Majestätische Gleichheit

Majestätische Gleichheit
vor dem Gesetz

Verboten

Armen und Reichen zugleich
war schon immer verboten, zu stehlen, zu betteln
oder Proteste und Revolutionen anzuzetteln.

Armen und Reichen zugleich
wurde gerade eben auch verboten,
unter Brücken zu schlafen oder in Paddelbooten.

Armen und Reichen zugleich
ist gesellschaftlich streng verboten,
heimlich billigen Fusel zu trinken,
statt in Champagnerorgien zu versinken.

Armen und Reichen zugleich
ist ordnungsbehördlich verboten,
an Haustüren bettelnd aufzulaufen
oder Versicherungsverträge zu verkaufen

Armen und Reichen zugleich
ist strikt verboten,
ihre Bestechungsbereitschaft auszuloten.


Erlaubt

Armen und Reichen zugleich
ist es gestattet,
Urlaubsflüge zu buchen, die die Steuer erstattet.

Armen und Reichen zugleich
ist modisch erlaubt,
Nerzmantel zu tragen,
bevor der verstaubt.

Armen und Reichen zugleich
ist unbenommen,
keines oder 7 Kinder zu bekommen.

Armen und Reichen zugleich
kann niemand verwehren,
im Krieg zu sterben für vaterländische Ehren.

Arme und Reiche zugleich
können spekulative Aktien kaufen
oder sich in der Kneipe besaufen.



W. Karwatzki 21.1.2012

© Wolfgang Karwatzki

Gefällt mir!Gefällt mir nicht mehr!

2 Lesern gefällt dieser Text.

Pedda
Angélique Duvier

Beschreibung des Autors zu "Majestätische Gleichheit"

Das war mein Vorbild:
Zitat
„"[...] unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“
– Anatole France: Le lys rouge, 1894 (deutsch von Franziska zu Reventlow: Die rote Lilie, München 1925, S. 116)

Diesen Text als PDF downloaden

Kommentare zu "Majestätische Gleichheit"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.