Der vierte Dezemberabend im Jahr 2017 am Bahnhof Hamburg-Altona.
Pünktlich zur Verspätung machte sich der Nachzug auf dem Weg nach Salzburg.
Alberto hatte ein Ticket bis nach Salzburg gekauft um dort seine Heimat und somit seine Eltern wiederzusehen.
Es verschlug ihn, gezwungenermaßen, nach Neumünster, wo er erst Arbeit fand, eine Familie gründete und sich mit dem Wohnort arrangierte. Bis alles in sich zusammenbrach.
Zuerst verlor er seine Arbeit, dann seine Familie. Was blieb waren die Gerichtsvollzieherin, ein leeres Bett und die Erinnerungen an ein qualvolles Ende.

Nachdem sein Ticket an der Tür abgestempelt wurde, musste er sich nicht fürchten in seiner Nachtruhe gestört zu werden. Solange niemand das Abteil betreten würde. Das Abteil war groß genug für zwei Personen die im Gang stehen konnten und vier, die parallel schlafen konnten.
Die Heizung funktionierte nicht, dementsprechend schnell verkroch sich Alberto unter der Decke, um Einzuschlafen.
Es war ruhig und dunkel.
Exakt vier Minuten dauerte dieser Versuch, da betrat jemand unbekanntes das Abteil. Eine junge Frau schaltete das grelle Licht an. Sie hielt einen kleinen schwarzen Aktenkoffer in der Hand. Sie sagt zu Alberto mit einem kleinen Lächeln „Hallo“. Die Dame hatte ein sehr gepflegtes Erscheinungsbild. Alberto nickte knapp, zog sich die Decke über den Kopf um wiederholt einzuschlafen.
Die Frau zog ihren schwarzen Mantel aus, lag diesen auf das untere Bett, gegenüber von Alberto und setzt sich daneben.
Alberto bekommt zu dem Zeitpunkt von alldem nichts mit. Er ist tief in seinen Träumen verwurzelt.
Seinem Traum davon endlich wieder Lebensenergie tanken zu können. Er vermisst die alte Zeit, besonders seine Familie, seine Frau und seine beiden Kinder, Marie und Carsten. Es schmerzt ihn daran zu denken, wie alle drei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sind.
Es ist lange her, seit dem er Wärme, Zuneigung und Liebe verspürt hat.
Plötzlich endete sein Traum, ihm wurde schwarz vor Augen. Der Schmerz stieg exponentiell an.

Kurz nach der Abfahrt vom Linzer Hauptbahnhof, öffnet eine Mitarbeiterin die Tür des Abteils.
Das Fenster stand offen, es war blutverschmiert. Sie schaute panisch zu Boden. Sie erblickte die Blutlache. Das Blut war schon verklebt. Das Messer lag sorgfältig geputzt auf Albertos Bauch.
Die Mitarbeiterin verschloss hastig das Abteil, eilt zum Zugführerabteil um dort einen Notruf abzusetzen.
Der Zug wurde wenig später in Amstetten durch die österreichische Kriminalpolizei als Tatort gesichert.

Zu dem Zeitpunkt wurde die Streckensperrung zwischen Regensburg und Passau aufgehoben.
Der Bahnverkehr, welcher in Folge eines Notarzteinsatzes am Gleis gesperrt wurde, rollt wieder an.
Die deutsche Bundespolizei ist sich sicher, die schwarz gekleidete Person, welche mit ihrem schwarzen Aktenkoffer am Bahndamm gefunden wurde, wurde ermordet. Kaltblütig.
Pulsader am Hals durchdreht, ebenso wie diese am Bein. Ganz zu schweigen von den Verletzungen, welche ihr vermutlich durch den Aufprall auf den Schotter angetan wurden.


© Marcello Zur Mühlen


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