Im Sturm gefangen (Teil 1)

Es regnete. Der Regen prasselte nur so herab. Alle meine Kleider waren durchnässt. Der Schlamm spritze an meinen Beinen empor und floss in Tropfen wieder herunter, wo er sich dann an meiner Socke sammelte. Ich hatte noch die Schuluniform an. Gott, wie ich sie hasste. Äste knacksten als ich immer weiter gerade aus rannte. Ich wusste nicht wohin, einfach nur weg. Meine Augen schauten geradeaus und trotzdem bewegten sie sich hin und her. Ich konnte es nicht mehr kontrollieren. Mein Kopf schaute ab und zu hinter die Bäume. Ich war in einem Wald gelandet. Niemand war zu sehen und trotzdem spürte ich den Atem eines Verfolgers in meinem Nacken. Pfützen bildeten schon kleine Seen. Seit langer Zeit hatte es nicht mehr so geregnet wie an diesem Tag. Seit ich denken kann war ich hier, doch diesen Wald kannte ich nicht. Alles erschien mir auf ein Mal so fremd zu sein. Meine Brust fühlte sich schwer an. Ein Stein musste an ihr fest gebunden sein, so schwer war sie. Doch meine Beine rannten immer weiter. Immer weiter in Richtung Freiheit.

Es war ein sonniger Tag als ich hier ankam. Mitten im August. Meine Beine klebten an den Ledersitzen der Limousine. Mit den Kopfhören auf meinem Kopf und meinem Gesicht zur Straße gewandt schoss die Welt an mir vorbei. Ich dachte daran wie es wäre fliegen zu können. Wahrscheinlich ist es unglaublich schwerelos zu sein. Oder ein Astronaut. Ich wollte immer Astronaut werden. In meinen Büchern klang es wunderbar ein Astronaut zu sein. Wunderkind sagten sie. Was sollte denn an mir besonders sein?
Als der Wagen anhielt wurde es still. Meine Kopfhörer sanken nieder und landeten um meinen Hals. Ich hörte immer noch leise das Rauschen der Klänge. Der Chauffeur öffnete mir die Tür und ich zögerte einen kleinen Augenblick bevor ich einen Fuß vor den anderen setzte um auszusteigen. Es sah aus wie ein kleines Schloss. Wenn ich damals schon gewusst hätte was mich erwartet, wäre ich wohl gleich weggerannt. „Ganz nett.“ Das waren die einzigen Worte, die ich von mir gab.
Ich hatte jeden Tag gehofft, dass sie doch zurück kommen würden. Wieder in den Wagen einsteigen und gehen. Das war meine große Hoffnung. All meine Gebete wurden aber nicht erhört. Sie würden nie wieder kommen. Niemand glaubte mir. Niemand würde es je tun. „Es war ein Herzinfarkt“, haben sie gesagt. „Nein! Es war ein Magier. Ein großer!“ Sie hielten mich nur für ein dummes, kleines Kind. Ich hatte Recht. Ich weiß es. Ich hatte immer Recht. Doch auf dieser Welt hatten Menschen nur Recht, wenn es sich logisch anhörte und wenn es von weißen Menschen kam. Ich schloss mich ein. Mein Zimmer war viel zu groß für mich. Es grenzte an eine eigene Wohnung. Schrecklich, einfach nur schrecklich. Ich fühlte mich alleine in dieser großen Welt. Ein kleiner mickriger Junge in einer zu großen Welt, einem zu großen Zimmer. Damals wusste ich noch nichts über diese Welt in der ich lebte. Somit kroch ich mich in mein zu großes Bett, mit meinem kleinen Teddy. Ich redete oft mit ihm. Dann schaute ich aus dem Fenster. Die Nacht schaute zu mir herein, der Mond lächelte mich an. Die Sterne wachten über mich. Schwerelos und frei. Für mich war man das im All. Kleine Tränen kullerten langsam aus den eisblauen Augen. Sie waren erfroren. Mit dem Moment, als sie starben, sind sie erfroren. Sie würden nie wieder normal sein, nie wieder schön wie das Meer. Viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Irgendwann schlief ich ein und träumte von einer besseren Welt.

Meine Haare klebten an meinem Gesicht. Von meiner Nasenspitze tropfte das Wasser. Die Beine waren schon längst übersäuert. Langsam gaben sie nach. Sie wurden immer langsamer, mein Atem wurde noch schwerer. Ich ließ meine Arme hängen. Ich sah einen Baum, stützte mich an ihm ab. Ein Blatt fiel vor mir auf den Boden. In diesem Moment verlangsamte sich die Welt.

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axel c. englert
Angélique Duvier
noé

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