Das macht man nicht

Das macht man nicht, das gehört sich nicht!

Eine Lausbubengeschichte aus den vierziger Jahren.

In Hochheim gab es zwei Schulen. Eine Grundschule und eine katholische Mädchenschule. Diese katholische Schule wurde von Mädchen besucht, die
betuchte Eltern hatten. Für Kinder von einfachen Leuten war die Schule nicht gedacht.
Die Lausbubengang, von Gerd Klauer, besuchte die Grundschule.
Es war Mitte November und es regnete schon tagelang. Der Schulhof war mit Pfützen übersät. In den Schulpausen war Langweile angesagt. Sonst lag der Schnee im November schon meterhoch.
Man stand in den Pausen im Treppenflur, schubste sich, oder pöbelte sich an.
Raufereien waren an der Tagesordnung.
Unerwartet machte der Anführer der Gang Gerd Klauer einen Vorschlag, der bei den Gangmitgliedern großen Widerhall fand.
Gerd meinte, man könnte in der großen Pause im Toilettentrakt ein „ Wettpinkeln“
durchführen.
Ingrid und Susi sagten: „Dass sieht euch ähnlich, ihr seid richtige Schweine.“
Diese Bemerkung störte die Jungs nicht bei ihrem Vorhaben.
Die Toiletten befanden sich in einem Nebengebäude der Schule. Über den Toiletten befand sich noch eine Vier-Zimmerwohnung, die der Hausmeister Grahl mit seiner Familie bewohnte.
Die Toiletten waren durch eine Wand geteilt. Links war die Mädchentoilette und rechts war die Toilette der Buben. Die Trennwand war aus Beton. Die Wand stand in einer Höhe von 20 Zentimetern auf Stahlfüßen und war also unten durchgängig offen. Sie hatte eine Höhe von zwei Meter zwanzig. Bis zur Decke fehlten noch 40 Zentimeter, sie war praktisch oben auch offen.
In der großen Pause begann das „Wettpinkeln“, an dem vierzehn Jungs teilnahmen.
Das war ein Spaß, und die Begeisterung der Buben fand kein Ende. Gerd und der
dicke Willi hatten einen solch kräftigen Strahl, dass sie über die Trennwand spritzten.
Von der anderen Seite war ein Schreien, Schimpfen und Lachen der Mädchen zu
hören. Dieses Schauspiel ging über etliche Tage und kein Mädchen war darunter, das petzte.
Doch es gab einen Schwachpunkt unter den Buben. Es war Cornelius, der Sohn von Pfarrer Langrock.
Es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als Hochwürden Langrock am sonntäglichen Gottesdienst von der Kanzel loswetterte. Er rüttelte an der Kanzel,
und zeterte, die Gemeinde wäre im moralischen Zerfall. Langrock begann
weiterhin mit einem langen Palaver. Die Blicke, der betroffenen Eltern wurden immerernster, und die Lausbuben wären am liebsten im Erdboden versunken.
Zu Hause angekommen erhielten die Jugendlichen die verschiedensten Strafen.
Stubenarrest, Kartoffeln stoppeln, Brennholz oder Bucheckern sammeln und Vieles mehr.
Im Vorort bildeten sich zwei Parteien. Die eine Partei betrachtete es als einen lustigen Lausbubenstreich, die anderen sagten, die Moral wäre im Ort gefährdet.
Zu der Partei, die es als Lausbubenstreich ansah, gehörte auch der Fleischermeister Lambert. Der Grund für seine Parteinahme war, dass er stolz und überglücklich über das Verhalten seines Sohnes Willi war. Der dicke Willi war immer eine Memme und ein Feigling, obwohl er zur Gang gehörte. Der Grund, das Willi in der Gang bleiben durfte, war, daß er den Gangmitgliedern oft Wurststücke und belegte Brötchen mitbrachte. Zur damaligen Zeit waren das Köstlichkeiten, die sich die Lausbuben nicht entgehen lassen wollten.
Der Fleischermeister Lambert kaufte Willi als Anerkennung ein aus Blech gebautes Tretauto. Willi schwamm für kurze Zeit in der Gang auf einer Welle der Anerkennung.
Jeden Sonntag nach dem Gottesdienst trafen sich einige prominente Herren in der
Herberge zur „Weißen Lilie. Sie spielten dort immer Schafkopf mit französischen
Salonkarten.
Zu diesem Personenkreis bzw. zu dieser Stammtischrunde gehörte der Landrat, der
Schuldirektor, der Landarzt, der Apotheker, der Fleischermeister, der Wachtmeister
und Hochwürden Langrock. Die Herren spielten Schafkopf und tranken genüsslich ihr Bier. Man unterhielt sich über den Autobahnbau und über die Kontakte der deutschen Regierung zu der Türkei.
Nach der vierten Bierrunde begann Hochwürden Langrock über das Geschehen der
Lausbuben zu reden. Er legte dar, dass er über den Lausbubenstreich, noch heutzutage, tiefe Freude empfinde. Sein Auftreten und seine Predigt wäre auf jeden
Fall seiner Gemeinde gegenüber, berechtigt gewesen. Fleischermeister Lambert schlug sich auf die Schenkel und rief lauthals : „Unser Herr Pfarrer ist ja der größte Schauspieler.“ Wachtmeister Stülpner sagte: „Die beiden Buben hätten für ihr Verhalten eine gehörige Tracht Prügel verdient“ . Worauf der Schuldirektor den Wachmeister anstieß und meinte, man sieht noch heute, das bei dir die Prügel nicht
geholfen habe. Der Landrat stand gemächlich auf und sagte mit einer Bassstimme: „ Aber, aber meine Herren, ich darf doch um Mäßigung bitten,“. Hochwürden Langrock schlug sich einige Male an seine Stirn und rief, ich Tor, ich Tor!
Die Stammtischrunde wurde vorzeitig beendet. Man ging mit Wut im Bauch auseinander. Die Meinungen der Herren waren zu unterschiedlich.
Jedoch am darauf folgenden Sonntag war der Streit der Herren total vergessen,
und man hatte den Eindruck, dass es sich bei den Personen um gute Freunde handelte!


© Jürgen


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