Kennen Sie schon unseren Humpsi-Tumpsi?

Der Mann kam direkt auf mich zu, als ich mit meinem Eis etwas gelangweilt gemächlich durch die Fußgänger-Zone der Altstadt schlenderte. Aha, dachte ich mir, der Mann da will Dir etwas verkaufen.

Wenn man selbst in Marketing und Verkauf tätig ist, dann ist das immer eine interessante Gelegen­heit, die Tricks der Kollegen kennenzulernen. Der Mann hier verkaufte also etwas auf der Straße. Dafür gibt es zwei Erklärungen. Entweder er findet keinen anderen Job, d. h. er ist quasi eine gescheiterte Existenz.

Oder aber das genaue Gegenteil davon. Er ist besonders clever und traut sich was. Zum Beispiel irgendeinen Schwachsinn an wildfremde Menschen zu verkaufen. Im Gegensatz zu mir, der vorher immer genau weiß, mit welcher Zielgruppe ich es zu tun habe, weil ich immer erst dann nach zahl­reichen Telefonaten und ausführlichem Schriftverkehr meine potenziellen Kunden zu einem Ge­sprächs­termin aufsuche, wenn sich daraus ein Umsatz von Bedeutung ergeben könnte.

Dieser Mann hier weiß nicht, ob ich ein Politiker bin, der täglich vor Versammlungen Rede und Ant­wort stehen muss oder ein Stubenhocker, der das Maul nicht aufkriegt. Oder ein Schlägertyp, der gleich zuschlägt, wenn ihm was nicht passt. Na ja, für einen Schlägertyp halte ich mich meinem Äußeren nach eigentlich nicht, aber….

"Kennen Sie schon unser Humpsi-Tumpsi?" ging der Mann fragend auf mich zu. Erste Regel ist im­mer, sich dumm stellen und nur fragend und verwundert mit dem Kopf zu schütteln. Ich stellte mich noch dümmer und antwortete, wie aus der Pistole geschossen "Ja, natürlich kenne ich das. Wer kennt das nicht? Erst neulich habe ich darüber mit meiner Frau gesprochen. Wir waren uns beide einig, dass dieser Unfug aus USA..." und dann ließ ich ihm keine Chance, mich zu unterbrechen und redete überfallartig allen Unsinn zusammen, der mir gerade einfiel.

Natürlich hatte der Mann das nicht erwartet und musste sich erst mal sammeln und gefechtsbereit machen. Dann tat er alles, um mich zu unterbrechen und mich aufzuklären. "Einen Moment, ich glaube, das ist ein...". Zu mehr kam er nicht, dann war ich schon wieder dran, nachdem ich mal kurz an meinem Eis geschleckt hatte.

Jedenfalls redete ich so hemmungslos, bis ich merkte, dass er sich zum Abflug bereitmachte und mich verlassen wollte. "Nein, nein", dachte ich mir, "so leicht kommst Du mir nicht davon!" und sagte nur kurz "Es tut mir leid! Ich habe Sie gerade etwas unterbrochen!" Seine Schuhspitzen, die schon in eine neue Richtung gezeigt hatten, zeigten wieder auf mich. "Nein, Sie müssen sich nicht entschuldigen, unsere Kunden haben Vorfahrt. Ich wollte Ihnen nur kurz erklären..."

Und nun folgten eine Weile seine mehr oder weniger auswendig gelernten Verkaufssprüche, die ich über mich ergehen ließ, damit das Verhältnis zwischen uns wieder einen gefestigten Charakter annahm, wie es ihm antrainiert wurde. Ich nickte mehrmals mit dem Kopf, um ihm verständlich zu machen, dass ich nichts Grundsätzliches gegen seine Argumente einzuwenden hätte, hob dabei aber, zunächst noch etwas zaghaft, meinen Zeigefinger in die Luft, wie ein Schüler, der noch ein Gedicht aufsagen möchte, um bei seinem Lehrer einen guten Eindruck zu machen.

Es erschien ihm offenbar noch zu unsicher, ob ich jetzt womöglich wieder meinen vorherigen Wort­schwall fortsetzen würde und redete noch eine Weile unverdrossen, während sich mein Zeigefinger energischer in immer größere Höhe bewegte und ich mich schließlich traute, ein zaghaftes "Ähh.." zu äußern.

Er genoss offensichtlich meine neue Zaghaftigkeit noch eine Weile, um mir dann zu gestatten, ei­nen letzten Einwand zur Sprache zu bringen, den er zweifellos in der Luft zerreißen und dann end­gültig zum Verkauf seines Humps-Tumpsi schreiten würde.

Tatsächlich befand ich mich in den letzten Minuten in einer nicht sehr angenehmen Situation. Und dieser Eindruck verfehlte nicht seine Wirkung auf ihn.

Was mir selbst unangenehm war, war offenbar angenehm für ihn. Jedenfalls stimmte es ihn durch­aus positiv, dass ich mich von einem selbstbestimmt und selbstbewusst auftretenden Widerpart zu einem, ihm etwas verschüchtert vorkommenden Humps-Tumpsi-Kandidaten gemausert hatte. Und deshalb gestattete er mir, meinen, von ihm erwarteten Einwand endlich offen auszusprechen, be­vor der Verkauf seines Humps-Tumpsi dann endgültig besiegelt werden konnte.

"Entschuldigung", fragte ich ihn, "Wissen Sie, wo hier die Toiletten sind? Ich müsste mal drin­gend..." Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass er mir jetzt wohl schlecht auf die Toilette folgen konnte, um seinen Verkauf erfolgreich abzuschließen.

Dann murmelte er noch, kaum vernehmbar und mehr zu sich selbst "Scheiße!" "Nein, nein" hörte ich mich sagen, "So schlimm ist es nicht, ein Pissoir würde mir vollkommen genügen!"

Aber da war er auch schon weg und ich musste im Schuhgeschäft gegenüber nachfragen.



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© Chris Krönig


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