Wenn man ein Nichts im Regen stehen lässt, wird es dann zu einem feuchten Nichts?
Roberts Kopf formulierte diese Frage, als eben erwähnter Protagonist seinen braunen Regenschirm verlor.
Natürlich unwillkürlich.
Wie auch das Wegfahren des Taxis, in dem seine Ex-freundin saß.
„Du bist ein Niemand, ein Nichts!“ hatte sie es ihm untergejubelt, das Zweifeln an seinem Eigenwert, an seiner Existenz in den Augen anderer.
In seinen Augen lagen Tränen.
Heulsuse.
Der schöne braune Regenschirm…
An den hatte er sich doch bereits gewöhnt. Der war ihm fast wie ein alter Freund geworden.
Ute auch.
Aber Ute hatte soeben gezeigt, dass sie eine dumme Fotze ist.
Von daher war es attraktiver, an den Verlust des braunen Regenschirms zu denken.
An ihm zu hängen.
Robert ließ sich gleiten, er entglitt förmlich seinem eigenen Leben, wie der Griff des braunen Regenschirms seiner Hand entglitten war.
Wo der jetzt wohl war?
Gute Frage.
Robert ging ihr aber nicht nach.
Dem Taxi, also Ute, ging er ebenso nicht nach.
Er ging der Frage nach, was er jetzt wohl machen sollte.
Ob er sich in ein schniekes Restaurant setzen sollte, und essen?
Oder weiter durch die Nacht streifen?
Die Nacht füllen mit ein paar guten Momenten in einer überfüllten Stadt?
Vielleicht würden die Momente sogar BESSER werden…
Wer weiß?
Robert ging in ein Restaurant.
Das Essen war lecker.
Ließ er sogar dem Koch ausrichten.
Ob es stimmte,
würde der Leser nie erfahren.
Die Rechnung war zu hoch.
Und so verließ er das Lokal.
Seine Geldbörse war dort, wo er sie sicher wusste.
Ute würde sie zu schätzen wissen.
Quasi eine Art Abschiedsgeschenk,
dass ganz zufällig auf Roberts Sitz gelegen hatte.
Und ungeplant, also vergessen, liegen geblieben war.
Ob sie es dort gefunden hatte,
würde der Leser ebenso nie erfahren.
Wohl aber blieb der Leser immer auf dem Laufenden.
Was Roberts Nacht betraf.
Sie verging.
Ohne dass ein einziges Geldstück seine Hände streifte.
Dennoch stanken sie.
Kein Wunder.
Die Straßen sind nicht sauber.
Weder Buchstäblich,
noch in den Augen der Zuhälter und Dealer.
Oder gar der Beamten.
Die profitierten nämlich von Bestechungsgeld.
Das System funktionierte.
Der Leser konnte jedoch nur erahnen,
welches System gemeint ist.
Robert war es völlig egal.
Er wachte auf dem Boden auf,
der Gestank, der ihn quälte,
war sein eigener.
Sein Hut aber nicht.
Den hatte ihm einer geschenkt.
Keine Ahnung, wer.
War bestimmt besoffen.
Oder so was.
Robert auch.
So wie der stank.
Hatte sich gut eingefunden.
Ins Penner sein.
Nichts.
Ging ihm durch den Kopf.
Der Begriff, nicht die Entität,
sofern man das Nichts,
als Entität bezeichnen wollte.
Er hing an dem Nichts.
Er kotzte auf die Straße.
Hatte er gestern getrunken?
Vielleicht ja in dem Restaurant.
Er wusste es nicht.
Niemand wusste es.
Nicht einmal der Erzähler.
Irgendwie hatte es der Obdachlose geschafft,
besoffen zu werden.
Nicht aber,
aufzuhören,
ein Obdachloser zu sein.
Schlecht.


© David Uerlings


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Beschreibung des Autors zu "Feuchtes Nichts"

Ein runderer Abschluss wird bisher noch von mir vermisst...




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