(Kapitel 10 - Kapitel 11)


Kapitel 10
In Gedanken an die alte Zeit

Gavin lief die Straßen Marenehs entlang, Fia auf seinen Armen und unterwegs zurück auf die Felder. Maren war wahrscheinlich schon längst mit der Wäsche fertig. Bei den Gedanken an seine Tochter wurde ihm warm ums Herz. Seit dem Tag als er sie zum ersten mal in seinen Armen hielt, war sie das Licht in seinem Leben. Damals hatte sie ihn angelächelt und ihre großen runden dunkelblauen Augen, die sie bis heute behalten hatte, strahlten wie das Meer im Schein der Sonne.
Gavin erinnerte sich gerne an diese Zeit zurück. Maren war noch ein Säugling gewesen, noch weit davon entfernt die junge Frau zu werden die sie nun war, von den Männern verehrt, und Aline, seine geliebte Frau, war noch am leben gewesen. Warum war sie nur verschwunden? Wäre sie bei ihm geblieben, wäre sie nicht vor eine Kutsche gelaufen und gestorben, sie wäre noch heute am leben. Maren hätte dann noch ihre Mutter. Gavin seufzte. Es sollte nicht sein. Anim hatte andere Pläne und rief Aline zurück in sein Reich. Nur die Gewissheit das ihre Seele bei dem Gott des Todes sicher war, beschützt vor Nihil, linderte den tiefen Schmerz in Gavins Herzen, den sie hinterlassen hatte.
In Erinnerungen schwelgend schritt er durch die Stadttore hinaus, zurück auf die Felder. Fia war auf seinen Armen eingeschlafen, er hatte es gar nicht bemerkt. Gavin betrachtete sie. Ihre blauen Augen waren geschlossen, er fragte sich welche Farbe sie später annehmen oder ob sie so bleiben würden, ihr Haupt war bedeckt von kurzen hellblonden Härchen und ihre Haut war so weiß wie Schnee, welche zuvor von Unrat und Dreck der Straßen bedeckt war. Fia würde später zu einer Schönheit heranwachsen, da war er sich sicher.
>Noch eine Tochter um die ich mich sorgen muss<, dachte Gavin mit einem weichen lächeln auf den Lippen. >Doch diesmal gibt es einen großen Bruder der sie beschützt.< Alec, Eara und Fia waren zwar erst seit wenigen Tagen bei ihnen aber er hatte sie schon in sein Herz geschlossen, er würde wie ein Vater für die drei werden. Er würde alles tun damit sie sich bei ihm und Maren wohl fühlten.
Schon vom weiten erkannte Gavin die Wäsche die Maren zum trocknen aufgehangen hatte. Alec und Eara rannten spielend umher. Gavin trat ins Haus und legte Fia in ein kleines Holzbettchen, in dem vor vielen vielen Jahren Maren einst geschlafen hatte. Dennoch kam es ihm wie Gestern vor. War seine Tochter wirklich schon ein Dutzend und sieben Jahre? Schon Erwachsen und im heiratsfähigen Alter. Doch es war egal wie sehr sie altern würde, sie würde immer sein kleines Mädchen bleiben, dass ihn anlachte, zu ihm ins Bett kroch wenn sie sich einsam fühlte oder schlecht geträumt hatte und sich in seine arme schmiegte weil sie ihn lieb hatte.
Seufzend betrachtete er die kleine Fia. „Sie ist so friedlich“, flüsterte er und strich der ihr über die Stirn. „Bleibe so lang du kannst so klein, denn so bleiben dir und vor allem mir all die Sorgen die du in deinem Leben haben wirst verborgen.“ Je länger Gavin die schlafende Fia betrachtete, so mehr begann er sich nach den alten Zeiten zu sehnen. Vor seinem inneren Auge sah er, wie Maren in diesem Bettchen lag und ruhig schlummerte. Er riss sich von seinen Gedanken los und blickte sich um. Wo war Maren? Gavin verspürte den Wunsch mit seiner Tochter über die Zeit zu sprechen, als sie noch ein Säugling gewesen war. >Ich werde alt<, stellte er schmunzelnd fest.
Gavin trat aus dem Haus, ließ seinen Blick über die Landschaft streifen und stellte bedauernd fest, dass er außer Alec, Eara und ein paar Bauern niemand anderen sah. „Alec, Eara“, rief er, winkte die beiden Kinder mit einer Handbewegung zu sich und fragte sie als sie bei ihm ankamen: „Habt ihr Maren gesehen?“ Eara nickte. „Sie ist in Richtung Meer gegangen.“
„Und wann war das?“, fragte Gavin. „Noch vor der zehnten Glocke, vor Sonnenhoch“, antwortete Alec. >Das ist schon drei Glocken her.< Gavin fragte sich ob er zu ihr gehen, oder warten sollte bis sie wieder kam. Wie Maren das Meer wohl fand? Sie hatte es ja noch nie zuvor gesehen. Er lächelte. Ganz bestimmt gefiel es ihr, so wie er seine Tochter kannte. Wahrscheinlich hatte sie nur die Zeit vergessen.
Gavin wandte sich den Feldern zu. Er würde Maren für heute ihren Träumen überlassen und sich allein um die Felder kümmern. Im Moment gab es glücklicherweise nicht so viel zu tun, wie in den letzten Wochen. Vielleicht würde auch er ein wenig Ruhe bekommen und seinen Rücken schonen können, so würde sich Maren auch nicht so viele Sorgen um ihn machen müssen.


Kapitel 11
die Welt der Meere

Hatte Rhona gerade Aquarius gesagt? Sprach sie wirklich vom Gott des Wassers? Aber das konnte doch nicht sein, oder? „Meinst du ein Ritual oder so etwas?“, fragte Maren, anders konnte sie sich das nicht erklären. Doch für ein Ritual brauchte man einen Priester, zumindest waren sie es die in Mareneh die Rituale durchführten. Gab es bei den Völkern der Meere auch so etwas wie einen Priester?
Rhona lachte leise. „Spätestens jetzt hätte ich dir geglaubt das du ein Mensch bist.“ „Wie meinst du das?“, fragte Maren verwirrt. Die Meerjungfrau lächelte. „Wozu braucht man ein Ritual, wenn er dir möglicherweise persönlich helfen kann?“ „Per... persönlich?“, stotterte Maren. Meinte Rhona das ernst oder erlaubte sie sich einen üblen Scherz? Maren würde auf Aquarius treffen? Das konnte nicht sein!
„Schau doch nicht so skeptisch“, sagte Rhona, wie sie auch immer Maren ihre zweifel ansehen konnte, immerhin erkannte man in der Regel nicht was ein Fisch dachte oder fühlte. >Zumindest wir Menschen können das nicht.< „Es ist nicht so das ich dir nicht glauben will“, begann Maren, „aber, die Vorstellung das ich einem Gott begegne, ich als ein einfaches Bauernmädchen, dass ist fast so unmöglich wie das ich eines Tages einen Prinzen heirate und in einem Schloss lebe.“ Sie schüttelte den Kopf. „Von so etwas kann ich nur Träumen.“ „Und dennoch wird es geschehen“, sagte Rhona mit einem lächeln. „Aquarius ist nicht so unerreichbar wie du glaubst, zumindest nicht für die Wesen der Meere. Ach und noch etwas, nenne ihn keinen Gott, er mag das nicht.“
Das überraschte Maren. Er war doch einer oder nicht? Wieso wollte er nicht so genannt werden? „Er sieht sich nicht als Gott“, erklärte Rhona die wohl erriet was in Marens Kopf vor sich ging. „Keiner von ihnen außer Nihil.“ Maren sagte nichts dazu. Wer wusste denn schon was in dem Kopf eines Gottes vor sich ging, selbst ihre Priester hatten hin und wieder ihre Schwierigkeiten zu verstehen was die Götter planten.
Schweigend schwamm Maren neben Rhona her. Der Meeresgrund war schon so tief das er schon beinah nicht mehr von dem Licht der Sonne beleuchtet wurde. Da viel ihr Blick auf etwas was ein wenig so aussah wie eine gelbe Blume, nur statt Blüten hatte sie so etwas wie Tentakel. Maren schauderte, es erinnerte sie an Tintenfische, die die Fischer hin und wieder mal an Land zogen, gruselige, schleimige Fische. „Das dort sind Korallen“, sagte Rhona. „Sind das Pflanzen?“, fragte Maren entgeistert. Die Meerjungfrau schüttelte den Kopf. „Es sind Tiere, aber sie leben eng mit Algen zusammen, die eindeutig Pflanzen sind.“ Maren betrachtete verwundert das eigenartige Wesen. „Mach dir nichts draus“, sagte Rhona. „Die Menschen denken oft das Korallen Pflanzen sind. Ihr könnt ja auch nichts dafür, deine und meine Welt sind einfach zu verschieden.“
Nachdenklich starrte Maren auf die Koralle, dann wandte sie sich an Rhona. „Kannst du mir noch mehr zeigen?“ Wenn sie schon dazu verdammt war ein Fisch zu sein, zumindest so lange bis sie Aquarius erreichten, konnte sie zumindest versuchen diese Welt ein wenig kennenzulernen und womöglich auch ein bisschen verstehen. Die Meerjungfrau nickte, schwamm zum Meeresboden und wies Maren mit einer Handbewegung an ihr zu folgen. „Man findet so viele verschiedene Arten von Korallen im Meer. Sie unterscheiden sich in Form und Farbe.“ Sie wies auf die Korallen. „Hieraus entwickelt sich über Jahrzehnte hinweg ein Rief. Der Boden wird dann übersät von Korallen sein. Berühre sie mal.“ Maren strich zögernd mit eine ihrer Vorderflossen über die Oberfläche der Koralle. „Was fühlst du?“, fragte Rhona. „Es ist hart“, antwortete Maren. Die Meerjungfrau nickte. „Das ist eine weitere Besonderheit von ihnen.“
„Sonderbare Tiere“, sagte Maren nachdenklich. Rhona schmunzelte. „Hier werden sich schon bald Fische, Krabben und andere Meerestiere ansiedeln“, erklärte sie. „Sie suchen hier nach Schutz undNahrung.“ „Und warum sind sie noch nicht hier?“, fragte Maren. „Vielleicht ist das Riff noch zu klein“, sagte Rhona schulterzuckend. „Komm, wir sollten weiter.“ Maren nickte und folgte ihr. „Es gibt Dinge auf die du achten solltet“, berichtete die Meerjungfrau, mit einem ernsten Gesicht. „Bisher gab es keine großen Probleme, aber das Meer ist nicht so harmlos wie es scheint.“
„Wie meinst du das?“ Maren blickte sie besorgt an. Rhona seufzte traurig. „Das offene Meer steckt voller gefahren. Jäger und Strömungen können dein Leben in wenigen Augenblicken beenden.“ Maren blickte sie mit großen schockierten Augen an, aber sie bemerkte es gar nicht und redete weiter: „Und eines darfst du auf gar keinen Fall vergessen, bleib dort wo die Sonne scheint. Gehe niemals tiefer, denn dort wo du nichts mehr sehen kannst lauern die größten Gefahren.“ „Was ist denn dort, wo ich nichts sehen kann?“, fragte Maren flüsternd. Rhona schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Das Leben dort kommt zu selten in das beleuchtete Gewässer. Doch ich kenne Geschichten unseres Volkes, wo die Neugier manch einer schon übermannt hatte und sie sich in das tiefe Gewässer gewagt hatten. Bisher war niemals wieder jemand zurückgekehrt.“
Maren schauderte bei dem Gedanken sich in der tiefen Dunkelheit zu befinden und verzweifelt versuchte sich zurecht zu finden, mit einer Gefahr im Nacken von dem sie nicht mal wusste was es war, es noch nicht einmal sehen konnte.
Auf ihrer weiteren Reise durch eine ihr noch so unbekannten Welt, kam sie an weiteren so unterschiedlichen Meereslebewesen vorbei. Jedes mal erklärte Rhona ihr was es für Lebewesen waren, darunter waren die verschiedensten Fische, Quallen, Schildkröten und Rochen.
„Und was ist das?“, frage Maren und deutete auf einen Fisch der sie ein wenig ängstigte. Der vordere Teil des Kopfes, sah aus wie eine spitz zulaufende Schnauze, der Körper war versehen mit zwei Rückenflossen, eine ungefähr auf der Höhe der Hälfte des Körpers, eine in der Nähe der Schwanzflosse die um einiges kleiner war als die erste, zwei Brustflossen und zwei Bauchflossen. Die Haut oberhalb des Fisches schimmerte silbern, die unterhalb war weiß. Rhona sah in die Richtung in die Maren wies. Ihr Gesicht wurde bleich. „Ich hatte gehofft das sie uns für die Reise erspart bleiben.“
„Was ist das für ein Fisch?“, fragte Maren erneut, doch dieses mal ein wenig angespannter. „Ein Hai“, antwortete die Meerjungfrau. „Ist er gefährlich?“, flüsterte Maren. Rhona starrte auf das Tier. „Nicht wenn er nicht hungrig ist.“


© Lighania


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Kommentare zu "Hexenfluch-Verdammt unter Wasser (Teil 6)"

Re: Hexenfluch-Verdammt unter Wasser (Teil 6)

Autor: Schmusekatze   Datum: 04.11.2013 14:01 Uhr

Kommentar: tolle Geschichte -.- bin gespannt wie es weiter geht

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