Ich kann es kaum glauben,
Ich reib mir die Augen.
Ist das denn wahr, kann das denn sein?
Da schneit doch die ganze Verwandtschaft herein.
Dreißig Jahre hat sich kaum einer gekümmert,
auch wenn sich Deine Lage hatte verschlimmert.

Nun bist Du gestorben, hast Dich lange gequält,
Für die anderen hatte es kaum was gezählt.
Kaum einer war da,
alle machten sich rar,
Wenn Du in der Klemme gehangen,
kein Mitleid für dich, kein mit Dir Bangen.
Bloß auf Distanz, bloß Abstand halten,
Nicht das man sie für Verwandtschaft gar halten.

Jetzt muss alles vorbereitet werden,
Nachvollzogen wird Dein Leben auf Erden.
Alle geben ihren Senf dazu:
"Das war doch so, oder was meinst Du?"
Alle haben was zu sagen, keiner bleibt still.
Ich frage mich ernsthaft: "Ob ER das will?"

Dreißig Jahre hatten sie kein Interesse,
Sagt man das, zieh'n sie 'ne Fresse.
Ich könnte drein schlagen!
Mir dreht sich der Magen.

Sie kannten Dich kaum, doch schwingen jetzt Reden!
Hast Du es gehört? Gib ihnen den Segen!
Du hättest sie kurz und knapp vor die Türe gesetzt,
Ich kann es jetzt nicht, ich bin zu sehr verletzt.
Du wärst explodiert, dass es laut knallt!
Und sie geleiten Dich zur letzten Ruhe im Wald.

Was sie sich versündigten in den vergangenen Jahren
Wird irgendwann aufgerechnet von dem einzigen Wahren.
Ihr Heucheln hat nicht für ewig Bestand!
Irgendwann steh'n sie mit dem Rücken zur Wand.
All das, was sie an Nächstenliebe unterlassen haben,
Wird mal quittiert - aber nicht mit milden Gaben.
Dann wird gewogen und alles gesiebt.
Und es steht fest: Sie haben dich nie wirklich geliebt.
Sie haben stets nur ihr Image gepflegt
Doch keiner von ihnen hat dich je gehegt.
Oberflächlich war ihr Verhalten, nur um den Schein zu wahren,
Doch irgendwann werden sie es am eigenen Leib erfahren:
Den Nächsten zu lieben - für ihn da zu sein - ist eine heilige Pflicht,
Wer es selbst nicht tut, erfährt es am eigenen Leibe auch nicht.

Es wird die Zeit kommen, dass sie sich besinnen.
Hoffentlich bald, damit sie beginnen,
andere Menschen zu sein ohne sinnloses Gerede,
Nur dann gehe ich schon lange ganz andere Wege.
Was sie sich erlaubten, vergesse ich nicht
Ich kann nur vergeben, denn das ist die Pflicht.
Aber engen Kontakt kann ich dann nicht mehr halten,
Zu viel ist geschehen im Neuen und Alten.

Oftmals haben sie Dich in Rage gebracht.
Haben so manche Wut in Dir entfacht,
Jetzt musst du da durch, wir müssen's ertragen.
Ich verspreche Dir, ich werde nichts sagen.
Doch niederschreiben werde ich es hier
Das muss raus, das schulde ich Dir.

Ich könnte mich noch lange ergießen,
Doch du sollst jetzt die Ruhe genießen.
Du hast es verdient, ohne weiteren Groll zu scheiden.
Wir beide konnten uns immer gut leiden.
Durch dick und dünn sind wir durchs Leben gegangen,
Es lohnt nicht, jetzt mit ihnen Streit anzufangen.
Wenn sie an das glauben, was sie von sich geben,
So sollen sie mit diesem Glauben weiter leben.

Ich nehm' von Dir Abschied ruhig und leise,
Denn das ist die einzig richtige Weise.
Du hattest Fehler doch dein Herz war stets warm,
Wer das nicht erkannte, der ist geistig arm.
Du warst ein Mensch mit Macken und Tücken
Doch Dein Tod hinterlässt bei mir große Lücken.
Du hast viel geprägt, viele Erinnerungen hinterlassen.
Dass Du nicht mehr da bist, ist nur schwer zu fassen.

Gehe in Frieden und ohne Leid.
Es wird alles gut, alles hat seine Zeit.


© Minna vom Sund


3 Lesern gefällt dieser Text.




Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Nachlese"

Re: Nachlese

Autor: Pezi   Datum: 22.06.2014 17:59 Uhr

Kommentar: Mir lief es beim Lesen eiskalt über den Rücken und ich musste weinen. Genauso ist es gerade bei meinem Vater, der letzte Woche verstorben ist. Ich hatte keine Ahnung wie man so etwas überhaupt in Worte fassen kann, aber Du hast es genau auf den Punkt gebracht. Ich danke Dir dafür!!

Kommentar schreiben zu "Nachlese"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.