Immer während wohlige Wärme,
Tief im Schutze der Gedärme,
Schwerelose Dunkelheit,
In zeitenloser Ewigkeit.

Niemals einsam, Eintracht pur,
Feste Bindung durch die Schnur,
Schlaraffenlandiger Nahrungsfluss,
Unablässiger Genuss.

Rhythmus der Herzen, Lebensquell,
Einer langsam, einer schnell.
Steck' den Daumen in den Mund,
Wachse stetig, bin gesund.

In meiner Kanzel, Wasserblase,
Spür' jede Entwicklungsphase,
Kleiner Zipfel, will mir scheinen,
Wächst da zwischen meinen Beinen.

Dumpfe Töne in der Ferne,
Blind und stumm, ich höre gerne
Ihre Stimme so vertraut,
Klingt in meinen Ohren laut.

Fühle Kummer gar und Freude,
Keine Stunde ich vergeude
In der Vollversorgerin,
Ich bleib' immer in ihr drin.



Dann köpfüber schwebe munter,
Doch es drückt mich nun so sehr,
Alles presst und zieht mich runter,
Warum will sie mich nicht mehr?

Stoßen, Ziehen, Quetschen, Pressen!
Der Kanal ist viel zu schmal!
Ach, ich werde nie vergessen,
Diese Schmerzen, diese Qual.

Kälte schlägt mir nun entgegen,
Grelles Licht, in das ich blicke,
Körper schwer, kann sich nicht regen,
Brust brennt! Hilfe! Ich ersticke!

Werd' geschlagen, notgedrungen
Fang' ich endlich an zu schrei'n,
Luft strömt nun in meine Lungen,
Ist das Leben, ist das Sein?

Jetzt wird auch das Band zerschnitten,
Wickelt in ein Tuch mich ein,
Hab' ich nicht genug gelitten?
Hilflos lieg ich, so allein.



Plötzlich wieder Dunkelheit,
Darf zurück, ist es geglückt?
Aber nein, die Kälte bleibt,
Hart wird auf's Gesicht gedrückt.

Keine Luft mehr anzusaugen,
Wieder seh' ich helles Licht,
Brennt in den geschloss'nen Augen,
Lockt mich, doch ich will es nicht.

Kann den Druck nicht mehr ertragen,
Lungen laufen lautlos leer.
Kleines Herz hört auf zu schlagen,
Und ich spüre gar nichts mehr.


© Pedda/gog 17.09.2012


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Beschreibung des Autors zu "Die Vertreibung aus dem Paradies"

Wegen hoher Säuglings- und Kindersterblichkeit gab es bis ins 19. Jahrhundert kaum eine emotionale Bindung zwischen Eltern und Kindern. Kinder, die man nicht wollte, oder nicht ernähren konnte, wurden häufig von Ammen nach der Geburt einfach getötet, zumeist erstickt. Offiziell war der Kindsmord zwar verboten, doch fast überall gängige Praxis.

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Kommentare zu "Die Vertreibung aus dem Paradies"

Re: Die Vertreibung aus dem Paradies

Autor: Alex Anders   Datum: 18.09.2012 19:15 Uhr

Kommentar: Hallo Pedda, bin wieder einmal schwer beeindruckt von deiner Themenwahl und ihrer Umsetzung. Das ist die wahre Vertreibung aus dem Paradies. Gruß Alex

Re: Die Vertreibung aus dem Paradies

Autor: Pedda   Datum: 19.09.2012 11:10 Uhr

Kommentar: Hallo Alex, Ich dachte schon dieses Thema sei zu krass, um es hier ein zu stellen. Aber ich las neulich zufällig, wie man Kinder in früherer Zeit behandelt hat. Auch wenn sie überlebten, ging es ihnen nicht viel besser. Sie wurden durch strenge Erziehung und Arbeit spätestens mit 8-10 Jahren auf ihr späteres Erwachsenenleben vorbereitet. Ab 12 wurden sie dann verheiratet und man war die Verantwortung los. Die mussten sich dann selbst durchschlagen. Wenn man das mit der heutigen Kindheit vergleicht, wo Kinder und Jugendliche bis 20, manchmal gar bis 30 zur Schule gehen, studieren, von den Eltern unterstützt, gefördert und in Watte gepackt werden, dann denke ich, einigen täte es mal ganz gut, so leben zu müssen wie früher. Versteh mich nicht falsch: ich möchte nicht zu Kindsmorden oder Kinderarbeit zurück - Gott bewahre - aber heute tut man den Kindern mit der Vollversorgung rund um die Uhr m.E. auch keinen Gefallen. Der goldene Mittelweg wäre gut - ich glaube, den gab es in unserer Jugend, oder verklär ich da was? Gruß Pedda

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