(Kapitel 8 - Kapitel 9)


Kapitel 8
Zweifel, Enttäuschung und Selbstmitleid

Maren wusste nicht wie lange sie schon schwamm, aber es war ihr auch egal. Die Hexe war verschwunden, hatte sie in einen Fisch verwandelt ohne erkennbaren Grund. Wie konnte ein Mensch nur so grausam sein? Maren hatte bis zu den heutigen Tag, immer an das Gute im Menschen geglaubt. Sie hatte der Menschheit vertraut, ein Fehler wie sich herausstellte. Selbst Nihils Anhänger hatten ihrer Meinung nach noch eine zweite Chance verdient.Wie dumm sie gewesen war. Wie konnten die Götter so etwas grauenhaftes zulassen? Wie konnte Aquarius so etwas zulassen? Hatte er einfach dabei zugesehen wie Maren, die schon seit sie denken konnte sich ihm zugewandt hatte, ihn als ihren Gott auserwählt hatte, verflucht wurde? Hatte es ihm Spaß gemacht sie leiden zusehen? Wenn nicht, hätte er doch etwas unternommen, oder?
Maren schwamm weiter, einfach gerade aus, immer weiter auf das offene Meer hinaus. Wut brodelte in ihrem Bauch und je mehr Fragen sie sich stellte, desto mehr entfachte es. Waren sie alle schlecht, so schlecht wie Nihil? Maren könnte sich selbst auslachen. Sie war doch nur eine Schachfigur im Spiel der Götter, ein einfacher Bauer der als Waffe gegen die Langeweile mit Leichtigkeit geopfert wurde.
Womit hatte sie das nur verdient? Sie war doch immer ein anständiges Mädchen gewesen, hatte immer denjenigen geholfen die ihre Hilfe benötigten, hatte bescheiden gelebt und sich nie beschwert. Warum also? Hassten die Götter sie so sehr? Am liebsten hätte sich Maren in ein Loch verkrochen und geweint, mit den Tränen alles fort gewischt. Doch sie tat es nicht. Konnten Fische überhaupt weinen?
„Bestimmt“, flüsterte sie. „Bestimmt ist das alles nur ein schlechter Traum. Ich muss nur aufwachen, dann wäre ich wieder auf den Feldern, ich wäre wieder bei meinem Vater.“ Doch sie wusste dies hier war kein Traum, sondern die kalte, grausame, brutale Realität. Kopfschüttelnd hörte sie auf zu schwimmen. Verzweifelt versuchte sie so ihre Gedanken aus ihren Kopf zu verbannen.
Sollte sie es wirklich zulassen, dass sie ihren Glauben an die Welt und ihre Götter verlor? Nein, dass konnte sie nicht zulassen. Das war alles was ihr noch geblieben war. Sie musste ihre Verzweiflung irgendwie anders loswerden und nicht die Schuld bei den Göttern suchen, die, außer Nihil vielleicht, gar nichts damit zu tun hatten. Die Schuld trug allein die Hexe, vielleicht noch Marens Mutter, die die Hexe vor Zwanzig Jahren verärgert hatte. Maren musste die Rachsucht einer Hexe ausbaden, wegen einem Ereignis das vor ihrer Geburt stattfand. Es war nicht fair, doch wann war es das Leben schon?
„Nein Maren“, schallt sie sich selbst. „Du musst aufhören so zu denken.“ Doch im Moment viel ihr das nicht leicht. Seufzend schloss sie ihre Augen. Es musste doch einen Weg aus ihrer, für sie, aussichtslosen Lage geben. Irgendwie musste sie doch wieder ein Mensch werden können. >Aquarius bitte hilf mir, ich flehe dich an, hilf mir.<
Dann wie ein Zeichen drang eine wunderschöne Melodie an Marens Ohr. Es war wie ein Lied. Von welchem Fisch das wohl kam? Maren öffnete wieder ihre Augen. Sollte sie der Melodie folgen oder wieder stur gerade aus schwimmen ohne Ziel vor Augen? Maren setzte sich in Bewegung, sie folgte der Melodie.

Es brauchte nicht lange bis sie dem Ursprung der Melodie auf die schliche kam. Maren traute ihren Augen nicht. Sie hatte nicht damit gerechnet das diese Wesen wirklich existierten. Für sie waren es nur Geschichten von Seemännern mit denen die Phantasie durchging, was bei den Monaten die sie meist auf See verbrachten, umgeben von schwitzenden müden Männer, ohne eine Frau meilenweit, nicht verwunderlich war.
Vor ihr schwamm ein Wesen, halb Mensch halb Fisch, durch ein Felsenriff und schien etwas zu suchen.
Ihr langes rotes Haar umrahmte ihren Körper, ihr menschlicher Oberkörper endete in einer schuppigen gelbgrünen Fischflosse, zwischen ihren Fingern hatte sie Schwimmhäute und ihr Busen war entblößt. Vor Maren schwamm wahrhaftig eine Meerjungfrau.
>Es sollte mich eigentlich nicht mehr überraschen, dachte sie. Immerhin wurde ich verflucht und zu einem Fisch gemacht, wieso also sollte es dann keine Meerjungfrauen geben?< Der Blick der Meerjungfrau fiel auf Maren. „Oh“, unterbrach sie ihren Gesang. Überraschung blitzte in ihren violetten Augen auf. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet von einem fremden Fisch angestarrt zu werden. „Kann ich dir helfen?“


Kapitel 9
Ein Hoffnungsschimmer?

Fragend blickte die Meerjungfrau Maren an, die ihre Sprache verloren zu haben schien. Die Geschichten über Meerjungfrauen waren wirklich wahr. Waren es dann auch die Legenden von Drachen, Greifen und all die anderen Wesen? „Alles in Ordnung?“, fragte die Meerjungfrau. Noch immer sprach Maren kein Wort, stattdessen starrte sie sie nur weiter an. „Ich bin Rhona“, versuchte es die Meerjungfrau anders, während sie näher an Maren heran schwamm. Ihre gelbgrüne Fischflosse glitt anmutig durch das Wasser.
Sie konnte gut verstehen das sich Seemänner auf dem offenen Meer, nach Meerjungfrauen sehnten. Rhona war elegant, wunderschön und sie hatte etwas an sich das Maren verzauberte, die sich so unscheinbar, so hässlich neben ihr vorkam. Wenn die Hexe sie schon verfluchen musste, warum hatte sie aus dann keine Meerjungfrau gemacht? So hätte sie zumindest etwas menschliches behalten.
Rhona sah sie an, sie schien auf etwas zu warten. Maren wich ihrem Blick aus. „Du kannst mir nicht helfen“, sagte sie, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. Rhona schwamm neben sie. „Das kannst du nicht wissen“, sagte sie leise, gerade noch so laut das Maren sie verstehen konnte. „Versuch es doch einfach. Erzähl mir was los ist.“ Maren blickte die Meerjungfrau an. Vielleicht konnte Rhona ihr wirklich helfen. Maren atmete einmal tief ein, noch immer nicht daran gewöhnt, dass es keine Luft gab die ihre Lungen erfüllen konnte. Keine Luft, keine Lungen. „Ich bin ein Mensch.“
Ungläubig legte Rhona ihre Stirn in Falten. „Du glaubst mir nicht“, stellte Maren fest, was sie jedoch nicht verwunderte. Rhona verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und blickte nachdenklich drein. „Nun ja, du hast Schuppen und Flossen, was Menschen bekanntlich nicht besitzen.“ Maren seufzte. „Ich mache dir keinen Vorwurf. An deiner Stelle würde ich mir auch nicht glauben, aber ich bin wirklich ein Mensch.“
„Hmm“, überlegte Rhona. Einen langen Moment herrschte Stille, zu lang wie Maren fand. „Gut“, sagte die Meerjungfrau dann endlich. „Ich glaube dir. Warum solltest du mich auch belügen, du hättest ja nichts davon.“ Sie sah Maren direkt in die Augen. „Also, was ist passiert? Warum bist du jetzt ein Fisch?“
Maren hielt inne. Sollte sie Rhona alles erzählen? Warum nicht? Vielleicht wusste sie einen Weg um den Fluch zu brechen. Maren musste zurück. Was würde sonst aus ihrem Vater werden? Moana wollte ihn trösten. Nein, Maren konnte nicht zulassen, dass sich ihr Vater in dem Netz der Hexe verfing. Entschlossenheit blitzte in ihren Augen auf. Sie würde den Fluch brechen, egal wie, sie musste es einfach.
Maren berichtete Rhona von den Ereignissen in Mareneh und den grünen Lichtern in der Nacht, wie sie ihre Träume dazu trieben zum Meer zu gehen und der Verwechslung am Strand, einfach alles. Die Meerjungfrau hörte aufmerksam zu, nickte hin und wieder zur Bestätigung das sie Maren folgen konnte und unterbrach sie kein einziges mal.
„Wie kann man nur so grausam sein?“, fragte Rhona leise als Maren geendet hatte. Maren schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht, aber das ist im Moment auch nicht wichtig. Ich muss einen weg finden diesen Fluch zu brechen.“
„Vielleicht“, überlegte Rhona laut, während sie nachdenklich auf den Boden blickte. „Könnte er...?“ Maren horchte auf. „Was meinst du? Vielleicht könnte wer was?“ Die Meerjungfrau räusperte kurz bevor sie antwortete: „Ich kenne nur einen Mann der dir vielleicht helfen könnte. Du wirst ihn kennen.“
„Wen?“, fragte Maren, ganz aufgeregt das der Fluch vielleicht bald gebrochen werden konnte. Rhona lächele. „Ich rede vom Heer der Meere, Aquarius.“


© Lighania


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