Das liebe Kind war ihr gestorben,
die Mutter kam nicht mehr zur Ruh
Sie hatte schon den Mann verloren,
nun noch ihr einzig Kind dazu
 
Die Tränen war’n ihr ausgegangen,
der Schmerz, der wollte nicht mehr geh’n
In tiefer Nacht ging sie ins Freie,
der Mond, der konnte sie versteh‘n
 
Die Schönheit des verschneiten Landes -
die konnte sie nicht einmal seh’n
Doch plötzlich sangen da ganz leise
viel Kinderstimmen wunderschön
 
Frau Berchta war’s mit ihren Heimchen,
sie strebten grad dem Walde zu
Das letzte Kind konnt‘ kaum noch gehen,
es schleppte einen schweren Krug
 
Sie half ihm vor der großen Hecke,
erkannte jäh ihr eigen Kind
Es schleppte ihre ganzen Tränen!
Das Hemd war nass – und sie fast blind
 
‚Ach liebe Mutter, lass mich gehen,
die Große Mutter hat viel Raum!‘
Sie küsste es noch unter Tränen
und half ihm über jenen Zaun


© Jürgen Wagner


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Beschreibung des Autors zu "Das Tränenkrüglein"

Nach einem deutschen Volksmärchen zu Frau Perchta, einer Parallelgestalt zur Frau Holle, die in den geweihten Nächten mit den Seelen der verstorbenen Kinder (Heimchen) unterwegs war.

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Kommentare zu "Das Tränenkrüglein"

Re: Das Tränenkrüglein

Autor: agnes29   Datum: 19.01.2016 0:08 Uhr

Kommentar: Da kamen mir doch fast die Tränen, so schön ist dein Gedicht.
Danke!
LG Agnes

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