Die Weiße Rose

© Michael Dierl

Ich kannte nicht gleich seinen Namen,
er lag Vis á vis von mir.
Er lag schon dort seit Tagen,
und roch etwas nach wildem Tier.

Als ich in den Bombentrichter fiel,
war kein Jammern oder Klagen.
Mein Monolog ihm wohl gefiel,
denn er stellte keine Fragen.

In den Himmel rauf da schaute er,
die Sterne funkelten leise.
Sein Blick war starr und leer,
und ich sagte leise - Scheiße!

Eisblau waren seine Augen,
im Helm klaffte ein kleines Loch.
Verkrampft, als wolle er was bestaunen,
meine Stimme aber nicht mehr vermocht.

Weit offen stand sein Mund,
in weiß die Zähne funkeln.
Blass sein Gesicht um seinen Schlund,
schlecht zu erkennen so im Dunklen.

Zirka 16 Jahre jung,
vielleicht auch etwas älter.
Wer hat den Jung wohl abgeknallt,
der gehört zu einem Henker!

Verflucht sei jeder Krieg,
niemals wird man schlauer.
Selbst der Sieger niemals siegt,
schafft er doch zu viel an Trauer.

Die weiße Rose am Revers,
erst viel später hab ich sie entdeckt.
Ich sah sie durch mein Zielfernrohr,
nun bin ich glatt entsetzt!

Ich erstarrte vor dem jungem Tod,
die Wut in mir sie kochte.
Die Blume ignorierte ich Idiot,
ich mich plötzlich gar nicht mochte.

Ein Brief entdeckte ich in seiner Brust,
für zu Hause an die Lieben.
Auf dem stand der ganze Frust,
den wohl er hat hier geschrieben.

Liebe Mutti, lieber Papa, lieber Opa und Oma.

Es ist ein scheiß Leben im Schützengraben. Täglich fallen Kameraden, nein nicht fallen, sie werden einfach erschossen oder von Granaten zerfetzt. Hier regnet es in Strömen und die Gräben färben sich rot vor Blut und Innereien und Kacke. Uns ist kalt, wir frieren. Kaum geschlafen und gegessen. Ich zittere am ganzen Leib. Wir müssen unsere Köpfe unten lassen denn hier wimmelt es von Scharfschützen und auch vor Ratten. Ich habe mir vorgenommen keinen Menschen Leid anzutun. Ich bin Pazifist wir ihr wißt! Ich weiß gar nicht was ich hier soll!? Bin der völlig falsche Mann am Platz. Ich schieße in die Luft oder wenn der Hauptmann nach mir schaut knapp daneben damit es nicht auffällt, denn sonst bin ich dran. 3 Mal habe sie schon knapp an mir vorbei geschossen. Ich weiß nicht wo der Schütze steckt. Ich habe vorsichtig mit dem Zielfernrohr die Gegend abgesucht aber der muss gut getarnt sein. Ich habe mir eine weiße Rose ins Revers gesteckt und auf dem Gewehrkolben habe ich „Do not Shoting“ eingeritzt. Ich hoffe er kann das lesen und versteht es. Wenn nicht dann…..will ich gar nicht wissen! Truppenbesuch von Politikern Fehlanzeige. Keiner von denen die uns Jungs in den Schlamassel geschickt haben besuchen uns. Die kneifen ALLE ihren fetten Arsch in den Sessel aber schicken fast noch Kinder an die Front und dann tun sie so als wenn das Sterben ein hohes Gut und eine Ehre wäre – wie „Heldenhaft“! Nicht zu glauben! Ist empörend – die reinste verarsche! Das ist eine Frechheit einen das Leben in jungen Jahren zu nehmen wegen ihres Egotrips! Ich habe Wut im Bauch, der hält mich am Leben. Ich hoffe ihr seit alle noch gesund und munter. Liebe Grüße auch ein meine liebe kleine Schwester. Ich habe Euch lieb!

Euer Vitaly
ps: Hoffe mein Name ist nicht umsonst!

Nun wußte ich seinen Namen,
wie meiner, ich war gänzlich platt!
Ein paar Bilder ohne Rahmen,
hatte er noch in seinem Sack.

Ich nahm die Dokumente an,
und schwor sie abzuschicken.
Auch schwor ich auf keinen Mann,
jemals eine Waffe auf ihn zu richten.

Die Waffen zerschlug ich in Stücke,
warf sie verachtend in den Dreck.
Schleppte mich zur Eisenbahnbrücke,
und wartete auf einen Truck.

Nur weg aus diesem Land,
in den Westen ich dann floh.
Nun bin ich in Sicherheit gelangt,
doch werd ich niemals froh!


© Michael Dierl


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Beschreibung des Autors zu "Die Weiße Rose"

Ich hab mal versucht ein Gedicht und Brief zu koppeln. Alf hat das glaube ich auch mal gemacht. Ansonsten wäre der Brief in Gedichtsform gefühlt fehl am Platz denk ich! Wieder mal das leidige Thema aus einer anderen Perspektive und in einem etwas anderem Format, was ich vielleicht jetzt öfters mal versuche! Schade, ist dass man den Fließtext, also den Brief, nicht kursiv, also in Schreibschrift darstellen kann. Ansonsten muss ich ein Bild von machen.

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Kommentare zu "Die Weiße Rose"

Re: Die Weiße Rose

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 04.12.2022 15:35 Uhr

Kommentar: Woouuh, das geht unter die Haut.
Du hast mit Worten diesen scheiß Krieg und diese Situation beschrieben, wie es nur die ganz Großen hinbekommen würden; Hut ab, lieber Michael.
Die Kombination aus Gedicht, Brief und deinem Bild unterstreichen dein Werk.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Die Weiße Rose

Autor: Sonja Soller   Datum: 04.12.2022 17:30 Uhr

Kommentar: Wow, da kann ich Wolfgang nur beipflichten, lieber Michael. ganz großes Kino!!
Chapeau!!!!

Herzliche Grüße aus dem Norden, Sonja

Re: Die Weiße Rose

Autor: Kathleen   Datum: 04.12.2022 22:06 Uhr

Kommentar: Ja, ganz großes Kopfkino, lieber Michael. Was da alles an Gefühl, an Zerrissenheit und an Empathie drinnen steckt. Gut gemacht.

Liebe Grüße aus der friedlichen Mitte

Kathleen

Re: Die Weiße Rose

Autor: Angélique Duvier   Datum: 05.12.2022 17:27 Uhr

Kommentar: Lieber Michael,

unglaublich, nahegehend, berührend und aufwühlend, Dein Brief/Gedicht!

Herzliche Grüße,

Angélique

Re: Die Weiße Rose

Autor: Steffi Illi   Datum: 07.12.2022 9:18 Uhr

Kommentar: Lieber Michael

Bin sehr berührt von deinen Zeilen.... Muss erst mal wieder in der Realität ankommen...

Liebe Grüße Steffi

Re: Die Weiße Rose

Autor: Michael Dierl   Datum: 07.12.2022 14:07 Uhr

Kommentar: Ja, ein Dank an alle Leser! Ich hätte jetzt auch nicht gedacht dass dieses Gedicht gepaart mit dem Brief solche Wellen schlägt aber schön dies zu lesen. Ja, muss ehrlich gestehen mich gruselt es auch ein wenig wenn ich es nach zwei Tagen wieder mal lese. Kriegschicksale sind IMMER ergreifend, weil es eben nicht der Normalität entspricht. Ist auch zu Abstrakt das zu begreifen. Ohne die vielen Dokumentationen oder auch Filme ist das kaum möglich. Mein Opa hat viel über den Krieg gesprochen. Einfach nur grausam! Eine schlimme Welt die hoffentlich bei uns nie eintrifft. Dank nochmal an Alle!

lg Michael

Re: Die Weiße Rose

Autor: Jens Lucka   Datum: 09.12.2022 16:58 Uhr

Kommentar: Chapeau lieber Michael ! Bin da voll bei dir. Wie grausig dieses Thema immer unter die Haut geht, seit Menschengedenken.
Lasset die Irren einander einsperren und sich ihnen selbst überlassen. Klug werden Diese nie.

Gruß, Jens

Re: Die Weiße Rose

Autor: Verdichter   Datum: 11.12.2022 15:50 Uhr

Kommentar: näher dran geht nicht. Ganz großartig gemacht! Da zeigst du uns mal eine neue Seite, denn du bist doch unser Spaßmacher hier. Aber es gibt eben Dinge, die holen jeden auf den Teppich der Realität zurück. Und dann müssen sie gesagt werden.
Hut ab, lieber Michael!

Gruß, Verdichter

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