Äste schlugen ihr ins Gesicht. Sie rannte durch das Dickicht. Der Wind peitschte ihr über das tränennasse Gesicht. Verzweifelt warf sie einen gehetzten Blick über die Schulter. Sie rannte so schnell es der Korb in ihren Armen zuließ - umgeben von finsterstem Wald. Hinter sich hörte sie Pferde. Ein erster Pfeil pfiff an ihrem linken Ohr vorbei und brachte sie ins straucheln. Sie fing sich gerade noch und ihr Griff um den Korb verfestigte sich. Nur noch ein kleines Stück dann lag der Wren-River vor ihr – dann war sie in Sicherheit. Sie hörte das laute Keuchen ihres Atems in den Ohren, ihre Lungen brannten, aber sie hatte keine Wahl. Die Pferde kamen näher. Ihr Bein verfing sich in einer Wurzelschlinge und sie fiel, als sie sich unter einem herannahenden Pfeil wegduckte. Mühsam schaffte sie es sich wieder aufzurappeln. Der Korb lag neben ihr. Die junge Frau erlaubte sich einen kurzen, besorgten Blick hinein, atmete daraufhin erleichtert auf. Schnell duckte sie sich unter einem weiteren Pfeil hinweg, nahm dabei in einer flüssigen Bewegung den Korb wieder auf und rannte weiter. Der Fluss kam allmählich in Sichtweite und plötzlich hörte sie keine Pferde mehr hinter sich. Verunsichert erlaubte sie sich einen weiteren Blick über die Schulter um festzustellen, dass niemand sie mehr verfolgte. Ihre Atmung verlangsamte sich, aber ihr Herz schlug weiter beständig schnell. Dennoch erlaubte sie sich eine kurze Pause, um sich dann in etwas langsamerem Tempo immer weiter dem laut rauschendem Fluss zu nähern. Ihre schweren Beine trugen sie kaum noch, ihre Lungen brannten wie Feuer und ihr pechschwarzes Haar klebte ihr am Gesicht. Nun war der Fluss nur noch wenige Meter von ihr entfernt. Ihr besorgter Blick blieb, mit dem sie weiter die Umgebung beobachtete – aber nichts geschah. Gerade als sie sich sicher glaubte, und einen letzten Blick über ihr Schulter wagte, schnellte schräg hinter ihr ein Pfeil auf sie zu. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen spürte sie nur noch den Schmerz, mit dem er sich einen Weg zwischen ihre Rippen bahnte. Sie keuchte auf und fiel auf die Knie.
Nein, schrie alles in ihr. Nicht heute, nicht hier, so kurz vor dem Ziel.
Mit letzter Kraft schleppte sich die junge Frau zum Fluss, ohne dabei zu vergessen wie nahe der König und seine Kavallerie inzwischen sein mussten. Am Ufer blieb sie für einen Moment erschöpft liegen. Verzweifel bahnten sich Tränen ihren Weg über ihr Gesicht.
Wenigstens dich werde ich retten, waren ihre letzten Gedanken bevor sie den Korb ins Wasser lies. Ihre Hand streifte ein letztes Mal weiche Haut und eine kleine Hand streckte sich ihr aus dem Korb entgegen, dann sah sie schon wie die schnelle Strömung den Korb Westwerts trug.
Sie rappelte sich gerade auf, als der König vor ihr zum Stehen kam.
„Wo ist sie, Payton?“, fragte er sie mit rauer, kalter Stimme.
„Weit weg vom wahren Ungeheuer, Myron.“, antwortete die Frau mit schwacher Stimme, während die Schmerzen der Schusswunde unerträglich wurden.
„Das war die falsche Antwort, meine Liebe.“, ließ der König sie wissen.
Mit einem Wink seiner Hand flog ein Pfeil durch die Menge und traf die Frau mitten in die Brust. Das letzte was sie hörte war:
„Findet das Kind!“
Dann sank sie zu Boden und blieb reglos neben dem aufgewühlten Wasser des Flusses, auf dem steinigen Boden, liegen.

Der König verwünschte Payton. Warum war sie nicht vernünftig geworden, so hätte das alles nicht enden sollen. Während seine Männer weiter den Wald und das Flussufer durchkämmten ließ er sich neben der jungen Frau, die am Ufer lag, nieder. Mit Bedacht zog er ihr die Pfeile aus dem Körper, als hätte er Angst sie damit wieder lebendig zu machen. Dann stand er auf und ging zu seinem Pferd.
Eigentlich hatte ich nicht vor das zu nutzen, dachte er grimmig während er ein großes weißes Leintuch aus der Satteltasche zog. Er breitete es auf dem Boden aus und ging danach wieder zu der jungen Frau. Behutsam schob er ihr seine Arme unter den Nacken und die Knie und hob sie hoch.
Sie ist so leicht, dachte er und legte sie vorsichtig in die Mitte des weißen Leinentuchs.
Dann schlug er die Seiten über ihren Körper und verdeckte sie somit vollständig. Er hievte sie auf den Rücken seines Pferdes und wartete darauf, dass seine Männer zurückkehrten. Eigentlich wäre auch die Vermummung der Toten eine ihrer Aufgaben gewesen, aber zumindest das war er ihr noch schuldig gewesen. Sie musste doch verstehen warum er das fordern musste, warum er das Kind haben musste – es ging schließlich auch um das Land in dem sie lebte.
Nun ja, gelebt hat, verbesserte er sich schnaubend.
Wenn er das Kind nicht fand und es in falsche Hände geriet, dann war sein Königreich Aben in noch größerer Gefahr, als in der es eh schon schwebte. Und wenn sie es tatsächlich dem Fluss übergeben hatte, der Westwerts in den drei Königreichen von Trestill endete, waren er und seine Untertanen so gut wie tot. Wenn König Keir das Kind fand, dann war es nur noch eine Frage der Zeit bis der vernichtendste Krieg begann, den die Königreiche je gesehen hatten und davon würde sich Aben nicht mehr erholen können. Das Kind hatte jetzt schon zu viel Macht, als dass es nicht auf einen Krieg hinauslaufen würde. Wenn Keir erstmal entdeckte was er da unter seinen Fittichen hatte, wüsste auch er, dass der Sieg sein ist.

„Wartet!“, rief König Kendrick und lies sich von seinem schwarzen Hengst gleiten. Mit vorsichtigen Schritten näherte er sich dem Fluss, während der Rest der Jagdgruppe die Pferde neben seinem zügelte.
Kurz bevor er den Hund erreicht hatte sah auch er warum dieser angeschlagen hatte. Ein kleiner verflochtener Korb hatte sich im Schilf des Ufers verfangen. Kendrick blieb kurz stehen und sah sich genau um. Nichts. Sie schienen die einzigen in der Nähe zu sein. Er zog seinen Bogen und legte einen Pfeil ein- seine restliche Truppe wies er mit einem Wink an es ihm gleichzutun. Als er nun am Ufer stand bückte er sich nach dem Korb ohne dabei den Bogen zu senken. Doch diese Position eignete sich nicht wirklich um einen Blick in den Korb zu werfen, also senkte er den Bogen. Mit einem Blick über die Schulter wies er seine Männer an weiter wachsam zu bleiben. Er legte den Bogen beiseite und näherte sich langsam noch weiter dem Korb. Direkt am Ufer, so dass seine Stiefelspitzen den Rand überragten streckte er sich nach dem Korb, aber dieser war außer seiner Reichweite.
„ Rae, komm schon alter Junge! Hol für mich den Korb aus dem Wasser!“, befahl er seinem Hund. Kendrick lenkte den Rüden mit seinen Befehlen genau zu dem Korb. Der Hund packte dort angekommen den Henkel mit seinem Maul und zog den Korb umständlich an seiner linken Seite mit sich, wobei dieser einen stark schrägen Winkel annahm. Besorg, weil er nicht wusste was genau sich in dem Korb befand, schnappte er ihn Rae sofort aus dem Mund als dieser in Reichweite kam.
„ Braver Junge!“, lobte er den Hund, der sich daraufhin das Wasser aus dem Fell schüttelte.
Währenddessen zog Kendrick den Korb an Land. Und was er dann sah traf ihn wie einen Schlag. Aus dem Korb starrte ihn eine vermummte kleine Gestalt an. Sie hatte fuchsrote Augen und auf ihrem Kopf waren noch keinerlei Haare zu sehen. Das Kind konnte kaum älter als ein paar Tage sein. Vorsichtig nahm er aus dem Korb und lief mit ihm zu seiner Truppe. Die Männer kamen ihm auf halbem Weg entgegen- alle entgeistert.
„Wer um Himmels Willen setz sein Kind in einem Fluss aus!“, fluchte Corbin- Kendricks Berater in allen möglichen Lagen und sein engster Vertrauter.
„Ich weiß es beim besten Willen nicht, aber die Person muss ihre Gründe gehabt haben, auch wenn wir sie nicht verstehen.“, gab Kendrick zurück.
Rae, hatte sich währenddessen wieder den Korb geschnappt und trug ihn zu der Männertruppe. Corbin bückte sich nach einem weißen Stück Papier darin.
„Seht mal! Auf dem Papier steht etwas!“, brachte er die Männer zum Schweigen, die derweilen schon eine Diskussion über das weitere Verfahren begonnen hatten.
Nun starrten ihn alle an, während er zu lesen begann:
„'Das Mädchen in dem Korb hört auf den Namen Phrynia. Sie ist in großer Gefahr. Ich weiß nicht wer sie findet, aber ich bete zu Gott, dass dieser ihr gnädig ist und dieses Stück Papier mit ihr überliefert wird. Sie stammt aus dem Reich von König Myron, doch dieser ist ihr nicht wohl gesonnen. Mein Name ist Payton, ich bin ihre Mutter. Mein Mann starb vor ein paar Monaten bei einem Unfall und nun ist es an mir sie zu retten. Wer sie findet möge sie bitte aufnehmen und für sie sorgen wie für eine Tochter. Sie ist meine ganze Welt, deshalb musste ich dies tun um sie zu retten. Ich habe noch eine letzte Bitte: Sie darf niemals, unter keinen Umständen, König Myron übergeben werden und muss deshalb gut versteckt werden. Sie ist etwas ganz besonderes, aber mehr darf ich nicht verraten, wenn sie, wie ich hoffe, in den drei Königreichen gelandet sein sollte. Mehr Informationen würden den Finder nur in Schwierigkeiten bringen. Wenn sie Phrynia ohne mich, ihre Mutter, auffinden bin ich entweder tot oder wurde gefangen. Deshalb die Bitte: Sorgen Sie gut für sie und verstecken Sie sie. Sie werden es nicht bereuen. Wenn die Zeit gekommen ist liegt es an Ihnen sie über ihre Herkunft aufzuklären und ich hoffe inständig, dass sie anständig sind und das auch tun. Dazu gebe ich Ihnen den Hinweis über den Namen ihres Vaters. Er lautet Edan und er stammt wie ich aus dem Königreich Aben. Mehr kann ich Ihnen nicht verraten, aber wenn die Zeit gekommen ist werden diese Informationen ausreichen, damit Phrynia Antworten auf ihre Fragen findet.' Das ist alles.“, schloss Cobin mit einem Seufzen.
Verdutz schauten die Männer einander an, ohne zu wissen, was nun zu tun war. Schließlich fand einer von ihnen seine Stimme wieder.
„Ich glaube ich weiß, was die Frau mit 'besonderes' meinte.“, gab er von sich und deutete auf das Baby. „Schauen Sie seinen Nacken an, mein König!“
Vorsichtig drehte Kendrick das Baby so, dass er dessen Nacken sehen konnte. Die Decke war verrutscht und offenbarte etwas, das wohl vor manchen Augen besser verborgen blieb.


© Tamara


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Beschreibung des Autors zu "Firesign (Prolog)"

Dies ist erst der Anfang meiner Geschichte. Ich habe zwar schon mehrere Kapitel im Verborgenen geschrieben, aber würde nun gerne Meinungen hören, ob der Afang gut ist und Lust auf mehr macht. Über konstruktive Kritik würde ich mich also sehr freuen :)

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Kommentare zu "Firesign (Prolog)"

Re: Firesign (Prolog)

Autor: Thilo Gröne   Datum: 07.12.2013 16:18 Uhr

Kommentar: möchte Die Geschichte gerne weiter lesen. Was mir auffiel war, dass zu oft über die Schulter geschaut wird. Es war schon vorhersehbar, dass dies geschehen würde.... nicht weiter schlimm....
Dann ist meine Erfahrung, dass sich das Atmen nicht so schnell normalisiert. Das zeigst Du gleichzeitig auf mit der brennenden Lunge.
Das wird Dir selbst noch auffallen. Ich schreibe auch ganz gern (manches mal...), habe dann aber nicht den Nerv das Geschriebene nochmals zu überarbeiten. Dadurch habe ich bisher davon abgesehen was davon zu veröffentlichen...

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