Der Storch ist deshalb so bekannt, weil er zwar fliegt aber nicht geht, geht im Sinne simplen Fortbewegens. Ein Storch schreitet. Adel, zumindest Landadel in den dünnen Beinen! Er schreitet nicht nur, er schreitet auch ein. Und zwar immer dann, wenn sich auf einem Flecken dieser Erde (einige Gegenden sind aus unerfindlichen Gründen ausgenommen) ein sogenannter Kinderwunsch regt, der genau betrachtet, weil sich ein Kind zu so frühem Zeitpunkt nichts wünscht oder noch besser ausgedrückt, nichts wünschen kann, ja ein Elternwunsch ist. Trotz dieses wenig übersichtlichen Satzes, schreitet Adebar (warum alle Störche Adebar heißen und nicht Hans oder Franz, vermag ich nicht zu erklären, ich weiß es einfach nicht) ein – wie ja eben erwähnt.

Er bringt ein Körbchen ins Haus (hin und wieder auch ein Kopftuch, das zur Hängematte gebunden ist (dies aber mehr im Nahen und Mittleren Osten), dem man dann ein niedliches, neues Familienmitglied entnehmen kann, eigentlich muss, da sich jeder Storch weigern wird, es wieder mitzunehmen. Auch nicht gegen Bezahlung. Über Zuwendungen irgendwelcher Art ist ohnehin nichts bekannt, was auf eine gewisse Schäbigkeit junger Eltern schließen lässt. Wohlwollend könnte man das auch einer gewissen Zerstreutheit - des postalischen Ereignisses wegen - zuschreiben.

Zu erwähnen in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass Kinder eine grundsätzlich verschiedene, im Ansatz schrecklich verdorbene Meinung von der Art und Weise, wie sich Nachwuchs einstellt, haben und diese auch unverschämt verbreiten. Für sie erfolgt Familienvergrößerung über mehr oder weniger lustvolle Zeugung in einer mehr oder weniger schwülen Athmosphäre mit anschließender Schwangerschaft und abschließender schmerzlicher Geburt. Ein Märchen, das man in aufgeklärten Zeiten aus den Köpfen der Heranwachsenden zum Schutze der seelischen Gesundheit ihrer “cikonenen” (ein Fachausdruck für “storchlich” – von mir eingeführt) Lieferung eliminieren sollte. Aufklärung hat noch keinem Kind geschadet!!! Drei Ausrufezeichen erscheinen mir hier mehr als angebracht.

Hier möchte ich – etwas artspezifisch abweichend - die geradezu paradoxe Sichtweise der Frösche anführen. Froschkinder glauben umfassend an die Zustellung durch Störche, während adulte Exemplare, also Froscheltern, genau vom Gegenteil überzeugt sind. Für sie bringt Adebar nicht, er holt. Auch eine nicht auszurottende traumatische Vorstellung Erwachsener.

Storchkinder glauben sowohl an Zeugung als auch an Lieferung durch die eigenen Artverwandten. Wundert es da, dass diese Vögel in eine innere Zerrissenheit verfallen, ein unstetes Verhalten zur Schau stellen, das sich am deutlichsten durch den alljährlichen Flug nach Afrika zeigt, wo es ihnen dann aber auch wieder nicht passt und sie – hier stellt sich eine handfeste Paranoia offen zur Schau – wieder zurück fliegen.

Aus all diesen Anmerkungen ist zu ersehen, dass Aufklärung das Um und Auf moderner Erziehung sein sollte. Dazu eignet sich die anschauliche Geschichte mit dem Storch bestens.


© ingo.baumgartner


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Kommentare zu "Das Märchen von der Zeugung (Überarbeitung)"

Re: Das Märchen von der Zeugung (Überarbeitung)

Autor: Uwe   Datum: 01.12.2014 10:52 Uhr

Kommentar: Dass die Störche von dort (Afrika) zurückkommen, kann ich verstehen. Aber wenn es ihnen hier lang genug gut geht, werden sie halt unzufrieden - arg unzufrieden, wie einem Großteil der Bevölkerung Deutschlands, weil es ihr lang gut geht. Ewiger Kreislauf, wie Jahreszeiten.

Re: Das Märchen von der Zeugung (Überarbeitung)

Autor: Ellena V. Schürer   Datum: 02.12.2014 14:36 Uhr

Kommentar: Ach sooo! Auf dem Dach unserer Verwandten haust einer, aber denkste, der macht Anstalten? Da lob ich mir die alte chinesische Methode. LG

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