Herzberge

Psychosen, Selbstmord, Depression,
ich fragte bereits, was ist das schon?
Neurosen, Borderline, Paranoid,
man sie nur fühlt und gar nicht sieht.
Im Kopf spielen die Nerven total verrückt,
einer vom anderen ist nicht mehr entzückt.
Sie toben, schimpfen und randalieren,
keine von ihnen möchte verlieren.
Ich befinde mich auch wieder unter ihnen,
die eine heißt manisch die andere depressiv,
ist auch egal, es läuft jedenfalls alles schief.
Ich weine und lache und lache und weine,
eine Abwechslung wie en Stepptanz der Beine.
Man spricht mit mir, als wär ich aus Watte,
die kein eigenes Leben mehr hatte.
Die Ärzte stellen Fragen und fragen
und ich muss ihnen ehrlich antworten und sagen,
wie ich mich fühle und gerade selbst erlebe,
ich lächle zurück und meinte, ich schwebe.
Ich bin gar nicht hier, ich schaue nur zu,
schließe die Augen und will meine Ruh.
Der Raum ist ungemütlich und kahl,
hier hat man eben keine Zimmerwahl.
Das Fenster kann ich nicht öffnen, um Luft zu holen,
die Schränke verschlossen, es wird hier gestohlen.
Kein Radio hier, kein Fernseher, kein Telefon,
nur die Stimmen der Kranken auf der Station.
Es sind Menschen wie Du und Ich
und einigen geht es schlechter, sicherlich.
Doch gehör ich zu ihnen, die ganz verbissen
den Flur auf und ab gehen und gar nicht wissen,
was sie da machen und vor allem warum?
Deswegen sind sie und ich hier, darum!
Es wird geklärt, wo das Kranke in einem steckt,
welches die Nerven durcheinander bringt und erschreckt.
Ich liege auf meinem Bett und bin nicht da.
Ich überlege, grüble und weine und Ja,
mein DepressIon hat mich wieder voll im Griff.
Es schaukelt und wirft mich um, wie der Sturm ein Schiff.
Ich schwimme gerade auf meinem Leben lang,
habe aber die Insel gefunden vor dem Untergang.
Hier bleibe ich nun sicher einige Wochen
und höre mein Herz täglich aufs Neue pochen.
7:00 Uhr klingt ein „Guten Morgen“ durch mein Oropax,
es ist nicht aus Beton, es ist nur aus Wachs.
Die Schwester hat uns geweckt, der Tag kann beginnen,
an ihm werde ich sicher nichts Positives gewinnen.
Das Bad ist frei und ich kann duschen
und anschließend in meine Sachen huschen.
Ein Blick in den Spiegel wird jeden erschrecken,
meine verweinten Augen sind nicht zu verstecken.
Vor dem Dienstzimmer wird angestanden,
ich tat es auch und habe verstanden:
der Blutdruck und Puls werden gemessen,
anschließend die Polizisten im Beisein gegessen.
Zurück im Zimmer wird alles abgeschlossen,
mein Handy und Schlüssel ganz unverdrossen
in meiner Hosentasche verschwinden, bevor
der Kopfhörer meines Radios steckt im Ohr.
Beim Frühstück gegen 8 sitzen schmatzend stumm
die Kranken und kauen auf ihren Schrippen rum.
Es redet keiner mit Keinem, außer dem Radio mit mir,
beobachte jeden und frag mich, was suche ich hier?
Ich bin doch nicht krank, wie diese armen Seelen,
die sich hier viel schlimmer über den Tag hin quälen.
Und schon schießen die Tränen in meine Augen,
sie mir gerade die letzte Hoffnung aussaugen.
Ich atme tief durch und reiß mich zusammen,
frühstücke weiter und such meine Schrammen,
die unendlich wehtun, mein Herz zerreißen,
als würden meine Ionen meinen Körper zerbeißen.
Im Zimmer erwartet mich eine warme Luft,
ich kann sie nur erahnen, die Frische von draußen – den Duft.
Das Fenster öffnet man auf Wunsch und nur,
wenn wir Insassen hinausgehen auf den Flur.
Ich leg mich aufs Bett und starr vor mich hin,
bin in der Vergangenheit und das ist der Beginn,
erneut zu weinen und weinen und schnauben.
Keiner von allen würde sich es erlauben,
mich auszulachen oder gar zu meiden,
im Gegenteil, sie kennen ja alle dieses Leiden.
Ich beruhige mich wieder und geh in den Garten,
setz mich in einen Stuhl und beginne zu warten.
Ich steh wieder auf und gehe spazieren,
kein Ausgang lässt mich nach draußen führen.
Es ist eine Mauer um mich gebaut,
alles aus roten Ziegelsteinen, wohin man schaut.
Ein Blick auf die Uhr und geh wieder hoch,
ich frage mich, wie lang dauert diese Zeit hier noch?


Herzberge II

Vier lange Wochen sind vergangen
und ich spüre wieder ein Verlangen,
nicht mehr auf Station zu schlafen,
wo mich viele, viele Menschen trafen.
Ich fühl mich zu Hause nicht mehr als Gast,
die Schutzglocke hier hat sich gelüftet und fast
mich wieder freigegeben,
in ein weiteren Abschnitt in mein Leben.
Denn die Tagesklinik erwartet mich die nächsten Tage
in der ich es weiterhin wage
mein innerstes Grübeln nach außen kehre
und meine auseinander gespreizte Schere
wieder zusammenklappen kann.
Um einen anderen Weg zu finden und dann
ganz anders und neu anzufangen,
ohne Depression, Alkohol und einem Bangen
vor der Einsamkeit und dem leeren Ich.
Das schaffe ich bestimmt und sicherlich.
Danke allen hier, die mir geholfen haben,
mich zu beruhigen und durch mich zu traben.
Nachzudenken, überdenken Ziele setzen,
das Leben wieder lernen zu schätzen.
Den Notfallkoffer packen, bevor die Krise wieder klopft
und die Tränen laufen, wie ein Tropf.
Reden können, sehen lernen und zuzuhören,
fühlen, riechen, tasten und nichts mehr schwören.
Basteln, malen, feilen, flechten,
die Therapien waren nicht die schlechten.
Wie dem auch sei, nun geht es weiter,
ich steige weiter hoch die lange Lebensleiter.


© Miss Bee


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