Rechts weg

Ein einziger Schlag genügte
Nein, nicht ein Schlag - der Schlag
Des Sensenmannes Fehlschlag
Ende
Anfang
Anfang wovon?
Vom Ende

Halbierter Mensch
Einseitige Abraumhalde
Totale Wonnenfinsternis

Exakte Teilung in der Medianebene
Spiegelbild ein Gaukler ...
Alles komplett!
Doch eine Seite ist vergessen!
Sieht nichts mehr
fühlt nichts mehr
tut nichts mehr

Wie klinisch tot:
Noch durchblutet und versorgt
- mehr nicht

Leben sinnentleert
Nie mehr unbeschwert?
Alles ist verkehrt

Halbseitig lebenslänglich
reißt andere Seite mit
so folgenschwer
Selbstständigkeit verloren:
Für immer
abhängig

Selbstwertgefühl verloren:
Am Boden zerstört
nicht wiederzufinden
- bereits hinausgekehrt
zusammengefegt und weggeworfen

Hoffnung?
Keine mehr

Und nach dem Lebensende ...
... kommt dann die Freiheit wieder?

Hoffnung?
Vielleicht dann doch


© Corinna Herntier


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Beschreibung des Autors zu "Rechts weg"

Eine nahe Verwandte erlitt vor einiger Zeit einen Schlaganfall. Das änderte alles. Ein lebensbejahender, sportlicher, mitten im Leben stehender Mensch wurde zu einem Schatten seiner selbst.
Pflegeheim, Ehe ...? Einsamkeit, Rollstuhl, Unselbstständigkeit ...
Der Schlag kostete zu viele Gehirnzellen - keine Besserung möglich.

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Kommentare zu "Rechts weg"

Re: Rechts weg

Autor: Pedda   Datum: 31.01.2013 13:25 Uhr

Kommentar: Liebe Cori, jetzt mal ehrlich: das ist ganz, ganz großes Kino!!! Das musst du im 2013-Band der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte veröffentlichen. Im 2012er Band findest du auch mein erstes dort veröffentlichtes Gedicht (Kurzer Blick ins Paradies). Aber zurück zu deinem "Rechts weg". Ich habe erst in der 4. Strophe geahnt worum es geht. Allein die 3 Zeilen: "Halbierter Mensch / Einseitige Abraumhalde / Totale Wonnenfinsternis" sind das "Eintrittsgeld" schon wert und dann kommt noch so viel mehr. Ich habe es mir (mit deiner Erlaubnis) sofort ausgedruckt. Es ist sooo stark: Die Repetitionen, die Reime und dann wieder ungereimt und immer passend... einfach toll! Gruß Peter

Re: Rechts weg

Autor: cori   Datum: 31.01.2013 13:39 Uhr

Kommentar: Hallo Pedda,

bin sprachlos! Sooo ein unglaubliches Lob!!! DANKE!
Weißt du, es ermutigt mich ungemein. Ich schreibe noch selten ungereimte Gedichte, weil ich auf diesem Gebiet der Lyrik unsicher bin. Also dein Kommentar rührt mich zutiefst und ich kann nur nochmals danke sagen!
Die von dir hervor gehobenen Worte waren die allerersten, die überhaupt da waren, als ich begann, dieses zu schreiben...

Dieser "2013-Band deutschsprachiger Gedichte" kenne ich noch gar nicht - werde ich gleich mal googeln. Deinen "kurzen Blick ins Paradies" werde ich lesen.
Viele Grüße
Cori

Re: Rechts weg

Autor: simon   Datum: 02.02.2013 12:47 Uhr

Kommentar: Cori! ...jeder Buchstabe deines Gedichtes weint, jedes Wort holt tief Luft, damit es der Trauer und der Fassungslosigkeit standhält! Denk über die Zeilen von Pedda nach; -mach es mehr Menschen zugänglich! ....aber! das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile und die Seele ist Schlaganfall(s)resistent! LG Simon

Re: Rechts weg

Autor: cori   Datum: 02.02.2013 13:04 Uhr

Kommentar: Hallo Simon,
ich wünschte, du hättest recht mit der Resistenz der Seele. Ich glaube nicht, dass sie das ist.
Hoffnungslosigkeit, die angesichts der Tatsache, dass keinerlei Besserung möglich ist, lässt auch die Seele erkranken. Ich erkenne den Menschen nicht wieder. Eigentlich ist er gestorben und etwas Neues ist geworden - dieses Neue ist furchtbar.
(Zum Glück ergeht es vielen Schlaganfallpatienten besser! Oft hilft die Reha und Fortschritte sind möglich.)
Simon, ich bin sehr ergriffen von deinen Worten - dein Kommentar beginnt ja schon selbst wie ein neues Gedicht ...!!! Du kannst dich wun-der-bar (!) ausdrücken!
Vielen Dank für deinen positiven Kommentar.
Übrigens, ich habe Peddas Vorschlag ernst genommen und dieses Gedicht tatsächlich eingereicht - nur: Es sollen dort max. 20 Zeilen lange Gedichte eingereicht werden. Es gibt keine vorgegebene Wort-Anzahl. Das ist etwas "blöd", weil ich oft nur ein einziges Wort pro Zeile habe. Weiß nicht, ob ich damit überhaupt zugelassen werde. Wenn's dumm läuft, fliege ich gleich zu Anfang raus. Na, ich werd's sehen.
Viele Grüße
Cori

Re: Rechts weg

Autor: Jürgen Kohl   Datum: 03.02.2013 15:35 Uhr

Kommentar: Mit dem Wissen um das Schicksal eines vom Schlaganfall betroffenen Menschen, dessen Leiden über Jahre auch ein Stück meines Weges war, ist dieser Text für mich etwas Besonderes.
Einerseits schonungslose Sachverhaltsbeschreibung, andererseits lyrisch literarische Aufarbeitung. Eigentlich nur zu verstehen, wenn man die Situation selbst kennt. Ähnlich wie Pedda hab ich einen Augenblick nach dem Sinn gesucht und bin erst in der dritten Strophe dahinter gekommen.
Veröffentlichen solltest du den Text auf jeden Fall, Peddas Vorschlag ist eine gute Möglichkeit, ich habe dort auch schon eines meiner Traumgedicht veröffentlicht (Jahrbuch 2012)!
Aber auch die ein oder andere Literaturzeitschrift wäre eine Anfrage wert. (z.B. "Erkerfenster" oder "Die Wortschau" vom Schreiber Peter, Peter Reuter)

Re: Rechts weg

Autor: cori   Datum: 03.02.2013 19:04 Uhr

Kommentar: Hallo Jürgen,
vielen Dank für deinen mitfühlenden Kommentar und , was ich wirklich toll finde, deine praktischen Tipps!
Ich notiere sie mir gleich.
Viele Grüße
Cori

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