Glattpoliertes Blau gespannt
Gold’ne Scheibe Helios brennt dir Löcher in die Kopfhaut
Denn du gehst noch raus
Ohne Kopfbedeckung vor’m Herrn und der Welt
Nimmst Seinen Zorn und ihr Lachen
Ohne es zu merken
Gehst einfach weiter und lachst und bist glücklich in deiner Haut
Du rennst springst tanzt durch die Nacht
Und bei Tag leckst du Sonnenstrahlen und Mitmenschen
Leckst ihr Lachen, ihre Tränen
Ihre Liebe
Genießt ein klein aufkommendes Schättchen ganz ruhig
Schläfst in BH und Hösen und weinst nicht
Nur vor Lachkrämpfen manchmal

Doch das Internet spinnt dir Verwirrung in dein heiliges Dreieck
Zwischen deinen Schenkeln brennt etwas
Breitet sich aus
Auf Kinn, Hals und Kopfhaut
Sogar dein Arschloch ist befallen
Der Schatten wird langsam kalt, aber noch lachst du froh
Noch spürst du weder Zorn noch Gelächter
Schläfst noch in BH und Höschen und Makeup
Und schenkst dem Netz deine Haut und weitest deine Öffnungen
Machst ganz weit auf für Fremde, was seht ihr in mir?
Seht ihr das Rot meines Darms?
Seht ihr das Pink meiner Lippen?
Ich bin doch gut und schön denkst du dir aber dein Lachen wird leiser
Du bringst ein Schloss an deiner Tür an und lässt Mutter nicht mehr hinein
Warum, fragt sie da.
So halt Mutter, frag‘ nicht so doof.

Es friert dich jetzt etwas und du siehst hinauf
Erwartest Blau mit weiß gesprenkeltem Wasserdampf
In den Formen dort oben erkennen manche so einiges
Doch du siehst die Wahrheit
Es sind graue Federn
Schwingen
Sie kommen unaufhaltbar auf dich zu
Rauben dir Lachen Licht Liebe und Leben
Rauben dir Atem
Reißen Luftlöcher in die Leere des Tags und deine Tür bleibt jetzt immer verschlossen
Gehst nicht mehr raus, bleibst daheim, Mutter ist auch nicht mehr da
Bleibst und weinst jetzt manchmal auch am Tag
Schämst dich für BH und Höschen und Makeup
Besonders für’s brennende Dreieck

Du wechselts Ort und Beschäftigung aber die Schwingen folgen dir starr
Grau und schwer über dir Tag für Tag
Eine ganz persönliche Dunkelheit, die du sicherlich nicht bestellt hast
Nimmt dir alles was lieb ist und noch mehr
Nimmt dir Haare und Gesundheit, dein Herz ist entflammt
Bekommst Medikamente gepumpt in die Venen so kalt
Wirst in Röhren gesteckt und Mutter ist da
Steht am Fuß des Krankenhausbetts und schaut ganz verwirrt
Fragt, warum du denn nichts gesagt hast
So halt Mutter, frag nich‘ so doof.
Vater ist sowieso schon lange weg, oder war niemals da

Hast wieder und wieder den Ort gewechselt aber die Federn
Die Schwingen, die Vögel sie kommen immer näher
Hast alles probiert, alles versucht
Dir Worte und Taten tattoowiert in die Seele
Vorsätze gebrochen, eingehalten
Ordnung gehalten eine Ewigkeit
Liebe gefunden, Liebe zerfetzt
Hast gelernt und vergessen, ein Jahrhundert gelebt und gealtert
Hast dich wieder geweitet für Fremde und geöffnet für Freunde
Aber das bleierne Grau der Vögel streut dir Napalm und Agent Orange in die veätzen Augäpfel
Du stehst an ihrem blauen See, die Vögel ganz nah‘

Umflattern dein Haupt, dein Kinn, dein Dreieck
Du spürst den Wind ihrer Flügel grad noch, da umzingeln sie dich bereits
Schreiten näher auf dich zu mit gierigen Blicken und Sabber am Schnabel
Quietschendes Lachen und der Zorn des Herrn ist endlich da
Das was du dich immer nicht getraut hast zu erwarten passiert jetzt
Sie sind an dir dran, du fühlst ihre giftigen Schwingen an deinen Beinen
An deinen Händen geleckt und Augenbrauen auch
Du gehst langsam nach vorne
Zu auf das Blau deiner eigenen Augen, den ewigen See
Sie umarmen dich - schön eigentlich
Bilden einen Gürtel ums Dreieck und ums Arschloch auch
Sie dringen ein und du wirst eins mit dem schweren Grau
Ein Schritt noch und endlich nimmt dich das Blau
Bläulich nimmt dich das Ende
Du weinst vor Erleichterung
Es ist vorbei


© IchWillKeinenNamen


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Kommentare zu "Vögel aus Blei"

Re: Vögel aus Blei

Autor: ThomasNill   Datum: 19.08.2020 9:07 Uhr

Kommentar: Sechs lange Strophen.

Die Strophen erzählen eine Entwicklung. Von positiver Leichtigkeit in eine Schwermut, die von grauen Vögeln bestimmt wird, dann die letzliche Konfrontation mit diesen Unheilsvögeln und die Befreiung ist blau.

erste Strophe
"Glattpoliertes Blau". Es wird offenes Erleben und die Übereinstimmung, mit sich selbst geschildert. Die Vögel sind noch nicht da, der BH, das Höschen werden unschuldig getragen und weinen tut man nur vor Lachen.

zweite Strophe

Das Internet. Es stiftet Verwirrung. Denke hier an Spiele vor der Kamera. Die Tür wird abgeschlossen aus Angst, dabei erwischt zu werden.

dritte Strophe. Das Netz hält nicht was es verspricht. Es ist keine lustvolle Gemeinschaft, sondern ist dunkel, basiert auf Ausnutzung, Konsum, liegen lassen,
Scham macht sich breit, die grauen Vögel kommen. Die Mutter ist nicht mehr da.

vierte Strophe. Die Vögel werden immer bedrohlicher. Ort und Beschäftigung wird gewechselt und es kommt zum Zusammenbruch. Läßt mich an einen Selbstmordversuch oder wegen Haarausfall auch an Krebs denken, aber Krebs kanns nicht sein, da die Mutter fragt, weshalb nichts gesagt wurde.

fünfte Strophe. Der Kampf gegen die niederdrückenden grauen Vögel, die das Leben nun fast vollkommen bestimmen. Aber auch eine vorsichtige Öffnung findet statt.

sechste Strophe. Direkte Begegnung mit den grauen Vögeln. Da weiß ich nicht genau, was geschieht. Es gibt eine Konfrontation mit den Vögeln und zugleich
wird man eins mit dem schweren Grau. Ich denke da an Sex, ans genommen werden, Es passiert, was man immer erträumte, aber auch ausschloß, abwehrte.
Die Vögel gewinnen, doch es ist auch eine Befreiung ins Blau. Die Vögel verschwinden, das Blau erscheint wieder.

Sie umarmen dich - schön eigentlich.

Schwer zu interpretieren, ich sehe es mal positiv, als einen Akt der sexuellen Befreiung. Aus Unschuld, dem Erkennen eigener Sehnsüchte, die aber nicht
zu passen scheinen, Unwohlsein und Selbstverleungnung, Selbstbestrafung, Selbstbekämpfung zu einem Annehmen, dessen was ist. Es ist gut, es ist eigentlich schön, man kann es genießen, will es genießen.
Bei "Bläulich nimmt dich das Ende" denke ich allerdings auch an den Tod, denke aber lieber an das Ende der Selbstkasteiung.

Mir gefällt besonders:

Glattpoliertes Blau
bei Tag leckst du Sonnenstrahlen und Mitmenschen
heiliges Dreieck
Erwartest Blau mit weiß gesprenkeltem Wasserdampf
Reißen Luftlöcher in die Leere des Tags
Dir Worte und Taten tattoowiert in die Seele
streut dir Napalm und Agent Orange in die verätzen Augäpfel
Bläulich nimmt dich das Ende

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