Niemand muss alleine sein


Im Schwarzwald geht die Sonne unter
und die Geister werden wach.
Der Himmel wirkt erheblich bunter –
und was kommt dann bald danach?

Gar nicht melancholisch streichen
Stimmungen von sanfter Schwere,
mit dem Dunst, dem milchig-bleichen
über angefüllte Leere.

Alle Häuser, alle Hügel, jedes Tal
beginnt geheimnisvoll zu leben
und der Stille Widerhall
lässt die ersten Sterne schweben.

Dunkel werden Raum und Flächen,
Träume steigen in das Land,
aus den tiefen Schatten brechen
feine Stimmchen – unerkannt.

Höre sie und sei ergriffen!
Sie sind wie ein guter Wein.
Wer sie kennt, der hat begriffen:
keiner muss alleine sein.

*

Das Hochgefühl


Überfall der Nervenenden
auf das arme, schlichte Hirn…
Etwas will mir Freude spenden
und ich häng an einem Zwirn.

Spitze Finger suchen Haut,
sanfte Glieder schlängeln sich.
Ja, das ist mir so vertraut –
es verzückt, verzaubert mich.

Schließlich drängt sich etwas her,
will mit mir verbunden sein,
Leichtigkeit von ungefähr
sagt mir: alles dies ist dein!

Dann beschließt ein heißer Kuss:
Gemeinsam steh’n wir vor dem Ziel
und zum letzten, guten Schluss
vereinigt sich das Hochgefühl.

*

Modernes Gesellschaftsbild
(auf einen Besuch)


Trautes Heim ist aller Laster Anfang –
tierlieb sind wir noch dazu!
Morbid sind wir und herb im Abgang.
Und der gute Mond schaut zu.

Morgenstund‘ weist den Befund:
ratlaos taumeln alle Sinne.
Nur der Wahrheit Kindermund
sagt uns manchmal laut: pfui Spinne!

Alkohol und Drogen führen
ad absurdum! – Alle Lust
ist es diesen Schmerz zu spüren,
der auf blankem Elend fußt.

Psychen geh’n in den Morast,
den Charakterschwächen zeigen,
schreien auf in stumpfer Last
um sich aus der Welt zu geigen.

Und die Nacht erteilt die Weihen,
wenn der Tag den Tod gefunden,
den die Seelen nicht verzeihen.
Nein! Die Zeit heilt keine Wunden!


*

Nicht noch einmal


Abgelehnte Körperteile
werden nicht mehr eingebracht,
Über aller langen Weile
steht das Angstgebot der Nacht.

Nicht verwendete Funktionen
danken ab und werden schlaff.
Ja, man merkt sich die Lektionen,
war man früher auch mal taff…

Unerkannt: die eig’nen Glieder,
keine Kraft zur Akzeptanz.
Der Gedanke schlägt sich nieder:
wozu brauch‘ ich einen - Kranz?

Einen Kranz aus diesen Dingen,
die das Fleisch repräsentieren.
Denn das glückliche Gelingen
will ich gar nicht mehr probieren.

*

Alle Verkleidungen
(beim Tierarzt)


Menschen, Tiere und Zyklopen,
wundert euch nicht, ihr seid krank!
Doch im Himmelreich dort oben
lebt der gute Gottseidank!

Keinem kann etwas passieren,
alle sind total wohlauf.
Bitte eines nicht verlieren:
diesen lieben Lebenslauf.

Hört auf eure weisen Steine,
die da zaubern für das Glück
und ein jeder löst alleine
sein Esgibtdochkeinzrück.

Ohne jede Übertreibung
sagt der letzte Hund ade,
doch er meidet die Entleibung –
umba, umba, täterää!!

*


Hügelauf, hügelab


Auf den Hügeln fließt das Licht wie Milch,
Honigtau hängt in den Bäumen
und ich frag‘ mich armer Knilch:
hast du noch den Mut zum Täumen?

Fremde Wesen sind in diesem tiefen All.
Sie sind aus dem Staub gewachsen.
Die Uhr läuft ab, es ist der Fall,
daß Leben tobt, sich dreht um Achsen –
Umlaufbahnen führen die Planeten
um Feuerbälle, alles glüht
und das Schicksal der Kometen
weist uns Wege…wer da zieht
durch ein Sein aus wunderlichen,
seltsam wirren Zeit-Geschichten,
der ist irgendwann verblichen.
Ein stummes Urteil wird ihn richten.

Er wird sehen, er wird staunen,
vielleicht wird er auch einmal lieben.
Gefangen ist er in den Launen,
die ihn durch diesen Ablauf schieben.

Komm und sei wie du geschaffen!
Erkenne deinen Teil und bleibe,
in Dingen die nur dich betrafen,
glücklich auf der Erdenscheibe,
denn dein Horizont ist klein,
eng begrenzt sind deine Kreise
und du fügst dich einem Schein
auf diese ganz besond’re Weise,
die nur dich allein betrifft.
Schau dich um und handle ehrlich.
Richte dich nach keiner Schrift!
Das Leben ist an sich gefährlich.

Doch in Milch getauchte Hügel
bringen gold‘nen Honigtau.
Das verleiht dir glücklich Flügel,
träume, denn nur dann weißt du genau!

*

Was könnte sein?


Einsamkeitsfimmel – der Boden bricht ab,
umgeben von wundervoller Natur!
Was hab ich erreicht, was verpasste ich knapp?
Nichts weiter bin ich als eine Skulptur.

Nein, keine Skulptur, ich hänge an Fäden,
Marionette genannt und ich tanze ein Spiel –
unbeeindruckt von den bleibenden Schäden,
fordere ich täglich, stets neu viel zu viel.

Wer mich da lenkt, wenn der Vorhang aufgeht,
ignoriere ich, bis ich’s nicht mehr kann.
Für mich erscheint jede Stunde verdreht,
aber ich rekapituliere auch, dann und wann.

Kapitulieren, das kommt nicht Frage,
die dieses Leben verrückt an mich stellt.
Was ich auch tun darf, Wochen und Tage –
wer fragt schon danach, ob’s mir gefällt?!

Ich stehe und warte, wie die Fäden so geh’n –
Darf ich lachen, kombinieren, ich bin überrascht!
ich wundere mich und versuch‘ zu versteh’n,
wenn mich der (Un-)Sinn des Lebens erhascht.

Groß ist der Himmel, universell – weit,
er bezieht mich ganz einfach in sich mit ein
und ich bin halt nur ein klein wenig gescheit.
Ich les‘ an den Fäden ab, was könnte sein?


© Sur_real


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Kommentare zu "Anlässlich meiner Reise durch den Schwarzwald"

Re: Anlässlich meiner Reise durch den Schwarzwald

Autor: Honigtraum   Datum: 14.07.2013 11:59 Uhr

Kommentar: Grandios geschrieben!
Gruß, Honigtraum

Re: Anlässlich meiner Reise durch den Schwarzwald

Autor: Alf Glocker   Datum: 19.07.2013 10:59 Uhr

Kommentar: Danke Dir
VG Alf

Re: Anlässlich meiner Reise durch den Schwarzwald

Autor: Karwatzki,Wolfgang   Datum: 19.07.2013 15:43 Uhr

Kommentar: Hallo Alf,
herrliche Formulierungen und Stimmungsbilder, besonders in den ersten drei Teilkomplexen.Hut ab.
Dennoch eine kritische Anmerkung:
Vielleicht hätte sich angeboten,die verarbeiteten Reiseeindrücke in mehreren Teilen getrennt zu publizieren.
Gruß
Wolfgang

Re: Anlässlich meiner Reise durch den Schwarzwald

Autor: Alf Glocker   Datum: 19.07.2013 16:02 Uhr

Kommentar: Ja? - ich wollte mich nicht aufplustern...

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