Heute ist ein Tag wie jeder andere. Nein, heute ist ein besonders schöner Tag. Ein wunderbarer Katastrophentag! Alles läuft wie es immer lief. Ich tanze am Rand eines Abgrunds aus Stahl. Es ist, wie es ist! Unveränderbar wiederholt sich das Schicksal, als habe es vor, eine gute Note im Schulfach „Zerstörung“ zu erreichen.

Steter Tropfen höhlt den Stein – und der Stein bin natürlich ich! Ein Stein, der sich einmal für den der Weisen hielt, wie das wohl alle unverbesserlichen Steine, äh, Optimisten tun. Auch ich glaubte früher einmal daran gewissermaßen unsterblich zu sein. Auch mein Leben – das eines unverbesserlichen Optimisten – lag komplett hoffnungsfroh vor mir. Ebenso wie sämtliche Hindernisse. Aber das Leben ist groß…

Irgendwann würde es schon beginnen, dachte ich mir. Doch dabei übersah ich den Augenblick – daß das Leben aus Augenblicken besteht. Und noch etwas habe ich übersehen, etwas unendlich Wichtiges: das Schicksal bleibt immer gleich stark, während ich immer schwächer werde. Es altert, ganz im Gegensatz zu mir und allen unverbesserlichen Optimisten zum Trotz, einfach nicht. Es übersteht Zeiten um Zeiten, um zu sein, was es ist: unveränderbar!

Wir können es nur betrachten, es als Bild, als Film, als Fatamorgana, oder als Illusion ansehen – und, wir können uns fügen, wenn wir wollen. Wir können selbstverständlich auch kämpfen. Wir haben ja einen freien Willen! Aber ändern können wir es nicht. Ebenso wenig, wie es uns armen Menschenkindern gelingen kann, Vulkanausbrüche zu verhindern, das Vordringen der großen Wüsten aufzuhalten, oder Unwetter auf die Mondoberfläche zu verlagern, ist es uns möglich, aus unverbesserlichen Optimisten völlig negativ eingestellte Trauerklöße zu machen.

Aber wir – und das sage ich jetzt als Vertreter einer, einfach naiv dahin propagierenden, „überwiegenden Mehrheit“ – haben viel Zeit. Zusammen sind wir, gegenüber dem Schicksal, stark und so dürfen wir nicht ohne weiteres darauf vertrauen, daß alle uns bekannten und unbekannten unverbesserlichen Optimisten, entweder an der Größe ihrer selbstgestellten Aufgaben, am Alterungsprozess, oder am Durchhaltevermögen ihrer „Opfer“ scheitern.

Ihre Opfer sind jedoch nicht etwa das Schicksal, oder die „Uneinsichtigkeit einer höheren Macht“, es sind die fleischgewordenen Metaphern des Weltalls, das damit seinen Willen zur Unfähigkeit ausdrücken will, vollkommen zu sein. Es sind die Milliarden Hilferufe aus den dampfenden Zentren des inkarnierten Bösen (wenn man so will): den schizophrenen Gehirnen derer, denen es nicht vergönnt war, jemals ein unverbesserlicher Optimist gewesen zu sein.

Sie sind gebenedeit unter den Leibern. Auf ewig voneinander geschieden sind sie, Kraft einer Liebe, die dem Naturgesetz heilenden Vergessens folgt. Und sie sind vereint, in der großen Übereinkunft der frappierenden Ähnlichkeit ihrer zerstörerischen Charaktere, unter denen sogar ihre eigenen Seelen leiden. Doch an Tagen wie heue, blühen sie auf!

Die Sonne bringt ihr, von Natur aus eher träges Blut, zum Kochen. Ihr Körper erinnert sich an seine Schaltzentren! Beinahe unkontrolliert, erliegt er dem Ansturm der perversen Impulse aus dem Hirnstamm und macht sich damit zu einem hochlebendigen Bestandteil der freien Wildbahn. Elemente von ungeliebter, bzw. ungewollter Allgemeinbildung lassen sich nun mühelos in verrückte Konstruktionspläne einreihen: der unvermeidliche Kreislauf beginnt!

Wahre Identitäten werden sich ihrer selbst, mehr oder weniger, bewusst. Wer bislang versuchte, sich auf das vermeintlich sichere Land einfühlsamer Logik zu retten, der stößt sich freudig, nein, nicht freudig, zumindest aber in gewisser Weise enthusiastisch, wieder davon ab, um den festen Boden unter den Füßen zu verlieren. Die großartige Sinfonie ungestümen Erdenlebens gewinnt eindeutig die Oberhand. Die Ouvertüre ist schon vorüber, jetzt gibt es kein Halten mehr. Der gewaltige Instinkt kampfbetonter Höllenwesen wirft, quasi wie ein einziger, als imaginäre Person verkörperter Dirigent, die Künstlermähne zurück. Das fatale Schauspiel kann beginnen…

Nichtsahnend betreten nun die wenigen, wirklich unverbesserlichen Optimisten, die Bühne, denn für diesen Augenblick werden sie dringend gebraucht! Ohne sie ist der entstehende Elementarkonflikt sowohl unromantisch, als auch unergiebig für Schicksal und Zeit. Und auf einmal wird alles ganz schwierig!

Die Wissenschaft sieht sich dogmatisch verklausuliert, Freundschaften mutieren zu Wettbewerben, die Liebe verwandelt sich in ein, nicht mehr einschätzbares, Mysterium und aus der Moral wird ein Hinrichtungsspektakel echter Gefühle.

Was der unverbesserliche Optimist, fein säuberlich, vereinfachen konnte, was er hypothetisch, zu einer sinnvollen Abfolge gegliedert hat, wird aus jedem Zusammenhang gerissen, jedoch, nicht ohne vorher kräftig infrage gestellt worden zu sein (merke: eine Wahrheit ist leichter infrage zu stellen als ein Dogma). Jeder geistige Wohlstand muss sich, unter solchen Einflüssen, als gemeingefährlich interpretieren lassen, damit die Entstehung von nutzbarer Sinngebung so lange hinausgeschoben werden kann, bis sie schließlich nicht mehr erreichbar ist. An ihrer Stelle entsteht jetzt eine neue Kette planlos aneinander gereihter Ereignisse, die wiederum durch die Vorgabe ur- und irrtümlicher Muster gedehnt, ja überdehnt wird, bis sie endlich brechen muss und der bloßen Existenz nichts mehr abgewonnen werden kann.

Nur einer geht schließlich als „glücklicher“ Gewinner aus dieser Schlacht hervor: das Schicksal! Ihm ist es gelungen, sich die Armen im Geiste verfügbar zu halten und die unverbesserlichen Optimisten zu läutern. Irgendwann werden nämlich auch sie begreifen, daß man hier nichts zu bestellen hat, und sie werden, wissend, heimgehend, hinter die Grenzen der Zeit – wohin sich auch alle negativen Zerstörer in Wirklichkeit sehnen – allerdings, ohne sich dessen auch nur halbwegs bewusst zu sein. Und wenn, dann warum? So sind auch sie, in ihrem tiefsten Grund ewig- zeitlos, sinnleer, doch geborgen im Verlorensein ihrer nichtssagenden Lebensinhalte, von denen sie allerdings erwarten, daß sie sich über die ganze Oberfläche des Seins verbreiten wie eine Pest. Ihr darf nicht entkommen werden.

„Nur wer (auch sich selbst) stinkt ist voll auf der Höhe“, so lautet die amtliche Devise, die aus allen öffentlichen Lautsprechern, im Mekka der einfachen Gemüter, dem Alltag, dröhnt. Nur der Leidende erlebt die genehmigte Lust! Es ist nicht schwer, sich an ihm zu bereichern, denn er hat ja keinen Anspruch, außer dem Leiden. Und genau deshalb muss er als Vorbild dienen! Wehe dem, der nicht leidet, oder das humane Ende seines Leidens in Glück und Wohlgefallen erstrebt! Mühselig und beladen sollte er sein, verstrickt in die, von den Nornen gewebten, Netze der Zeit. Allein ihr steht es zu, sich zu bereichern, sich zu schmücken mit den schmerzlichen erworbenen Endprodukten der vielen Geburtshelfer hochtrabender Fantasien – ihr und all denen, die, von Schicksals Gnaden, im Labsal günstiger Umstände taumeln. Denn auch sie können nicht wirklich was damit anfangen!

Die beschränkte Volksseele wünscht sich für die, vom Zufall Begünstigten, kranke Kinder an deren Hals und glaubt sogar noch an eine „Ausgleichende Gerechtigkeit“, um wenigstens noch ein kleines bisschen Satisfaktion in dem wohlverdient geglaubten Negativismus zu finden. Denn lieber geht es uns doch allen gleichermaßen schlecht, als daß es einigen Wenigen unbestreitbar gut ginge – egal aus welchen Gründen auch immer. Am meisten werden dabei solche Kreaturen als störend empfunden, die in der Lage sind, Glücksumstände sicher zu erkennen und auszugestalten, die, kurz gesagt, ihre schier unbegrenzten Möglichkeiten nicht vernachlässigen wollen: die unverbesserlichen Optimisten!

An dieser Stelle sollte vielleicht nicht unerwähnt bleiben, daß auch Attila, Stalin und Hitler, zu ihrer Zeit auf sich selbst, sowie auf etliche andere, wie unverbesserliche Optimisten gewirkt haben könnten. Schließlich haben sie unerschütterlich an den guten Zweck ihrer Bestimmung geglaubt. Doch, um herauszufinden, ob sie nun wirklich echte, unverbesserliche Optimisten, oder nur Schauspieler, aus den Reihen ganz gewöhnlicher Negativisten waren, brauchen wir sie vielleicht nur an den Widerständen zu messen, denen sie sich ausgesetzt sahen. Sofort wird uns auffallen, wie beliebt sie in weitesten Kreisen der Bevölkerung gewesen sind! Das wiederum darf uns getrost daran zweifeln lassen, sie seien voller konstruktiver Absichten gewesen! Wären sie ansonsten nicht bereits viel früher bekämpft worden? Nein, das waren nur ganz besonders perverse Normale. Unverbesserliche Optimisten haben das damals sicher sofort erkannt!

Und damit ist es auch schon gelüftet, das scheinbar ewige Geheimnis der Zeit, das in der Zuweisung der, für die Geschichte notwendigen Rollen besteht: in der Verteilung der Ursachen! Dadurch bekommt unser Leben und Streben erst seine wirkliche Bedeutung. Wir haben die Menschen gefunden, welche verantwortlich für das Nichtzustandekommen einer tragfähigen Mehrheit sind: uns – die unverbesserlichen Optimisten!

Wir, die stets mehr aus dem was wir vorfinden, zu machen versuchen, erregen den Neid der Besitzlosen, die, reich an unkontrollierten Gefühlen, ihre fehlerhaften Kreise ziehen und dabei unausgesetzt auf der Suche sind. Auf der Suche nach zerstörbaren Ausnahmen, die, blieben sie unbehelligt, womöglich noch in der Lage sein könnten, ihr Glück zu erleben, wodurch sie das Glück der anderen, die globale Leere und den weltweiten Zwist verunglimpften.

„Daran könnt aber auch ihr nichts ändern!“ schreit uns die Mehrheit lauthals ins Gesicht. „Zerstört unseren Frieden nicht“ fügt sie skandierend hinzu. Und sie meint den inneren Seelenfrieden, der sich haltbietend über sie legt, solange sie kein geistiges Neuland betreten müssen. Gerne machen sie sich zum Spielzeug der Götter, weil sie sich dann – eitel – gleichbleibende Werte einbilden können. Dann sind sie die fröhlichen kleinen Herzen ihrer fröhlichen, kleinen, von Nebeln verhangenen Welten, in denen es lediglich darauf ankommt, sich, unterordnend, gehen zu lassen, sich aufzuarbeiten, wenn es verlangt wird, zu „gegebener“ Zeit auf keinen Fall zu verhüten (egal was) und logischerweise auch zu sterben, wenn dies als unausweichlich dargestellt werden sollte. Aber das ist schon wieder ein gefährliches Terrain…es lauert auf das einfache Gemüt wie tückisches Glatteis, das bekanntlich ein Esel nur dann betritt, wenn es ihm zu wohl wird.

Doch heute ist davon nichts zu spüren, denn heute ist ein Tag, wie jeder andere. Nein, heute ist ein schöner Tag – ein wunderbarer Katastrophentag!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Allgemeinplätze"

Re: Allgemeinplätze

Autor: noé   Datum: 13.06.2014 3:09 Uhr

Kommentar: Ein lasaanger Ausflug in Deine Gedankenwelt, liebes Brüderlein. Wann von der Seele geschrieben?
BiSi noé

Re: Allgemeinplätze

Autor: Alf Glocker   Datum: 13.06.2014 8:00 Uhr

Kommentar: Vor 3 Jahren und vorgestern überarbeitet. Habs beinahe weggeworfen, weils vorher grottenschlecht war. Eine Skizze eben nur...

CraBro Alf

Re: Allgemeinplätze

Autor: noé   Datum: 13.06.2014 9:03 Uhr

Kommentar: Also "geht's" wieder.
Beruhigt bin.
BiSi

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