Mein Vater spielte Mundharmonika und auch Trompete,
die Else sollte üben auf der Flöte,
Flöte spielen wollt' sie nicht und schmiss die Flöte hinter sich.
Sie schmückte sich gern mit Ketten und mit Ringen,
und fing dabei zu tanzen an und singen.
Die Anne war flink wie ein Wirbelwind,
und hob die Flöte auf geschwind, sie lief damit hinaus,
und probierte sie gleich aus.
Anne hat das Spielen schnell begriffen,
und ist dann selten vom zu Hause ausgerissen.
Die Anne war fast so frech wie ein Junge,
sie steckte manchmal raus, ihre kleine Zunge,
und sprang über Bäche und auch Zäune,
sie kletterte mit den Jungs auf die allerhöchsten Bäume.
Sie krähte wie ein Gockel auf dem Baum,
obwohl sie ein Mädchen war, man glaubt es kaum.
Sie hat dabei ihr buntes Kleid zerrissen,
und hat es vor Angst in den Ofen geschmissen.
Es gab ein großes Feuer, das Kleid war damals auch sehr teuer,
die Schneiderin sollte es nämlich wieder nähen,
das ging leider nicht, da liefen ihr vor Angst die Tränen.
Das war ein hübsches Kleid von einer Tante,
wenn die Mutter es wüsste, daß sie es verbrannte.
Die Mutter hat das Kleid schon vermisst seit Tagen,
denn Anne hat es schon lange nicht mehr getragen,
die Mutter wollte wissen, wo es geblieben ist,
Anne sagte ganz unschuldig: ,,Ich weiß es nicht,
ich habe auch schon in allen Schränken nach geschaut,
vielleicht haben es die Zigeuner geklaut."
Anne war sehr ungezogen, denn sie hat die Mutter angelogen.
Vor niemandem hatte sie Angst,
nur vor unserem Vater ist sie immer weg gerannt,
wenn sie ihn schon von weitem sah,
machte sie sich schnell aus dem Staube,
und versteckte sich in der kleinen Laube.

Die Anne hatte immer Hunger, sie wurde niemals satt,
sie aß vom Baum sogar ein grünes Blatt.
In der Kammer hing 'ne Bratwurst, lecker an zu seh'n,
die Anne sah sie und konnt' nicht widersteh'n,
der Duft stieg verführerisch in ihre Nase,
sie dachte: ,,Wenn die Mäuse daran nagen, wäre doch zu schade."
Sie aß die halbe Bratwurst auf, und sprang dann aus dem Fenster raus.
Die Mutter wollte die Bratwurst holen aus der Kammer,
da hing nur noch die halbe Wurst, oh welch ein Jammer.
Sie rief; ,,Ach du großer Schreck, die halbe Bratwurst ist ja weg!"
,,Wer hat denn hier daran gesessen,
und die halbe Bratwurst aufgegessen!?"
,,Wer ist es wieder gewesen, na wartet ihr, ich hohle gleich 'nen Besen!"
Da sagte die Anne: ,,Sieh mal dort, das Fenster ist ja auf,
bestimmt ist es die Katze wieder gewesen."
Unschuldig wurde die Katze dann verdroschen,
sie hat kläglich miaut, und Tränen sind ihr auch geflossen.
Die Anne war ganz still, wie ein kleines Mäuschen,
und lachte sich ins Fäustchen.
Ja, anderen die Schuld in die Schuhe schieben,
da war sie gerade erstmal sieben.
Und die Moral von der Geschicht' : ,,Wer einmal lügt,
dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht!"


© Helena


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Beschreibung des Autors zu "Aus den Kindertagen von meinen Schwestern"

Die Else ist 83 Jahr, Anne ist 82 Jahr, beide leben im Seniorenheim.

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