Es ist mal wieder zwischen den Jahren. Zwischen den Mahlzeiten (ich habe mich definitiv überfressen und mich aus diesem Grund zur Andauung abgelegt) habe ich eine Begegnung der nullten Art:
Ich treffe mich selbst, teile mich auf und beginne, während der Verdauung zu fantasieren. Das kann ich gut, das entspricht meinem Naturell, das baut mich auf und ab und es verdaut vor allen Dingen – und zwar nicht nur das, was ich körperlich zu mir genommen habe.

Da ich ein Mann oder dergleichen bin, geht mir, wie so oft, das andere Geschlecht durch den Kopf, oder den Magen. ( Dort soll ohnehin die Liebe verborgen sein.) Im Nachhinein kann ich das nicht mehr so genau sagen. Jedenfalls habe ich mich wieder einmal aufgeteilt, in eine Verstandes- und eine Gefühlsstimme. Die Stimme des Verstandes ist kindlich, da geschlechtsneutral. Sie versucht mich zu bewahren. Die Gefühlsstimme ist parteiisch und spricht mich hauptsächlich pro-weiblich an. Sie führt mir ein schönes Bild vor Augen.

Leider entwickelt sich daraus nicht einfach ein ästhetischer Dialog, sondern vielmehr ein surrealistischer Schlagabtausch, der sich hauptsächlich im humoristischen Bereich bewegt – zu bewegen versucht. Ich weiß ja nicht wie die meist schwarzhumorige Grundeinstellung meiner inneren Stimmen auf andere wirkt. Nun gut, ich betrachte das, Männer seligmachende, Konterfei (Ganzkörper-Portrait) und höre zu, was ich mir zu sagen habe…

„Mein Gott, sie ist stark wie ein Fisch und schlau wie ein Traktor!“
„Die ideale Braut, also?“
„Unbedingt! Sie hat Darwin, samt der Natürlichen Zuchtwahl zum Frühstück gefressen!“
„Und? War Rübezahl zärtlicher?“
„Ich mag keine Märchen!“
„Erzählen, oder erzählt bekommen?“
„Erzählt bekommen, schließlich liebe ich Frauen, ich erzähle demnach selbst gern welche“.
„Und ich heirate den Mount Everest – alles andere kann mich am Arsch lecken!“
„Du checkst es einfach nicht!“
„Ich halte mich dezent zurück, bin aber im Wünschen groß!“
„Der frühe Vogel fängt den Sturm!“
„Jaja, am Anfang schuf Gott Himmel und Hölle, nichtwahr?!“
„Ich glaube dir fehlt einfach diese gewisse Fingerspitzengefühllosigkeit, um der Sache wirklich gewachsen zu sein“.

Ich könnte mir eine runterhauen, aber dafür müsste ich mich bewegen. Deshalb bleibe ich ganz still liegen und werde auch gleich mit einem süßen Traum belohnt.

Ein Engel kommt vorbei geflogen. Er streichelt mich mit den Enden seiner Flugfedern an der Nasenspitze. Ich muss niesen, verliere den Faden meiner Geschichte, doch ich kehre nicht in die Realität zurück. Meine Seele weigert sich standhaft, denn das Fernsehprogramm ist heute wieder unter aller Kanone und weiter essen kann ich auch nicht – ich bin randvoll! So schwebe ich noch ein Weilchen über den Dingen, träume mich in ein Schlaraffenland, lande jedoch irgendwie in einer Katastrophenwelt und warte, bis mich die Geschwätzigkeit der Stimmen aus dem Irgendwo im Nirgendwo wieder einholt, um mir den Sinn im Unsinn zu präsentieren.

„Simone de Beau voire die schönste Frau der Welt“
„War sie nicht! Das war Marie Curie!“
„Nein, Marilyn!“
„Was hat die denn geleistet?“
„Schön!“
„Das ist keine Leistung!“
„Und wenn man das verschenkt?“
„Dann natürlich schon!“
„Siehst du, damit war sie schöner als Frau Oberprofessor von Donnerbalken zu Frankenstein, die als völlig frigide bekannt ist“.
„Was du nicht sagst“.
„Also gut, dann nehme ich das zurück“.
„Bloß nicht – ich habe schließlich noch absichtlich Illusionen!“
„Und keine Angst vor Gestern?“
„Nun. Wenn ich mal genau hinschaue schon!“
„Du hast Dir dort wohl keinen Trottel erwartet?“
„Zumindest keinen hilflosen – ich dachte immer, er könne aus diesem Bild heraus ein beliebiges anderes erschaffen“.
Ha, du bist gut – und jetzt siehst du ein, daß du einen Traktor bekommen hast?! Lach! Was du brauchst ist ein Bauernhof!“

Jetzt verstehe ich: ich bin in einem sogenannten „Klartraum“ und verändere gerade mein Leben, indem ich die Kreativität meines Unbewussten voll entfalte, um sie im „richtigen Richtigsein“ voll zum Ausdruck bringen zu können. Das ist lustig! Ob es auch gut ist? Ich zweifle ein wenig, doch das beunruhigt mich nicht, ich zweifle ja immer ein wenig – an Gott und der Welt.

Mein absolut selig machendes Traumbild vom idealen Jahr, der idealen Frau, oder der perfekten Lebens-Autobahn kreiere ich jedenfalls grade nicht. Da müsste ich schon tiefer eintauchen in die haltlosen Fantasien meiner untersten Schichten, unter die „Figur“ meiner sensiblen Seele hinweg, hinter die Sensitivität dieser Antenne, die mir die Schwingungen des Universums näher bringt, in dieses Weniger-als-Nichts, aus dem alle Energie stammt.

Und wenn ich es sähe? Dann gefiele ich mir nicht mehr, mein Weg nicht, die ideale Braut nicht, vielleicht nicht einmal mehr die Stimmen, die sich auftun, wenn man die geschlechtsneutrale Oberfläche seines Geistes durchbricht, denn dann begegnete ich dem Kern des Seins! Der Antwort auf alle Fragen!

Als ich dies denke, oder als mir dies gedacht wird, knallt es im Schlafzimmer, als hätte ein unsichtbarer Polizei-Kobold zwei Hölzer gegeneinander geschlagen. Schockartig erwache ich – erinnern kann ich mich jetzt nur noch bruchstückhaft. Eines allerdings ist mir klar geworden: irgendwo, in der Gegend zwischen Sein und Nichtsein bin ich mit jemandem zusammengestoßen – mit der Wahrheit!

Hilfe!!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Dazwischen"

Re: Dazwischen

Autor: noé   Datum: 04.01.2014 10:12 Uhr

Kommentar: Sehr abwechslungsreiche Selbstironie. Du hattest aber nicht zwischendrin den Fernseher laufen und so Gehörtes in die "Träume" integriert? Einige --- Dialoge klingen mir bekannt...
noé

Re: Dazwischen

Autor: Alf Glocker   Datum: 04.01.2014 12:03 Uhr

Kommentar: Haha, nein, den Fernseher hatte ich nicht laufen. Vielleicht klingen Dir die Dialoge deshalb bekannt, weil Du selber ab und zu surreal-abstruses Zeug denkst? Würde mich nicht wundern... ich stelle Parallelen fest, bisweilen
Alf

Re: Dazwischen

Autor: noé   Datum: 04.01.2014 12:48 Uhr

Kommentar: Vielleicht sind es ja dieselben Stimmen, die wie "weißes Rauschen" den Äther füllen - und wir haben nur beide zufällig auf die gleiche Frequenz geschaltet...
noé

Re: Dazwischen

Autor: Alf Glocker   Datum: 05.01.2014 17:19 Uhr

Kommentar: das ist es: das "Zeitrauschen" (Buch von mir)
Alf

Re: Dazwischen

Autor: Divagirl   Datum: 13.01.2014 19:07 Uhr

Kommentar: Ich bin glaub nicht so ein Fan von sowas.
Obwohl ich auch stimmen höre und Selbstgespräche führe...

Re: Dazwischen

Autor: Alf Glocker   Datum: 13.01.2014 19:17 Uhr

Kommentar: Na also, so fängst an... nimms leicht!

Re: Dazwischen

Autor: Alf Glocker   Datum: 13.01.2014 19:19 Uhr

Kommentar: "fängts" meinte ich selbstverständlich :-))

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