haben. Und die wollen schließlich auch noch stolz darauf sein. Also ziehe ich meine falschen Ansprüche bescheiden zurück, behaupte aber doch, daß ich, bei dem was ich „persönlichen Einsatz“ nenne, ganz besonders das Gefühl habe meinem Verfolger näher zu kommen. Das ist mir zwar unheimlich, aber ich lasse mich – aus reiner Neugierde heraus – gewähren. Vielleicht verrät sich das von mir angepeilte Zielobjekt durch einen Laut, einen gedanklichen Überfall, den ich erspüren kann, oder auch nur durch eine Ahnung, die mich unwillkürlich beschleicht.

Und so ergebe ich mich in mein Schicksal, öfter mal beschlichen zu werden, umgarnt zu sein, von den Zweifeln an der Effizeinz meines Handelns, aus dem dieses bislang unbestimmbare Gefühl von Themaverfehlung entsteht, hauptsächlich meine dubiose Person an sich betreffend. Ich bin hier nicht wo ich hin gehöre! Dies jedenfalls meine ich aus den geistigen Winden heraus zu hören, die 24 Stunden pro Tag um das Haus pfeifen – ganz leise meistens, manchmal aber auch brüllend laut. So laut, daß ich es nicht mehr aushalten kann, daß ich fliehen möchte, aus der Stadt, aus dem Land, aus der Haut! Ich bin verloren! Und ich bin selbst schuld! Ich bin die verkörperte, die fleischlich materialisierte Schuld, denn ich habe nichts getan mich und andere zu beschützen!

Alle Rauschmittel habe ich abgelehnt: den ehrlich gemeinten Zuspruch, kameradenherrliche Vereinsabende, Vaterschaften, die tiefe und unkontrollierte Liebesleidenschaft, eine Pateizugehörigkeit, den „rechten Glauben“ (welcher Couleur auch immer), so wie last not least, den blauäugigen Blick in eine erfüllende Ferne, respektive Nähe, in der ich mich, voll respektiert, wohlfühlen werde, in Ewigkeit, Amen! Und da ist sie wieder, diese Angst vor dem Nichtgebrauchtwerden. Sie kommt wie aus einer elektronischen Niedermachgedanken-Kanone geschossen und wieder einmal fühle ich mich verfolgt! Doch auf einmal kann ich erkennen, wer das ist, der mir die ungetrübte Zuversicht und den (unverdienten) Schlaf raubt. Ich staune Bauklötze im Angesicht dieses endlich aufgetanen, rücksichtslosen Einsehens! Es ist niemand Geringeres, als – die Wahrheit!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Verfolgungswahn-Sinn"

Re: Verfolgungswahn-Sinn

Autor: noé   Datum: 20.08.2014 19:05 Uhr

Kommentar: Das ist eine furchteinflößende Studie, furchteinflößend, weil sie sehr authentisch wirkt.
Selbst, wenn es am Ende die "Wahrheit" ist, die den Verfolger stellt und man doch gerade in ihr ein ungeheures Entlastungspotential erwarten darf.
Unglaublich gut, "Crazy" Brother, ich bin sehr beeindruckt...
Big Sis

Re: Verfolgungswahn-Sinn

Autor: Alf Glocker   Datum: 21.08.2014 7:18 Uhr

Kommentar: Danke lb. BiSi

CraBro Alf

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