Es war bei einem meiner letzten „Ausflüge“ in mich selbst, als ich ihm begegnete. Ich machte einen U(h)rsprung in die Nichtzeit und da sah ich sie wieder vor mir liegen: die weite Landschaft des Seins!

Ich wusste, ich war vorhanden, aber unbegrenzt – grenzenlos frei, nicht gekettet an irgendwelche Umstände. Schwebend begegnete ich Bekannten, Verwandten und Freunden aus meiner persönlichen Vorzeit. Eine Weile tauschte ich mich mit ihnen aus, bis ich mich wieder einfach auf keinen Weg machte, um weiter zu schweben.

Irgendwie muss ich es dann geschafft haben, mich zu „verschweben“. Verlaufen kann man ja nicht sagen. Ich kam in eine seltsame Nicht-Gegend, die ich noch nie zuvor besucht hatte. Dort herrschte, von einem eigenartigen Summen abgesehen, absolute Stille. Das Summen, muss ich gestehen, war eigentlich auch nicht vorhanden – ich bildete es mir vermutlich nur ein. Oder wollte mir da etwas anzeigen, daß ich mich auf quasiverbotenem Terrain befand?

Ungeachtet aller Zeichen, Warn- oder nicht, drang ich weiter vor, in eine Zone, die in Wahrheit weniger war als das Nichts. Ja, aus irdischer Sicht, war sie nicht einmal nicht vorhanden! Sie war noch hinterhalb alles Nichtvorhandenen „angesiedelt“. Und sie war: nicht bewohnt! Nur ein undefinierbarer, helllichter Nebel schien da zu sein. Oder bildete ich mir das auch wieder nur ein?

Ich näherte mich weiter an, indem ich nichts tat, als mich nicht davontreiben zu lassen. Dann hörte ich eine Stimme! Nein, ich glaubte, eine Stimme zu hören. Das Summen hatte sich zuerst in die höchsten, für lebende und nicht lebende Wesen, unwahrnehmbare Höhen gesteigert. Warum ich es plötzlich hörte war mir ebenfalls schleierhaft. Dann, kurz nachdem ich es schier nicht mehr aushalten konnte, schwang dieses „Überschallsummen“ in für mich verständliche Worte um, und ich staunte!

„Was machst du denn hier, Kind meiner Träume? Wie hast du dich vorgelassen?“
„Ich habe nichts Bestimmtes gemacht, um dich zu finden“ entgegnete ich, wusste aber nicht, was ich da gesagt hatte – und erst recht nicht, warum. Ich wusste nur, daß ich etwas Unbestimmtes wissen wollte und auch, daß dieses Unbestimmte dort, im Nebel liegen könne.

Und der Nebel sprach weiter zu mir. „Sieh dich vor, du bist ja schon fast auf deine Seele reduziert – findest du nicht, daß dieser Zustand gefährlich ist? Du lebst doch noch, oder?“

Ich wunderte mich. „Dir scheint es doch einerlei zu sein, was mit den Lebenden passiert. Es kommt mir vor, als müssten die Schicksale einfach abgearbeitet werden!“

Ich wusste immer noch nicht, mit wem ich da redete, und ob, respektive was es für eine Bedeutung hatte, was ich sagte – wenn überhaupt. Ein bisschen fühlte ich mich auch schlecht bei der Sache. Unwillkürlich fiel mir Luzifer ein.

„Wenn du jetzt mein Versehen ansprichst, dann triffst du des Pudels Kern“ meinte der Nebel, als hätte er mich als Gedanke gelesen. „Alle – in deinen Maßstäben gesprochen – 400 000 Milliarden Jahre passiert mir dieses Malheur, gewissermaßen zwangsläufig. Dann hat die Fantasie nicht ganz richtig funktioniert. Und das, obwohl ich mich nicht geirrt habe. Nur die Methode hat eben den natürlichen Ausdruck verpasst und etwas Zusätzliches ist entstanden – die Materie!“

„O Gott, du hast `n Knall!“ entkam es mir geradezu. Ich zuckte zusammen, aber es war schon zu spät. Komischerweise war mein Gegenüber gar nicht verärgert, obgleich ich mich doch sehr unhöflich benommen hatte.

„Stimmt auffallend“ meinte der Nebel. Ich habe einen Knall – und zwar einen Urknall! Normalerweise entsteht, pro Schöpfungsintervall nur reine Energie. Das ist – du würdest das vielleicht als `Idee` beschreiben, aus der dann Gedankenbeispiele, von dir vermutlich `Seelen` genannt, hervorgehen – sagen wir mal, ein variables Ereignisfeld.

Alles ist in die Heiterkeit spirituellen Seins getaucht. Man erlebt spielerisch die Facetten des Möglichen. Doch nun ist alles an feste Orte gebunden und die Zeit legt fest, wann, was, wo, passiert. Dabei ist der Ablauf gezwungen eine gewisse Logik einzuhalten, mit dem Unterschied, daß eben alles körperlich = schmerzbeladen, stattfindet. Selbstverständlich gibt es auch die Lust. Das hätte ich beinahe vergessen“.

„Und warum ist es nicht möglich, eine sinnvolle Ordnung herzustellen?“ Wieder ist mir etwas Unanständig-Respektloses herausgerutscht, meine ich zu wissen. Gleich würde mich der eingebildete Nebel ad absurdum führen, mir beweisen, daß dieses „Gespräch niemals stattgefunden hat, indem er mich einfach erinnerungslos erwachen lässt. Doch nichts dergleichen erfolgte.

„Die sinnvolle Ordnung besteht darin, daß eine sinnvolle Ordnung nicht herstellbar sein darf/kann. Alles fließt! Die, letztlich aus mir kommende Lebenskraft, begünstigt stets das sogenannte Unvernünftige, damit sich keine festen Strukturen bilden können. Die große Illusion muss schließlich zu Ende geführt werden, wie alle Illusionen vorher und nachher. Mit dem einen Unterschied, daß diesmal ausnahmsweise alles „tatsächlich“ stattfindet. Wer nur denkt, was in die jeweilige Epoche passt, ist im Vorteil! Er, sie, es, verbringt eine relativ unkomplizierte Spanne, im Taumel seiner, ihrer nicht bewusst wahrgenommenen Irrtümer. Jeder hat recht! Die wenigen Impulse (Individuen), die mir ein bisschen ähnlich sind, im scheinbaren Nichtvorhandensein ihrer Existenz, haben Schwierigkeiten anerkannt zu werden. Sie stellen ahnende Anachronismen dar, die jedoch auch wieder nötig sind, um die andere Seite des Wahnsinns – wie wiederum du jetzt vermutlich sagen würdest – nicht zur Ruhe kommen zu lassen. So bedingt das Eine das Andere, nichts kann sich in einer, irgendwie gearteten Ordnung verlieren und das Gleichnis zum Gedankenspiel einer existierenden, bzw. nichtexistierenden Allwissenheit ist interpretierbar geworden“.

In mir begann sich alles zu drehen! Inzwischen musste ich so sehr fantasiert haben, daß ich meinte, in diesem Nebel, der da zu mir „sprach“, eine Gestalt erkannt zu haben. Sie erschien mir einmal in sich aufgelöst, dann wieder fest strukturiert, und dann stand sie „leibhaftig“ vor mir, es war …peng!

Ein furchtbarer Schreck fuhr mir in die Glieder, denn ich hatte plötzlich welche. Ich musste mich weitestgehend vergessen haben. Hier, in diesem „Zimmer“, sollte ich doch wohl sagen, war ein lautes Geräusch zu hören gewesen. Es klang als würde man zwei harte Irgendwas-Teile heftig gegeneinander schlagen. Was war das und wo war ich überhaupt? Mühsam kam ich zu mir, zu diesem materiellen Geschöpf, in seinem, ihm zugewiesenen Zeit-Raum. Ich versuchte mir noch krampfhaft zu merken, wie mein letzter Eindruck ausgesehen hatte, aber meine Erinnerung verschwamm blitzartig. Ich wusste nur noch, daß ich versucht hatte zu meditieren und daß ich dabei wohl eingeschlafen war.

Mein Verstand setzte also wieder ein, denn, daß ich eingeschlafen war und dabei wohl geträumt haben musste, ist eine logische Schlussfolgerung, die auf keinerlei Beweisen beruht. Doch hier, wo ich mich befand, waren Indizien zur Urteilsfindung unerlässlich. Die Theorie, die nun in mir entstand, ist meiner Spezies, der ich angehöre, durchaus angemessen. Sie lautete: Ich bin nirgendwo gewesen, habe nichts erlebt, darf das Nichterlebte nicht bewerten, ich habe niemanden getroffen und wenn, dann gab es ihn nicht wirklich, sonst würde ich ihn jetzt ja auch noch sehen. Aber es war niemand da…

Kurz danach bemerkte ich, daß dies auch nicht völlig richtig war. Neben mir im Bett lag etwas. Bei näherem Hinsehen fiel mir alles Wichtige wieder ein: ich befinde mich auf einem Planeten namens „Erde“, ich habe bereits eine lange, ereignisreiche Strecke in der Realität hinter mir. Die adäquaten Sorgen kehrten zurück und das augenscheinlich friedlich schlummernde Geschöpf neben mir war vermutlich eine Frau. Das hoffte ich wenigstens!

Allmählich kehrte meine gesamte Identität zurück. Mir fiel ein, wer ich bin und womit ich mich beschäftige. Ich beschäftige mich damit alles zu hinterfragen, anzuzweifeln – verrückt zu werden, um genau zu sein! Wenn ich die Geschichte, die ich erfahren zu haben glaubte, jemandem erzählte, würde derjenige, diejenige, wie gewöhnlich in helles Gelächter ausbrechen und wissen wollen, wie viel ich gestern getrunken, oder ob ich sonstwas Berauschendes konsumiert hätte.

Mir blieb nichts anderes übrig, als den Eindruck der Wirklichkeit auf mich wirken zu lassen. Ich würde versuchen, eine abgefahrene Story zu schreiben oder ein Bild zu malen, das sich keiner ins Wohnzimmer hängen möchte, weil irgendetwas darin ihn zu sehr beunruhigen würde, ohne, daß er je sagen könnte was es genau ist.

Das machte mich schließlich so fröhlich wie ich nur konnte. Ich ging daran mich abzulenken, ich lächelte viel und – was am allerwichtigsten war –: ich versuchte zu vergessen, wer ich bin!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der Urknall"

Re: Der Urknall

Autor: grauschimmel   Datum: 30.04.2014 15:08 Uhr

Kommentar: Es macht mich froh, das Du doch nicht erstickt bist. Einfach toll!!!
Rennen Dir nicht die Verleger die Bude ein?
GS.

Re: Der Urknall

Autor: noé   Datum: 30.04.2014 16:12 Uhr

Kommentar: Alphawellen sind ein tolles Geschenk!
noé

Re: Der Urknall

Autor: Alf Glocker   Datum: 30.04.2014 17:26 Uhr

Kommentar: An mir sind keine Verleger interessiert! Wir haben in Deutschland keinen wirklichen Kulturbetrieb! = nur meine Meinung

Viele Grüße Alf

Mein Hirn läuft meistens auf Alpha, sont würde ja auch mal was herauskommen, das man zu Geld machen kann...

CraBro

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