Dieser eine Moment der Stille mit dir

Eine rote Holzhütte. Weiße Fensterrahmen. Mitten im Nirgendwo. Ein verwitterter Holzsteg. An der linken Seite ein Grünstreifen, dominiert von drei Bäumen, deren Nadeldach so dichtes Geäst besaß, dass es aussah, als wäre es eine einzige große Fläche. Würde man nicht zweimal hinsehen, hätte man auf der ebenfalls vom Wetter gezeichneten Holzbank darunter, nicht die Person erkannt, die dort saß. Regungslos und mit nach unten gerichtetem Blick auf ein Buch konzentriert, was auf ihren Knien lag.
Ein Räuspern ließ sie von den Buchstaben aufschauen und gen Sonne blinzeln. Sie musste lächeln, bei dem ihr gebotenen Anblick.
“Nimmst du mir die eine Schüssel ab?” Seine braunen Augen blitzten belustigt unter den gleichfarbigen und kinnlangen Haaren hervor.
Sie streckte schmunzelnd eine Hand aus und stellte das Gefäß zwischen ihren Beinen ab. Er reichte ihr einen Löffel dazu und ließ sich neben ihr mit ausgestreckten Beinen nieder. Schweigend löffelten sie die aufgewärmte Gemüsesuppe vom Vortag, schauten dabei auf den See keine zwei Schritte entfernt. Als sie fertig waren stellten sie die Schalen neben sich auf die Holzplanken und die junge Frau legte sich neben ihn auf die Bank, den Kopf auf seinen Oberschenkeln. Sie schloss die Augen, bevor Marlon sanft anfing ihr mit den Fingern durch einzelne Strähnen ihres fast hüftlangen blonden Haars zu fahren. Als kurz sein Lederarmband ihre Nase kitzelte, schlug sie prustend die Augen wieder auf.
“Entschuldige”, er tat äußerst betroffen.
Anstatt jedoch auf das Gesagte einzugehen, hob Viola ihre Rechte und legte sie scheinbar völlig gedankenverloren an seine leicht stoppelige Wange.
“Ich liebe dich.” Damit schloss sie entspannt wieder die Augen.
Er legte einen Arm um sie und nahm ihre Hand. “Ich dich doch auch.”
Er streckte den anderen Arm auf der Lehne aus und schloss ebenfalls für ein paar Sekunden seine Augen.
Am liebsten würde er einfach hierbleiben. Mit ihr. Hier auf dieser Bank, mitten im Nichts. An dieser Hütte und mit dem See vor seinen Augen. Es war perfekt, für diesen Augenblick.
Noch vor einem Jahr hatte er geglaubt, so etwas nie wieder zu empfinden. Dieses vollkommene Gefühl des Glücklichseins und diese damit einhergehende Ruhe. Und jetzt war es passiert. Und einer der Gründe dafür lag gerade in seinem Arm und hielt seine Hand.


Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als er merkte, dass sie in seinem Arm etwas zitterte.
“Frierst du, Schatz?”
“Ein wenig, ja.”
Ihre leise Stimme sagte ihm, dass sie begann müde zu werden.
“Wollen wir rein gehen?”
“Hmh.”
Sie wollte sich jetzt sehr ungerne bewegen, um das sicher zu wissen kannte er sie definitiv gut genug.
Kurzerhand nahm er sie auf seine Arme und trug sie ins Haus. Entgegen seiner Erwartung protestierte sie nicht, also schien sie wirklich sehr müde zu sein. Langsam trug er sie durch den kleinen komplett mit Holz ausgekleideten Wohn- Essbereich und legte sie im kleinen geradeaus angrenzenden Schlafzimmer aufs Doppelbett, welches fast den ganzen Raum für sich beanspruchte. Schlaftrunken zog Viola sich um, putzte sich im Badezimmer die Zähne und kroch unter die Decke. Doch als Marlon keinerlei Anstalten machte sich zu ihr zu legen, war sie ganz plötzlich wieder wach. Halbwegs.
“Kommst du nicht her?” Wie ein kleines Kind streckte sie beide Arme nach ihm aus. Das sah so herzzerreißend aus, dass er sich auf den Bauch legte, zu ihr gekrochen kam und ihr einen Kuss gab.
“Ich bin gleich bei dir. Lässt du mich noch ein paar Minuten frische Luft schnappen und ein Feierbendbierchen trinken?”
Sie schob kurz die Unterlippe vor. “Nur wenn du dich dafür nicht heimlich mit einer anderen triffst.”
Er schob eine Hand unter ihre wirren Haare, ließ sie an ihrer Wange liegen und öffnete sanft aber bestimmt ihre Lippen. “Es wird wirklich Zeit, dass du schläfst, du fängst schon an komisches Zeug von dir zu geben.”
Sie schaute ihn unschuldig an. “Okay.”
Sein Blick wurde plötzlich ernst, als er auf sie hinabschaute. “Du bist alles, was ich will. Vergiss das nicht.”
Sie drückte seine Hand, bevor sie ihn nach draußen entließ.


© MajaBerg


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