Cats and the City

Dr. Frankenstein Teil I


Es ist mal wieder so weit: Der jährliche Blutcheck meiner Katzen (oder wie Quentin meint das Fegefeuer!) steht an.
Damit die beiden sich schon mal daran gewöhnen, räume ich die Transporttaschen schon einen Abend vorher aus der Abstellkammer und stelle sie zum Beschnuppern hin. Es klappt wie immer erstaunlich gut. Weder die paranoide Mina noch mein ausgekochter Kater (der die Taschen in Horrorfilmmanier auch gerne „Gondeln des Todes“ nennt - Quentin hat eindeutig zu viele Hammer-Studio-Filme gesehen - ), schöpfen Verdacht. Sie gehen nach einer kurzen Riechprobe unbeeindruckt ihrer Wege. Die Tatsache, dass sich die beiden so leicht übertölpeln lassen, erstaunt mich immer wieder! Ich benutze die Katzenkennels ausschließlich für die „Terrorfahrten“ zu Dr. K. und beide Katzen verbinden damit nur Angst und Schrecken, ich allerdings auch! Es ist jedes Mal eine Kraft- und Mutprobe für mich, die um ihr Leben kämpfenden „Raptoren“ festzuhalten und zu beruhigen. Aber es hilft alles nichts, ich muss wissen, ob meine Katzen gesund sind!
Am nächsten Morgen fangen bei Quentin sachte die Alarmglocken an zu schrillen, als ich die Reihenfolge ändere und mich zuerst wasche und Kaffee mache, anstatt Frühstück für ihn und Mina. Das ist kein gutes Omen für ihn! Denn dem Kater fällt ein, dass er immer nüchtern zu Dr. Frankenstein muss. Ja, Quentin nennt den netten gutmütigen Dr. K., Dr. Frankenstein! Das ist ihm nicht auszureden! Ich hege den Verdacht, dass der gerissene Kerl sich auch DVDs reinzieht, wenn ich nicht daheim bin! Er hat genau wie ich ein Faible für Gruselfilme und ich habe ihn schon öfter dabei ertappt, wie er hastig Decken und Fischchips wegräumt, wenn ich unvermutet früher nach Hause komme.
Mich nennt er übrigens Igor, nach dem Assistenten von Dr. Frankenstein! Ich finde das nicht sehr charmant, denn Igor war buckelig und alles andere als hübsch! Quentin meint, da ich dem „Sadisten-Doc“ zuarbeite und ihn und Mina der Folter ausliefere, hätte ich das nicht besser verdient!
Er fixiert mich also mit schmalen Augen und meint misstrauisch:“Kein...Frühstück?!!“ „Neihein“ trällere ich und bemühe mich krampfhaft, an etwas Anderes zu denken, damit er meine Gedanken nicht lesen kann „wir ändern heute mal die Reihenfolge. Frühstück gibt es in 10 min.“
„Ich habe aber JETZT Hunger“ anwortet Quentin patzig. „Hast du auch noch in 10 min mein Süßer“. „Das heisst also im Klartext, es geht zu Dr. Frankenstein in sein Folterkabinett“ äußert Quentin verbittert und mustert wachsam jede meiner Bewegungen. „Ach wo!“ sage ich und kreuze rasch meine Finger hinter dem Rücken, angesichts dieser dicken Lüge.
„Wo ist eigentlich Mina?“ lenke ich ihn ab, während ich mich rasch anziehe. Quentin zieht inzwischen gierig wie immer (darüber vergisst er jede Vorsicht), mit der Pfote die Rattankörbe mit dem Katzenfutter hervor, um seine Wahl fürs Frühstück zu treffen. „Interessiert mich, ob in China n’ Reissack umfällt?“ antwortet er mürrisch. „Quentin!“ tadele ich ihn scharf. Er deutet mit der Pfote hinter mich:“Da hinten hockt die dumme Gans und glotzt wie immer blöd!“ Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, den er ignoriert. Er kramt weiter in seinen Futterdosen. „Die hat mal wieder nur Mist eingekauft...“ murmelt er vor sich hin. „Guten Morgen Püppchen“ säusele ich Mina an und bücke mich dann blitz-fix nach meinem verfressenen Kater, um ihn in Sekundenschnelle in die Tasche zu stopfen. Ich komme mir ein bisschen vor wie Judas, ziehe aber aufatmend den Reisverschluss hinter ihm zu. Der erste Teil ist geschafft und es ist mir wie jedes Jahr gelungen, ihn trotz seiner Cleverness zu überrumpeln, denke ich amüsiert. Es ist wichtig, IHN zuerst zu verstauen. Da Quentin mit seinen riesigen Füßen ausgezeichnet springen und klettern kann, ist er auch ziemlich schnell außer meiner Reichweite, wenn er den Braten riecht. Ich wohne in einem ausgebauten Wäscheboden im 5. Stock und das Dachgebälk ist ein prima Katzenspielplatz! Keine Chance mehr für mich, wenn „Bugs Bunny“ da erst mal raufgejumpt ist. Jetzt dämmert es auch meiner naiven kleinen Mina, wie der Hase läuft und sie schaut sich panikerfüllt nach einem Schlupfloch um. „Oh lieber Gott nein, bitte nicht!“ wimmert sie mitleiderregend. Quentin ist erst mal in eine Art verblüffte Schockstarre verfallen und ist ungewohnt still. Mina flüchtet sich ungeschickterweise laut jammernd auf den Kratzbaum, an den sie sich mit Bärenkräften klammert! Ich greife nach ihr und versuche behutsam sie vom Baum zu klauben. „Nein, nein, meine Nägel!“ kreischt sie los. „Pass auf meine Nägel auf“ Ich habe sie mir gestern erst gemacht!“ „Ich passe ja auf Püppchen“ sage ich beruhigend und löse sanft Kralle für Kralle von den Sisalstämmen. Mina ergibt sich zitternd in ihr Schicksal und endlich befinden sich meine beiden Helden in den Transporttaschen. Es herrscht eine geradezu unheimliche Stille, als ich sie ins Auto verfrachte, leise klassische Musik anstelle und vorsichtig losfahre. Nach ein paar Kilometern halte ich die „Friedhofsruhe“ nicht mehr aus und frage beunruhigt nach: „Lebt ihr noch?!“ das löst leider eine Lawine aus! Quentin trommelt mit seinen Riesenfüßen kickboxend an die Stoffwände und fängt aus Leibeskräften an, zu brüllen . „Ich glaub’s nicht! Du blöde Kuh hast es schon wieder getan!! Du hast mich angelogen, ausgetrickst und verraten! Ich habe dir VERTRAUT“ Quentin kreischt das letzte Wort in Großbuchstaben. „Hilfeee, ich habe Platzangst, ich hyperventiliere, ich kriege keine Luft!! Das ist Freiheitsberaubung, Nötigung!“ japst er. Die Tasche rollt wild im Wagen umher, so tobt er rum. Quentin holt kurz Luft und feuert weiter: „Das ist ein Fall für Amnestier! Wir Kater haben auch Bürgerrechte! Lass’ mich hier raus du blöde Tussi!!“ Es folgt ein hysterisches Maunzen. Wenn Quentin außer sich ist, verfällt er in Katzensprache, ich kann ihn dann Gott sei Dank nicht mehr verstehen. Eine kurze Erklärung zu dem Wort AmnesTIER: Quentin hat im Radio mal einen Bericht über Amnesty International gehört und ist seitdem felsenfest überzeugt, dass es eigentlich AmnesTIER heisst!. Er meint, dies wäre ein Verein zur Wahrung der Rechte „gestreifter kleiner Bürger“ wie ihn! Ich habe ihn tatsächlich einmal dabei ertappt, wie er die Dame von der Auskunft bequatschen wollte, ihm die Nummer von AmnesTIER zu geben. Sie hielt das für einen Kinderstreich und hat einfach aufgelegt, worüber Quentin sehr erbost war. Seitdem sperre ich das Telefon ein, wenn ich das Haus verlasse. Es ist einfach nicht zu glauben! Der Kater wird immer ausgebuffter, vermutlich muss ich in Zukunft meinen kompletten Hausrat einsperren, wenn die beiden allein sind.
Zurück zur Horrorfahrt. Ich sitze inzwischen ziemlich verkrampft am Steuer, was nach Quentins Tobsuchtsanfall ja auch kein Wunder ist. Er brabbelt währenddessen nur noch erschöpft vor sich hin.
Kaum atme ich etwas auf, hat Mina, die Quentins Keiferei leise vor sich hin weinend über sich ergehen ließ, ihren Einsatz. Sie stößt ein derart unheimliches, schauerliches Heulen aus, dass mir ein heftiger Adrenalinstoß durch die Adern fährt. Das Puppengesicht kann Töne fabrizieren, da hört sich der „Hund von Baskerville“ wie ein mickriger Yorkshire-Terrier an! Ich frage mich jedes Mal, aus welchem Resonanzkörper sie das holt. Die Kleine ist eine richtige Mogelpackung.
„Mir ist schlecht!“ heult Mina verzweifelt. Ich rutsche unruhig auf dem Sitz hin und her, mir schwant nichts Gutes. „Dir ist schlecht?“ klingt sich Quentin heiser vom Schreien hoffnungsvoll ein. „Ja“, jammert Mina, „mir ist entsetzlich übel. Das Blechungeheuer schaukelt so doll und stinkt.“
„Das eröffnet ungeahnte Perspektiven“ überlegt Quentin. Ich höre richtig, wie sein kleines, perfides Katerhirn an einer teuflischen Strategie bastelt. „Dann kannst du ja dem Sadistendoc eine ganze Ladung hinkotzen!“ Ich sehe vor mir, wie seine Augen leuchten. „Eine Dame tut so etwas Ekliges nicht!“ meint Mina weinerlich. „Du hast da etwas ganz Elementares nicht verstanden“ meint Quentin. „Die verrückte Tussi, bei der wir wohnen, schleppt uns gerade zu einem erstklassigen Folterknecht mit riesigen Nadeln und spitzen Werkzeugen! Das ist nicht die Zeit um vornehme Zurückhaltung zu üben,hier geht’s ums nackte Überleben!“
„Quentin!“ versuch ich, ihn zu bremsen. „Mina hör nicht auf ihn“, rede ich fieberhaft auf sie ein. „Das ist doch nur ein kleiner Piekser und ich habe keine Kotztüte dabei.“ Ich gerate jetzt leicht in Panik.
„Hört doch auf, mir ist so schlecht, ich habe ganz doll Angst!“
„Schade, dass mir nicht übel ist“ kommt es von Quentin. „Ich würde warten, bis der Perversling die Tasche aufmacht und ihm dann die ganze Packung von oben bis unten über den Kittel kotzen!!“ Diese Vorstellung entzückt ihn richtig, man hört es an seiner Stimme. „So wie die Göre aus „der Exorzist“, wie hieß die noch gleich?...Ach ja, Linda Blair“.
„Quentin!!!“ brülle ich los, aber es ist zu spät. Dieses letzte Bild war zu viel für Minas zartes Gemüt. Sie hat den Film leider auch gesehen und hat heute noch Alpträume davon. Grün im Gesicht übergibt sie sich laut wimmernd in den Transportkorb. Ich muss an den Straßenrand fahren und Mina wie Korb notdürftig säubern. Dabei stauche ich Quentin ordentlich zusammen. Er wusste genau, was die beschriebene Szene bei Mina auslösen würde, hat sich nur im Timing geirrt. Daraufhin fällt er in beleidigtes Schweigen. Alle drei mit den Nerven jetzt schon runter kommen wir endlich bei Dr. K. an.


© Mina


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Beschreibung des Autors zu "Cats and the City"

Als ich meine katzen vor einigen Jahren vom Tierschutzerein übernahm, traf ich auf zwei traumatisierte Tiere, die nur mit viel Geduld und altenativen Heilmethoden, wieder ein lebenswertes Leben hatten..bei mir im "Dachboden". Sie sind Stadtkatzen, die laut Tierschutz, Freigang nie kennenlernten.Nach einiger Zeit bemerkte ich,dass zumindest mein dominanter ,großer Tigerkater Quentin , irgendwann mal "draussen" gewesen sein musste und versuchte alles, (Kletterwände, Leitern usw.) um das Leben ohne Freigang , attraktiver und erträglicher zu machen. Es wurde besser..aber leider besserte sich nie das Verhältnis zur introvertierten ,sanften Mina. Sie war sein Blitzableiter! Er ignorierte sie die meiste Zeit, aber wenn gekämpft wurde, war sie ihm nie gewachsen und es floß auch Blut.
Da ich darüber sehr frustriert war (Mina aber auch nicht ohne Quentin sein wollte),suchte ich ein Ventil in meinen Geschichten über die beiden und versuchte die Szenarien humorig zu skizzieren..nach dem Motto: Was wäre wenn die beiden Comic Figuren wären? So entstanden in meinem Kopf immer mehr Dialoge(vor allem Quentin, hat zu sämtlichen Themen viel beizusteuern;.-) die ich hier einstellen möchte..vielleicht können andere Katzenliebhaber, ein Lächeln daraus ziehen..

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