I – Januar

Januar macht uns benommen,
daß wir die Gänsehaut bekommen!
Wir plagen uns durch harschen Firn
und folgen täglich diesem Zwirn,
der uns in Wolken aufwärts zieht,
wo alles in ein schieres Dunkel flieht,
das über Augenblicken thront –
und Hoffnung nur im Traum belohnt!


II – Februar

Im Februar gefriert das Licht,
zu einer stumpfen Oberschicht,
die, gegen uns, die Kälte pflegt –
und überall, wo sich was regt,
da hält sie alles klein und zart…
Der Boden ist ja viel zu hart,
um reichlich Früchte einzutragen.
Wir müssen das Orakel fragen!


III – März

Der März verschüttet uns im Sehnen,
wobei sich noch die Stunden dehnen,
die, ganz im irdischen Verlangen,
bereits die Dinge anbelangen,
die jeden von uns hoch erfreuen,
sich nicht vor der Erfüllung scheuen!
Der Fromme wälzt sich im Gebet –
wie es partout im Buche steht!


IV – April

Aprilduft hat den Schalk im Nacken!
In allen Kronen steht ein Zacken,
so schief, wie man nur denken kann.
Wer fällt herein und wer ersann,
sich manchen tumben Zapfenstreich?
Die Sonne ist nicht mehr so bleich,
wie sie es noch im Januar,
vor unser aller Augen war!


V – Mai

Der Mai ist wie ein Lustversprechen
und all die prallen Blüten brechen,
hervor, aus Erde, Dunst und Kleid!
Du fühlst es schon, bald ist’s soweit,
daß frohe Elfen dich umarmen –
du legst den Mantel ab, den warmen
und gehst, in der Natur, heraus,
aus dir und aus dem alten Haus!


VI – Juni

Im Juni ist man schon liiert,
damit man nichts vom Spaß verliert.
Man wendet sich dem Guten zu,
und man vergisst von selbst, im Nu,
was falsche Predigt dir verhieß –
du bist dir des Gewinns gewiss,
der vor dir, aus der Wahrheit lacht.
Und du sagst: „Das ist geil gemacht!“


VII – Juli

Im Juli flattert die Seele umher!
Sie betrinkt sich göttlich, denn die Gewähr,
daß es immer so bleibt, ist umstritten.
Wir müssen uns stetig Wohlstand erbitten
und handeln mit Liebe4 und Leidenschaft,
denn daraus schöpfen wir alle die Kraft,
stets neu und beherzt das zu beginnen,
was wir nur können, mit unseren Sinnen!


VIII – August

Der August sieht uns in Kornfeldern liegen,
wo sich die Halme im Sonnenstrahl wiegen,
der zu uns kommt, aus endlichen Fernen,
dem nächsten, von den unzähligen Sternen.
Er sagt uns: „Du sollst die Einsichten lehren,
die deine geistige Habe vermehren –
kehre nicht um, lass dich nicht verführen,
nur von der Klarheit, die wir auch spüren!“


IX – September

September, halte die Wehmut zurück!
Wir aalen uns noch in Späßen und Glück.
Nein, diese Ära darf nicht vergehen,
denn ihr Karussell soll mit uns drehen,
an den Zeigern der Uhrwerke, die uns lenken,
uns in den Zauber des Daseins versenken.
Denn hier sind wir doch: endlich – geborgen!
Verschwende uns nicht an ein trüberes Morgen!


X – Oktober

Oktober, sei golden, mach uns ganz stark,
in uns gefestigt, robust und autark,
damit wir die Härte des Winters erfüllen,
mit aller Macht, aus den sterblichen Hüllen,
die wir brauchen, um romantisch zu bleiben.
Wir wollen doch unverwandt alles betreiben,
was uns ein Leben als Mensch garantiert,
der weder Geduld, noch die Nerven verliert!


XI – November

Novemberwind, zieh mein Kerzenlicht groß!
Ich lasse mein Streben nach Wirklichkeit los,
und ich spaziere in dein Dunkel hinein –
es muss ja nicht leer und nicht gruselig sein.
Da bäumt sich noch einmal die Herrlichkeit auf,
die uns erfüllt, auch im Marathonlauf,
in einem Kreis um das zentrale Gestirn –
in Feuer und Eis glüht unsere Stirn!


XII – Dezember

So geht nun wieder ein Sein-Jahr vorbei,
die Natur fühlt sich an, als wär sie aus Blei.
Die Zeit ist verwelkt, etwas Neues kommt bald,
unwiderstehlich und mit aller Gewalt.
Die Monate führen in andere Regionen
(in denen sich auch Bemühungen lohnen
und das Erreichte sprengt jeden Rahmen),
geheiliget seien all ihre Namen!

*

Im Ganzen gut


Der Morgen streift durch Feld und Garten.
Er spricht: „Du hast was zu erwarten!“
Lass dich doch einfach überraschen –
du landest in des Tages Maschen!

Das Netz der Stunden hängt bereit!
Ergreif nur die Gelegenheit,
dich seinen Reizen zu ergeben –
sei’n sie nun Plage oder Segen!

Beginne froh dein Werk und schiebe
nichts beiseite… Glück und Liebe
sind sehr mit Umsicht zu gestalten –
drum prüfe rastlos dein Verhalten!

Und wenn du vor dem Abend stehst
und wieder faul, nur Däumchen drehst,
dann sollst du ehrlich denken können –
„Das war im Ganzen gut zu nennen!“


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der heilige Jahreslauf"

Re: Der heilige Jahreslauf

Autor: axel c. englert   Datum: 16.01.2016 19:28 Uhr

Kommentar: Jener Jahreslauf schön passt -
Wenn er derart fein verfasst!

LG Axel

Re: Der heilige Jahreslauf

Autor: agnes29   Datum: 16.01.2016 20:54 Uhr

Kommentar: Da habe ich mir die Zeit für genommen, ein wunderschöner
Jahreslauf. Er ist heilig! Danke dir Alf.
LG Agnes

Re: Der heilige Jahreslauf

Autor: possum   Datum: 18.01.2016 2:01 Uhr

Kommentar: Danke dir für all deine wundervollen tollen Schriften für uns lieber Alf! LG!

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