Babylon (gesprochen Bäbylon)


„Willst du mir nicht mal vertrauen?“ sagt das Leben auf Türkisch zu mir. Es weiß, daß ich alle Sprachen spreche… „Io sono meraviglioso“ meint es und ich glaube ihm, daß es wundervoll ist.

Ich gehe mit ihm französisch ins Bett und probier dort die indische Eröffnung aus. Das Schachbrett lasse ich vor meinem Kopf. Dort ist es gut aufgehoben, denn mein Verstand liegt in den letzten Zügen: König e 1 nach e 2 (wie Erotik) und wieder zurück. Was macht die Dame?

Im Fernen Osten geht inzwischen die Sonne auf. In der Terrakotta-Armee knistert es schon verdächtig. Mein Sherlock Holmes guckt durch sein Vergrößerungsglas – imaginär versteht sich – und bemerkt sofort, daß er es gar nicht braucht. Die Indizien sind eindeutig, mit dem bloßen Auge sichtbar: auf allen Patenten befinden sich die verräterischen Fingerabdrücke Mao-tse-Ding-Dongs und seiner Ameisen!

Vorsichtshalber stelle ich mir deshalb vor, ich gehe nach Venedig und spiele mit Marco Polo. Das war ursprünglich ein Spiel mit Köpfen. Heute rollen sie nicht mehr so schnell! Aber ich kann im Karneval zehn Masken übereinander tragen. Die vorderste ist der Tod!

Durch alle Masken geblickt sehe ich Europa. Es brennt! „Alles rennet, rettet, flüchtet“* (*Schiller*), zuerst rein, dann wieder raus. Die Glocken läuten nicht mehr! Sind keine gegossen worden?

Von hier aus ist es nicht weit nach Rom. Ich ahne, daß alle Wege dorthin führen. Meiner Unsicherheit Wegen blicke auf die Weiser. Sie lügen! Wie – und gedruckt! Es ist nicht zu fassen! Seit ungefähr zweitausend Jahren führen sie uns hinter das Mondlicht. Wir haben uns dorthin schießen lassen.

Auf seiner Rückseite liegen ganz viele Sterne rum – ungebraucht, unbesprochen. Von keiner Sprache beschrieben. Daher auch nicht verunstaltet. Schwere Zungen – Verteiler sämtlicher Sprachfehler – glimpften sie nicht. Unberührt von trägen Hirnen, liegen sie im Staub der Jahrmillionen, wo sie auf uns warten, auf diejenigen, die sich nicht sputen wollen, mit dem „Woher-komme-ich-und Wohin-gehe-ich?“ und den anderen, die von der Flut mitgerissen, die Niagara-Fälle des Lebens hinuntertreiben.

Ich hoffe für sie, sie tun das in einem Whisky-Fass, oder sie lesen wenigstens in ihrem Kanu gerade den Playboy, bevor die Elemente über ihnen zusammenschlagen.

Darin sind sie gut, die Elemente, im Zusammenschlagen. Seien sie nun in Fäusten beheimatet, durch Fußtritte erklärt, oder in Zickenherzen manifestiert. Viva la ®Evolution! Sie buchstabiert sich unseren Genen durch Worte wie „Liebe“ oder „Krieg“ oder auch „Krieg aus Gründen der Liebe“. Manchmal hat der seltsame Vorgang auch mit keinem von beiden zu tun, sondern nur mit der Sichtbarmachung wilder Vulkanausbrüche durch einen nicht enden wollenden Konvoi von Kinderwagen.

Sofort fällt mir die Atombombe ein, oder auch nur der Meteorit von Yukatan, als es noch gar nicht so hieß. Damals hatten die erfolgreichsten aller Weltbürger auch schon Bauklötze gestaunt, als sie gekündigt wurden.

Mir fällt ein, daß ich nicht Echsisch kann. Man hätte mir also auch damals schon jeden Blödsinn verzapfen können, ohne daß ich weitsichtig geworden wäre. Ein Ixx hätte man mir für ein Uh vorgemacht! Ich wäre gewesen wie ich eben bin: ganz schön eingebildet, im Vertrauen darauf, alles verstehen und jeden Sachverhalt mühelos durchschauen zu können. Hellsichtig bin ich ja sowieso irgendwie: ich neige zu hysterischen Anfällen im Déjá- Vu-Bereich!

Doch, bevor ich jetzt noch sentimental werde, gehe ich lieber voll aus mir heraus, bürste meine Igel, setze die Rosa Brille auf und schreibe einen leidenschaftlichen Liebesbrief an mich selber. Ich weiß nur noch nicht in welcher Sprache. Termitisch böte sich an…


© Sur_real


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