Auf einem Kongress der Götter begegnen sich die Delegierten der hellen und der dunklen Seite der Macht. Überraschenderweise sind sie sich erstaunlich einig, was die Lebensumstände der Menschen angeht.

Das Motto des Kongresses lautet: „Jetzt haben diese Kreaturen schon 10 000 Jahre gearbeitet und es war eine Freude ihnen beim Streben zuzusehen“. (Wie das genau gemeint ist, darf nicht mit menschlichen Maßstäben beurteilt werden.)

Hell und Dunkel vertreten fast die gleichen Programme – nur die dahinter stehenden Absichten unterscheiden sich unwesentlich voneinander, obwohl von den Vertretern beider Parteien festgestellt werden muss, daß es tatsächlich gute und böse Gesinnungen gibt.

Die Dunklen sagen: „Wir möchten, daß es den Menschen schlecht geht, weil uns der Anblick ihres Leidens erfreut“.
Die Hellen sagen: „Und wir möchten, daß es den Menschen schlecht geht, weil sie daraus etwas lernen sollen“.

Die Dunklen: „Wir möchten, daß die Menschen Kriege führen, damit sie, zu unserer Genugtuung, unseren Sadismus ausleben können.
Die Hellen: „Und wir lassen zu, daß die Menschen Kriege führen, weil wir uns, für sie, davon einen Innovationsschub erwarten wollen“.

Dunkel: Wir sehen zu, daß die Menschen krank werden, weil es uns gefällt, wenn sie sich in Schmerzen winden“.
Hell: „Wir dagegen empfehlen der Menschheit Krankheiten an, um ihnen ein Verstehen des Körpers zu ermöglichen“.

D: „Wir stacheln die Menschen zu Intrigen auf, zu Neid und Missgunst, zu Mord und Totschlag – dann tut sich was. So kommt keine Langeweile auf!
H: „Und wir schauen dabei geduldig zu, denn wir rechnen damit, daß sie sich einmal genau kennen lernen – daß sie sich, im gegenseitigen Durchschauen, Kummer ersparen.

D: „Das können sie z.B. auch in der Liebe. Wir gestalten sie hochdramatisch und legen damit immer wieder die Leute ganz gewaltig herein. Wir amüsieren uns köstlich, wenn sie sich unnötig streiten, enttäuscht werden, oder ihren Nachwuchs nicht mehr ernähren können, weil sie einfach ungenügend geplant haben.
Das ist für uns der schönste Zeitvertreib!“
H:“Das sehen wir völlig anders! Wir beobachten sie dabei, wie sie sich reinlegen und wir forcieren trotzdem noch ihre Gefühle, damit sie ihr Denken und Fühlen vereinigen können. Wir treiben sie dazu, so viel Nachwuchs wie möglich zu produzieren und wir freuen uns, wenn es, in manchen Ländern gelingt, die Balance aus Trieben und Planen zu halten.

D: „Und wie kommt ihr mit euren Misserfolgen klar?
H: „Und wie rechtfertigt ihr euer Verhalten?“

D: „Genau so, wie die Reichen auf der Welt. Wir trösten!
(Anhaltendes Lachen auf der dunklen Seite der Macht.)
H:“Ha, wie soll denn dieser `Trost` aussehen?“

D: „Nun, wir ziehen Vergleiche. Wir zeigen den vergleichsweise Armen in den reichen Ländern, daß es Milliarden vergleichsweise Ärmere in den armen Ländern gibt. Dadurch bekommen sie ein schlechtes Gewissen! Danach tun sie wieder alles, was man von ihnen verlangt“.
H: „Das glauben wir so nicht! Die müssten ja völlig verblödet sein, wenn sie sich auf so plumpe Art manipulieren lassen würden. Das wäre ja eine, von höherer Stelle geförderte, Gehirnwäsche“.
(Anhaltendes Lachen auf der hellen Seite der Macht.)

D: „Aber einen wirklichen Trost gibt es tatsächlich!“
H: „Welchen denn – unter diesen Voraussetzungen?“

D:“Die Tatsache, daß einige wenige wie die Made im Speck leben können und dieser Umstand der Masse der Lebenden vorgaukelt, jeder könne das erreichen.
H: „Stimmt! Es gibt ein Paradies! Und die Wohlhabenden zeigen den anderen wie schön es ist – wie es aussehen könnte!“

Als der Kongress zu Ende geht, liegen sich beide Seiten hoffnungsfroh in den Armen, da jeder bei sich denkt, sein Prinzip sei das allein seligmachende, weshalb es sich auch direkt umsetzen ließe. Alle sind froh gestimmt – und sie würden es wohl auch bleiben… aber da ist ja dieser ominöse Reporter, der jedes Mal, zum Schluss, die immer gleiche und alles entscheidende Frage stellt.

Sie lautet: „Sagt mal, liebe verschieden gefärbte Abgesandte der Macht – ist euch eigentlich schon einmal aufgefallen, daß bei euren Kongressen nie was Gescheites herauskommt?

Dann geht stets ein empörtes Raunen durch die Reihen der Götter und beide Fraktionen verkünden übereinstimmend: (D + H) „Dafür sind wir leider nicht zuständig!“


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der Götterkongress"

Re: Der Götterkongress

Autor: noé   Datum: 20.05.2014 16:49 Uhr

Kommentar: Dees is jo wia eim richtigen Leba!
Und rechtzeitig vor dem Wahltermin.
BiSi

Re: Der Götterkongress

Autor: Alf Glocker   Datum: 21.05.2014 7:18 Uhr

Kommentar: oh, ja, wir haben ja bald Wählwatching.

CraBro

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