Unglücksscherbe

Unglücksscherbe


Unbeachtet liegt sie da - am Straßenrand - ein Bruchstück nur.
Grüne Scherbe - Restfragment - als Fahrlässigkeits letzte Spur.

Vom Sommerregen blank gespült, im Beisein toter Zweige,
verweilt sie hier seitdem der Wein der Flasche ging zur Neige.

Es war ein Klirren, ein Gesplitter, in dem sie ihren Ursprung fand.
Diese Erkenntnis ist schon bitter: Geburt durch rücksichtslose Hand.

So überflüssig, wertlos, klein – ganz unbedeutend für die Welt.
Ihr Schicksal ist nichts was uns je auch nur mal kurz in Atem hält.

Jedoch es kommt die Wendung bald. Sie wird bedeutend! Sie wird wichtig!
Die Scherbe bleibt an ihrem Platz, wird dort geadelt – und das richtig:

Ein Sonnenstrahl erwählt sie sich, trifft ihre Oberfläche -
ein gleißend Lichtblitz blendet mich, wird mir zur kurzen Schwäche!

Es knallt! Es quietscht! Es reißt mich hart – der Gurt hält mich im Zaume …
Ein Menschenpulk sich um mich schart – ich hör' es wie im Traume.

Dann werd' ich klar und registrier' – ich steh' an der Laterne.
Der Schaden klein, der Schrecken groß – ich rammte sie nicht gerne!

Durch Zufall kann das kleinste Ding auch eine große Rolle spielen
- selbst eine Scherbe am Straßenrand, in die nur Sonnenstrahlen fielen.

© Corinna Herntier

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