Männerfreundschaft (zweideutig)

Wie es dazu kam, zu dieser Freundschaft, ist aus weiblicher Sicht schwer nachzuvollziehen. Auf alle Fälle, erstmals so etwa im Zeitrahmen der Pubertät, (so zwischen 10 und 25 Jahre), nahmen sie ihre gegenseitige Freundschaft bewusst an, marschierten so gleichen Schrittes erst entlang der Straße aus bröseligem Beton, dann auf der holprigen Straße des Lebens im süßsauren Schlaraffenland. Diese Freundschaft schien eine ganz besondere zu sein. Keiner wich von des anderen Seite. Eine bedingungslose Freundschaft!

Am Ende der Bröselbetonstraße, sie mündete in freies Feld, wuchsen Maiskolben und Vergissmeinnicht. Der kleinere, angeregt durch aufsteigende Hitze, rannte los, ohne den Großen loszulassen, doch der Große weigerte sich. Er wollte sich in keinem Gemüselabyrinth verlaufen.
Nun gut, dachte er sich, er gibt nach, er wolle die Freundschaft nicht zerstören, des Eigenwillens wegen. Was wollte der Kleine wohl im Maisfeld? Verstecken spielen? Unmöglich! Sie konnten sich nicht trennen. Kurz vor dem Maisfeld nahmen sie, abgeschreckt durch die bedenklich großen haarigen Maiskolben lieber den Weg zu dem abgelegenen Hof von Anonyma. An der brüchigen Hauswand lehnte eine morsche modrige Bank, dort setzten sich beide hin. Eng an den Großen geschmiegt, verbrachten beide in grenzenloser Nähe eine kurze Erholungszeit vom reibungslosen Fußmarsch. Der Große entledigte sich seiner Oberbekleidung, wobei der Kleine sich ganz entgegen seines Naturells schämte und lieber bedeckt blieb. Er war ja noch zu klein und katholisch!

Beide schwelgten in Phantasien, die nur diese beiden kannten. Sie hatten gleiche Vorstellungen, Ideen und Wünsche. Der Kleine, stumm und folgsam, doch gelegentlich etwas aufmüpfig, machte auf sich aufmerksam. Hunger müsste es sein; so der Gedanke des Großen. Er flüsterte dem Kleinen zu, er müsse sich noch gedulden, er müsse erst noch hinter die Böschung die Blumen besprenkeln.
Potz Blitz, … überall hin folgte ihm der Kleine. Verärgert über die permanente Anhänglichkeit und zugleich erfreut über seine stete Anwesenheit bekamen die wild wachsenden Margeriten, Buschenziane, Zwergdisteln und Hirschkäfer das nötige Wasser zum überleben. Anschließend machten sich beide auf den Weg nach Hause.

Oma Tigg wartete mit einer kulinarischen Spezialität auf. Knollenselleriesuppe, „Bockwurst im Staudensellerieteigmantel und der abschließenden Nachspeise „Pastinaken in himmlischer Götterspeise“. Sellerie brauchte der Kleine für sein weiteres Wachstum.
Zur Krönung des Tages absolvierten beide einen Besuch im Verein für Nahkampf. Besorgt um sein Wohlbefinden machte der Kleine sich rar. Er wollte um Nichts in der Welt Bekanntschaft mit einer ledernen, von Schrunden eingekerbter Fußsohle machen. Zusammengesackt verbarg er sich hinter etwas „rosa geblümten, nach lieblichem Weichspüler Duftendem“, bis der Nahkampf zu Ende war. Beide huschten in eine schimmlige Plexiglasduschkabine, wie auch andere Nahkämpfer und deren intimsten Freunde.

Manchmal versuchte der Kleine sich unerlaubt zu strecken, um genauso bedeutungsvoll zu sein wie sein großer Freund, was gelegentlich misslang. Bei einer Überdosis Champagner de Luxe von Metternich schienen beide, - wie kleine Gören kichernd - gleichzeitig schlapp zu machen, um sich nach eingehender Enthaltsamkeit wieder aufzubauen. So eine Männerfreundschaft hält halt wie Pech und Schwefel, über den Tod hinaus.

Auffällig ist allemal, dass sich beide leicht tun, etwas zu teilen, mit einem merklichen Unterschied gegenüber Frauen; Zwei Gehirne entschließen sich zeitgleich, sich ihr 1,05 x 2,22 m Bett, die in allen Naturfarben angehauchte Wachtelfederbettdecke und die kühle metallene Bettkante zu teilen. Doch unerwarteter Dinge, schießt der Kleine manchmal über das Ziel hinaus, ist ungeduldig und kämpft hart gegen den Schlaf seines Großen Freundes an. Aufgebäumt hofft er noch ein paar Streicheleinheiten zu bekommen; zu spät …
Irgendwann des Wartens überdrüssig, rollt er sich zusammen, sinkt in tiefen Schlaf um sich am nächsten frühen Morgen noch vor seinem großen Freund zu strecken … um ihm anschließend für diese intensive, langsam kraftloser werdende Männerfreundschaft zu danken.


TR © Mai 14


© Teresa Ruebli


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Kommentare zu "Männerfreundschaften"

Re: Männerfreundschaften

Autor: noé   Datum: 27.05.2014 1:59 Uhr

Kommentar: Süß! Schmunzellastig.
noé

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