m Grunde genommen machen die Leute mit mir, was sie gerade wollen. Ohne Zweifel wissen sie ganz genau, wie hilfreich ich ihnen eigentlich bin. Ich sehe mich manchmal als eine Art rettender Anker, wenn auch der letzte Freund nicht mehr zuhören kann oder will. Es kann einfach nicht angehen, als faul und phlegmatisch betrachtet zu werden.

Wissen Sie eigentlich, dass ein “Seelenklemptner” zu sein psychische Schwerstarbeit ist? Natürlich behandle ich mittlerweile nur noch ausgewählte Patienten. Auf einen habe ich mich gezwungener Maßen derart spezialisiert, dass ich seinen Sorgen und Problemen meinen gesamten Tagesablauf, ja mein ganzes Leben widme. Durch die Tatsache, dass er so ein schwerer Fall ist, richte ich sogar meine Mahlzeiten nach seinen beruflichen Verpflichtungen.

Wir machen oft lange Spaziergänge. Neulich plante er einmal, umzuziehen, doch der potentielle neue Vermieter spielte allein wegen meinereiner nicht mit.

Ich denke mir in solch einer Situation dann: Der bräuchte doch selbst einen Hund. Denn eines ist gewiss, ich sage nichts weiter! Ich brülle lediglich leidenschaftlich gerne den Briefträger an. Es könnten ja theoretisch noch mehr schlechte Botschaften ins Haus gebracht werden. Ich bin nämlich der Allerletzte, der sich für blöd verkaufen lässt.

Herzlichst,

Bello


© Roman Reischl


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Kommentare zu "Der Psychiater"

Re: Der Psychiater

Autor: grauschimmel   Datum: 01.05.2014 9:38 Uhr

Kommentar: Bello, als Psychiater bist Du Spitze. Aber auch als Mensch wärest Du mir angenehm.
Gruß GS.

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